Merken

Bei Halloren rollen Köpfe

Schoko-König Klaus Lellé muss nach 20 Jahren an der Vorstandsspitze abtreten. Sanierer Ralf Coenen will zurück zur Kugel.

Teilen
Folgen
© dapd

Von Sven Heitkamp

Machtkämpfe, Intrigen, rote Zahlen: Seit zwei Jahren hat die Halloren Schokoladenfabrik mehr Negativ-Schlagzeilen als Wachstum und Erfolge produziert. Jetzt wird ein Kapitel des kriselnden Unternehmens zugeschlagen und ein neues begonnen: Der Haupteigentümer wechselt die komplette Führungsmannschaft aus und richtet das Traditionshaus neu aus.

Klaus Lellé, seit 1997 Kapitän des Schoko-Riesen, muss per Monatsende seinen Posten als Vorstandsvorsitzender räumen. Für ihn folgt – zumindest vorübergehend – ein branchenbekannter Sanierer: Ralf Coenen, ein erfahrener Notfall-Manager der Münchner Sozietät für Interims- und Projektmanagement „taskforce“. Coenen arbeitet bereits jetzt im Vorstand mit. Ab 1. Mai werde er für ein Jahr alleiniger Vorstand des Traditionsunternehmens, bestätigte ein Sprecher der Halloren auf Nachfrage. Auch die beiden Vorstandsmitglieder Jay Binler und Brandon Frehner, die erst Ende 2016 gekommen waren, scheiden Ende April aus der Unternehmensspitze wieder aus.

Die künftige Richtung bei den Halloren heißt: Zurück zu den Wurzeln. Coenen, so teilen die Hallenser mit, solle die bereits angekündigte Konsolidierung und Neuausrichtung von Deutschlands ältester Schokoladenfabrik vorantreiben. Der 56-jährige Übergangschef sehe seine Aufgabe vor allem darin, das Unternehmen wieder auf seine Kernkompetenzen zu konzentrieren und die berühmte Halloren-Kugel wieder in den Mittelpunkt zu stellen.

„Halloren und die Halloren-Kugel sind ein unverzichtbarer Bestandteil der Region und ihrer Bürger“, sagt Coenen. „Deshalb müssen wir uns wieder stärker auf diese Wurzeln besinnen.“ Auch das Engagement in den Auslandsmärkten wie in den USA soll zurückgefahren werden. Der Diplom-Physiker Coenen, der eher auf technische Branchen spezialisiert ist, hatte Anfang der 1990er-Jahre bei der Management-Beratung McKinsey begonnen. In den vergangenen 20 Jahren leitete er diverse Unternehmen bei ihrer Neuausrichtung, darunter: Carl Zeiss in Oberkochen, Leica Cameras, der Logistikdienstleister ComBase aus Karlstein am Main und einige andere.

Bei den Halloren war der Stein ins Rollen gekommen, als sich Alt-Investor Paul Morzynski aus dem Unternehmen zurückzog. Der Großaktionär aus Hannover hatte das frühere Ost-Unternehmen 1992 von der Treuhand gekauft und über 25 Jahre wieder groß gemacht. Im August vorigen Jahres verkaufte er seine Anteile an „Charlie Investors“. Die Finanzgesellschaft hält seither fast 75 Prozent der Anteile an den Halloren. Dahinter stehen die Eigentümerfamilien um Darren Ehlert, einst Manager bei der Investmentbank Lehman Brothers, und Investor Frank Illmann. Der ist heute Aufsichtsratsvorsitzender der Halloren.

Vom Rauswurf im Urlaub erfahren
Der Stern von Sonnyboy Lellé – viele Jahre das Gesicht der Halloren und ein Garant für deren Erfolg – begann bereits vor zwei Jahren zu sinken. Damals musste der Vorstandschef erstmals einen Verlust in der Konzernbilanz verkünden: Das Unternehmen hatte 2015 zwei Millionen Euro Minus gemacht. Auch 2016 wurde noch kein Gewinn erwirtschaftet, sondern noch mal fast eine Million Euro Verlust geschrieben – bei einem Umsatz von 124 Millionen Euro. Ursache dafür waren vor allem rote Zahlen bei der belgischen Tochter Bouchard und bei der Delitzscher Schokoladenfabrik.

Beide Tochterunternehmen wurden danach verkauft, um Kredite zu bedienen. Der 58-jährige Lellé werde künftig seine „ausgewiesenen Kompetenzen im Vertrieb“ in einem neu gegründeten Unternehmen als geschäftsführender Gesellschafter einbringen, teilten die Halloren mit. Er werde auch weiterhin die Schokoladenfabrik unterstützen und langjährige Handelskunden betreuen sowie weitere Süßwaren-Unternehmen beraten. Zum Zeitpunkt seines Rauswurfs war er allerdings im Urlaub auf Sizilien, wie der MDR berichtete.

Erschwert wurden die Schoko-Geschäfte zusätzlich durch einen Machtkampf mit dem Süßwaren-Riesen Katjes. Der Konzern hatte nach und nach Halloren-Anteile von mittlerweile knapp elf Prozent erworben, sorgt aber mit Klagen und Schadensersatzansprüchen für Zoff in Halle. Als Reaktion darauf zogen sich die Halloren sogar von der Frankfurter Börse zurück: „Zum Schutz des Unternehmens, seiner Mitarbeiter und der Aktionäre“, wie die Halloren mitteilten. Gestern kritisierte Katjes den Führungswechsel in Halle ebenfalls scharf. „Wir halten Herrn Coenen für eine Fehlbesetzung, weil er über keinerlei Süßwaren- oder Food-Erfahrung verfügt. Stattdessen wird weiter kaputtsaniert“, sagte eine Sprecherin von Katjes International der Mitteldeutschen Zeitung. Weder im Vorstand noch im Aufsichtsrat der Halloren sitze nun ein Manager mit Erfahrung in der Lebensmittel-Industrie.

Unsicherheit herrscht auch unter den Beschäftigten des Konzerns – im Jahr 2016 immerhin rund 780 Arbeitnehmer. Die Gewerkschaft Nahrung, Genuss, Gaststätten (NGG) reagierte gestern besorgt auf den Einsatz des Sanierungsexperten. Die Entscheidung zeige, dass das Unternehmen in einer ernsten Lage sei, sagte NGG-Regionalgeschäftsführer Jörg Most. Es bedeute aber auch, dass Halloren in ruhiges Fahrwasser zurückgeführt werden könne. Das Wichtigste sei, den Standort samt Jobs zu sichern. Allein am Stammsitz in Halle arbeiten den Angaben zufolge 270 Beschäftigte. „Eigentlich“, so Most, „kann man sich Halle nicht ohne Halloren vorstellen.“