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„Bei Drogen ist sofort Schluss“

Inez Bardehle vermittelt Gastschüler über den Verein Give in der Region Döbeln. Für deren Aufenthalt in Deutschland gibt es strenge Regeln.

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© Archiv/Dietmar Thomas

Frau Bardehle, mussten Sie schon mal einen Gastschüler zurückschicken?

Einen US-Amerikaner musste ich mal mit zu mir nehmen. Ich habe immer ein Gästezimmer bei mir frei. In den USA lebte er allein in einer Wohnung auf Hawaii, ohne jede Regeln. Und hat gedacht, dass er hier auch so leben kann. Die Gasteltern hier haben ihn nachts manchmal gesucht. Den Rest seines Jahres hat er bei der Oma eines Kumpels verbracht. Die fand ihn toll. Wären jedoch Drogen im Spiel gewesen, wäre sofort Schluss mit dem Aufenthalt. Die Jugendlichen und ihre Eltern unterschreiben dafür, dass sie bei den Gastfamilien nicht rauchen, keinen Alkohol trinken und keine Drogen nehmen.

Was ist, wenn es mit dem Gastschüler nicht klappt?

Es gibt die Möglichkeit zu wechseln. Für eine Thailänderin hat eine andere Betreuerin vom Verein vor Kurzem eine neue Familie gefunden. Da wird bundesweit gesucht. Deshalb gab es eine so schnelle Lösung. Das Mädchen war sehr still und zurückgezogen. Die Familie hatte sich eher jemanden Lebhaften gewünscht. Wir haben aber schon viele Probleme so lösen können.

Haben Sie ein Beispiel?

Eine Gastfamilie aus Dresden hatte einmal eine Schülerin aus Finnland, die Bulimie hatte. Das Mädchen hatte anfangs keinen Anschluss in der Schule gefunden, dadurch brach die Krankheit wieder aus. Sie wurde immer dünner. Wir haben sie dann in die zehnte Klasse versetzt, die Gasteltern haben eng mit den Eltern zusammengearbeitet. Sie haben ihre Tochter via Skype „überwacht“. Dann hatte sich alles eingepegelt.

Können sich die Familien ihren Gastschüler aussuchen?

Ja. Ende März/Anfang April bekomme ich die ersten Bewerbungen. Der Verein sucht dann heraus, welche Familie zu den Interessen des Jugendlichen passt. Die Familien bekommen mehrere vorgeschlagen und können ihren Wunsch angeben. Meist klappt es auch. Aber man sollte immer einen Zweit- und Drittwunsch angeben. Die Familien können sagen, ob sie lieber einen Jungen oder ein Mädchen möchten und vielleicht jemanden, der religiös ist.

Wie läuft die Verständigung mit den Schülern, die aus den Amerika, Europa, Asien und Australien kommen?

Viele Gastschüler haben schon Grundkenntnisse in Deutsch, manche können die Sprache aus der Familie. Manche können aber auch gar kein Deutsch. Dann erfolgt die Verständigung auf Englisch und mit Händen und Füßen. Die meisten Schüler wollen aber so schnell wie möglich Deutsch lernen, um sich im Klassenverband schnell zu integrieren. Um die Sprache zu lernen, besuchen sie teilweise auch Deutschstunden in der fünften oder sechsten Klasse. Dafür lassen sie andere, für sie weniger wichtige Fächer weg.

Was sind die Voraussetzungen, um einen Gastschüler aufzunehmen?

Die Schüler benötigen ein Bett und Verpflegung. Ansonsten sollte die Familie tolerant sein, nicht nur gegenüber fremden Kulturen, sondern auch gegenüber Jugendlichen. Schließlich sind die meisten Gastschüler zwischen 16 und 18 Jahre alt. Da spielt die Pubertät eine große Rolle. Bevor die Familien jemanden aufnehmen, komme ich sie besuchen. Dabei schaue ich, ob es bei der Familie ordentlich ist, ob es Strukturen gibt, sie zum Beispiel zusammen essen. Die Familien müssen für die Gastschüler keine Reiseveranstalter sein. Es genügt, sie in das Familienleben einzubeziehen, mit ihnen zu wandern oder Rad zu fahren sowie am Wochenende oder in den Ferien mal einen Ausflug zu machen.

Was kostet denn die Unterbringung des Gastkindes?

Die Gastfamilien kommen für die Verpflegung und Unterkunft auf. Die meisten Jugendlichen bekommen eine Geldkarte von zu Hause mit. Schulbücher erhalten sie kostenlos. Die Kosten für die Fahrten zur Schule werden ersetzt. Ebenso die für benötigte Bescheinigungen von den Ämtern.

Wie lange bleiben die Schüler?

Die meisten bleiben ein Schuljahr. Sie reisen Ende August an und Mitte Juni wieder ab. Es sind aber auch Aufenthalte von dreieinhalb Monaten sowie einem halben Schuljahr möglich.Das Gespräch führte Maria Fricke.

Kontakt: 034328 42768