Von Dirk Schulze
Sebnitz. Der große Restaurantsaal im Hotel Sebnitzer Hof wird voller und voller. An der langen Tafel in der Mitte sind längst alle Stühle besetzt. Eilig decken die Hotelmitarbeiter noch einen Tisch ein, und noch einen, damit alle Gäste einen Platz finden. Hoteldirektorin Margaux Steiger, die am Eingang steht und alle persönlich begrüßt, ist ziemlich überrumpelt von dem Andrang und vor allem vom großen Interesse. Neben ihr bringt sich ein Kameramann des MDR Sachsenspiegel in Stellung, kurz zuvor hat jemand vom Radio angerufen. Die Medienleute sind durch eine Pressemitteilung der Caritas auf die Veranstaltung aufmerksam geworden. Der stellvertretende Geschäftsführer des Caritasverbands Dresden ist aus der sächsischen Landeshauptstadt nach Sebnitz gekommen.
Am Ende ist der Saal mit gut 70 Menschen gefüllt. Männer, Frauen und Kinder aus den verschiedensten Ländern. Größtenteils sind es Flüchtlinge, aber auch eine ganze Reihe von Sebnitzern ist darunter. Solche, die ehrenamtlich Sprachkurse für Asylbewerber anbieten oder anderweitig helfen, Mitglieder der Kirchgemeinde, Hotelmitarbeiter sowie Einwohner, die einfach Interesse an den neuen Nachbarn in Sebnitz haben.
Der Sebnitzer Hof hat sie alle zu einem Begegnungstreffen eingeladen. Es gibt hausgebackenen Kuchen, Stollen, Kaffee und Saft für die Kinder. In kleinerem Rahmen gab es solche Begegnungstreffen für Flüchtlinge bereits im DRK-Mehrgenerationenhaus. Dass an diesem Nachmittag das Hotel eingeladen hat, hat aber noch einen anderen Grund. Die Mitarbeiter des Sebnitzer Hofs und des Apparthotels in Bad Schandau – beide im Besitz der Familie Steiger – haben zwei Monate lang ihre Trinkgelder gesammelt und spenden diese nun für die Flüchtlingshilfe.
„Das ist eine riesengroße Geste“
Chefin Margaux Steiger hat ihre Leute vorher befragt. Nur wenn die Mehrheit dafür ist, sollte die Aktion starten. Das war der Fall. Damit auch die Gäste wissen, worum es geht, wurden an den Rezeptionen beider Hotels Sammelboxen aufgestellt mit einem Hinweis, der das Vorhaben erklärt. Insgesamt kam dadurch mehr Trinkgeld zusammen als sonst. Einige Besucher wollten deswegen nichts geben, auch zwei, drei böse E-Mails hat Margaux Steiger bekommen. Doch damit kann sie leben. Beim überwiegenden Teil der Hotelgäste kam die Idee sehr gut an, sie spendierten sogar mehr als gewöhnlich.
Die Hotelmitarbeiter beteiligten sich alle an der Aktion. Auf freiwilliger Basis stellten sie zwischen 50 und 100 Prozent ihrer Trinkgelder der beiden Monate September und Oktober zur Verfügung. Genau 945 Euro kamen so zusammen. „Das ist eine riesengroße Geste“, sagte Hoteldirektorin Margaux Steiger in Richtung ihrer Mitarbeiter. Gerade weil in der Gastrobranche das Trinkgeld ein wichtiger Einkommensbestandteil ist.
Wie angekündigt rundete die Hotelleitung die Summe auf. So konnten nun insgesamt 2 000 Euro überreicht werden. Das Geld wurden während des Begegnungstreffens am Mittwochnachmittag mit einem symbolischen Scheck an die Empfänger übergeben. 1 500 Euro gehen an die Caritas, die sich im Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge um die Betreuung von Flüchtlingen kümmert, die übrigen 500 Euro bekommt die Stadt Sebnitz für die Flüchtlingshilfe in der Kommune.
Schulmaterial und Klassenfahrt finanzieren
Caritas Vize-Chef Stephan Falley kündigte an, das gespendete Geld für die Hilfe in konkreten Einzelfällen zu verwenden, die über reguläre Budgets nicht abgedeckt wird. Es könnten beispielsweise Schulmaterialien für Flüchtlingskinder davon finanziert werden oder eine Unterstützung für Klassenfahrten. Elf Mitarbeiter des Wohlfahrtsverbands sind im Landkreis zur Betreuung von Flüchtlingen unterwegs.
Hotelchefin Margaux Steiger sieht es in ihrer Position als eine besondere Verpflichtung an, Willkommenskultur und Gastfreundschaft nach außen zu tragen. In der Hotellerie seien das essenzielle Werte. Bei der Spendenaktion für die Flüchtlingshilfe sollten aber ganz bewusst keine politischen Diskussionen im Vordergrund stehen. „Es sind einfach Menschen“, sagt sie. „Und wir wollen friedlich miteinander leben.“ Die meisten Asylbewerber hätten in ihrer Heimat alles zurückgelassen, da sei es eine Pflicht zu helfen.
Im voll besetzten Restaurantsaal des Sebnitzer Hotels haben mittlerweile einige Mitglieder der evangelischen Kirchgemeinde das Wort übernommen. Sie singen „Alle Jahre wieder kommt das Christuskind“ und andere christliche Weihnachtslieder. Muslimische Frauen mit Kopftüchern und ihre Männer hören zu. Zum Schluss versuchen sich alle gemeinsam an „Dona nobis pacem“ – übersetzt: Gib uns Frieden.