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Begeistert von historischen Motorsägen

Das Unternehmen AKCO produzierte bis 1959. Jürgen Tramm lernte dort aus. Schicksal und Know-how des Betriebs beschäftigen ihn bis heute.

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© Norbert Millauer

Von Ulrike Keller

Coswig. Dieser Anblick erstaunt Jürgen Tramm. „Zu meiner Zeit wurden die gebaut“, sagt der 76-Jährige und schaut auf die Auswahl historischer Motorsägen, die ihm zu Füßen liegt. Es sind Fabrikate der Coswiger Firma AKCO. Begehrte Sammlerstücke, die der Niederauer Motorsägen-Fachmann Matthias Klotz zusammengetragen hat. Insgesamt sieben verschiedene Modelle wurden seines Wissens in vier Jahrzehnten bei AKCO auf der Naundorfer Straße 75 gebaut. „Damals Hightech-Geräte“, unterstreicht Matthias Klotz. Bei fünf Typen war Jürgen Tramm seinerzeit in die Produktion einbezogen. Als einer der beiden letzten Lehrlinge des Unternehmens. Denn die Betriebsgeschichte bricht 1959 ab.

Schon in den 30er-Jahren war das Kötitzer Unternehmen AKCO auf großen Gewerbeausstellungen vertreten, wie zum Beispiel in Prag
Schon in den 30er-Jahren war das Kötitzer Unternehmen AKCO auf großen Gewerbeausstellungen vertreten, wie zum Beispiel in Prag © privat

„Die Fabrik wurde kaputt gemacht“, sagt Jürgen Tramm. Wie er damals mitbekam, hatte der Staat quasi über Nacht hohe Steuern festgesetzt, die horrende Nachzahlungen notwendig machten. Wer das Geld nicht auf der hohen Kante hatte, konnte wegen Steuerhinterziehung sogar zu einer Haftstrafe verurteilt werden. Dahinter stand das Ziel, möglichst viele private Unternehmen zu verstaatlichen.

„Das Bewerbungsgespräch für meine Ausbildung hatte ich noch beim Chef, Herrn Kühn“, erinnert sich Jürgen Tramm. „Und als ich am 1. September 1955 zum ersten Tag meiner Lehre kam, gab es Herrn Kühn nicht mehr.“ Sein Arbeitszeugnis von der Ausbildung zum Maschinenbauer trägt schließlich den Stempel vom Konkursverwalter.

Welcher Herr Kühn ihm damals den Lehrvertrag gab, kann Jürgen Tramm nicht mit Sicherheit sagen. Einem Firmenbriefkopf von 1945 zufolge waren die Gebrüder Arno und Arthur gemeinsame Inhaber des Betriebes, nachdem ihr Vater Albert gestorben war. Doch Arthur Kühn soll in den 50er-Jahren die DDR verlassen haben. Es gibt die Vermutung, dass seine Ausreise mit den Steuerschulden zusammenhing. Arno Kühn soll die Haftstrafe abgesessen haben. Davon hat sowohl Jürgen Tramm gehört als auch Ebba Schmidt. Die 78-Jährige ist die Tochter von Arno Kühn. Allerdings hatte sie immer wenig Kontakt zu ihrem Vater. Denn nach der Scheidung ihrer Eltern Ende der 40er-Jahre wuchs sie in Coswig bei ihrer Mutter auf.

Nach dem tödlichen Unfall ihres Vaters 1973 begann sie, sich etwas näher mit der AKCO-Geschichte zu befassen. Ihr kleiner Fundus enthält ein Foto aus dem Jahr 1908. Es zeigt die Familie Albert Kühn in einer Werkstatt. Darauf der Stempel: Albert Kühn, Tischlerei für Geschäftseinrichtungen mit elektrischem Betrieb, Berlin. 1907 war die Fabrik gegründet worden. In den 20er-Jahren betrieb der Unternehmer dann ein Sägewerk in Coswig und konzentrierte sich zunehmend auf die Produktion von Motorsägen. Womit er bereits in den 30ern gut im Geschäft war. Darauf deuten Fotos von Gewerbeausstellungen hin wie aus dem Jahr 1932 in Leipzig und 1936 in Prag. Auf beiden wirbt das Unternehmen mit der Botschaft „Umwälzende Neuerung in Leistung, Lebensdauer und Billigkeit“. Dass die Coswiger Fabrik einen Namen hatte, legt auch eine historische Aufnahme von einer Motorsägen-Vorführung im Moritzburger Wald nahe. In der ersten Reihe schaut der Wettiner Ernst Heinrich von Sachsen zu.

„Schon 1927/28 brachte AKCO kleine und kompakte Sägen heraus, die wirklich modern waren“, weiß der Niederauer Sammler Matthias Klotz. „Sie wurden viel in kleineren Sägewerken genutzt, um Stämme und Bretter auf Länge zu bringen.“ Nach seinen Recherchen hielt sich der Coswiger Betrieb nach dem Zweiten Weltkrieg als der einzige Motorsägenhersteller in Sachsen. „Er war deutschlandweit bekannt“, ordnet Matthias Klotz ein. „Man darf nicht vergessen, dass die Kettensäge zu dieser Zeit eine große Innovation war. Bis in die 40er-Jahre nutzten Waldarbeiter gängigerweise die Axt.“ So erklärt sich für ihn auch der recht stolze Preis von 500 Reichsmark für eine AKCO-Elektro-Ablängkettensäge im Jahr 1945.

„Dass Privatpersonen die Sägen kauften, war damals absolut unüblich“, erläutert auch Jürgen Tramm. Die Geräte gingen an Gewerbekunden, ganz überwiegend an Sägewerke. In seiner Lehrzeit wurden die verschiedenen Modelle abwechselnd in Kleinserien von etwa zehn Maschinen im Monat gebaut. „Es war alles Handarbeit“, betont der Coswiger. Das Unternehmen kaufte kaum Teile hinzu. Fast alles wurde in Kötitz gefertigt. „Dieses Stück Geschichte miterlebt zu haben, macht mich schon ein bisschen stolz.“