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Bayerische Miniaturen

Die Zukunft von Staatskanzleichefin Haderthauer steht auf der Kippe. Gegen sie wird wegen Betrugsverdachts ermittelt.

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© dpa

Die parlamentarische Sommerpause hat sich Horst Seehofer sicher anders vorgestellt. Gegen seine Staatskanzleichefin Christine Haderthauer (beide CSU) stehen Ermittlungen an – mit ungewissem Ausgang. Der bayerische Ministerpräsident sah sich zweimal in Wochenfrist genötigt, sich demonstrativ hinter eines seiner wichtigsten Kabinettsmitglieder zu stellen. Und immer wieder kommen Informationen ans Licht, die die Verdachtsmomente gegen die 51-Jährige nicht gerade entkräften.

Erst gestern – fast gleichzeitig mit dem Beginn des offiziellen Ermittlungsverfahrens der Staatsanwaltschaft München – hatte Haderthauer Vorwürfe zurückgewiesen, auch nach 2003 maßgeblich in die Geschäfte ihres Ehemannes verwickelt gewesen zu sein. Sie habe wohl zunächst versehentlich noch 2008 von ihrem Konto eine Rechnung für die Firma bezahlt, obwohl sie seit fünf Jahren als Gesellschafterin ausgeschieden gewesen sei, mühte sie sich, Medienberichte zu entkräften.

Die Staatskanzleichefin, immer mal wieder auch als mögliche Nachfolgerin Seehofers gehandelt, wird derzeit stückchenweise von ihrer Vergangenheit eingeholt. Mehr als zehn Jahre nach ihrem juristischen Ausstieg bei einer Modellbau-Firma wird jetzt von Staats wegen gegen sie ermittelt – wegen Betrugsverdachts und möglicher Steuerhinterziehung. Der frühere französische Miteigentümer der Firma Sapor Modelltechnik, Roger Ponton, fühlt sich vom Ehepaar Haderthauer übers Ohr gehauen, weil er nur 20.000 Euro Abfindung für seinen Firmenanteil erhalten habe. „Der Vorwurf ist nach meiner festen Überzeugung nicht haltbar“, sagte Haderthauer nach der letzten Krisensitzung mit ihrem Chef in der Staatskanzlei.

Zuvor stand nicht die Staatskanzleichefin selbst, sondern ihr Ehemann Hubert im Mittelpunkt der Modellauto-Turbulenzen. Der ist als Landgerichtsarzt in Ingolstadt Amtsträger. Die Firma Sapor Modelltechnik verkaufte Modellautos im Maßstab 1:8, die psychisch kranke Straftäter im Rahmen der Arbeitstherapie bauten. Ein besonders begabter Modellbauer war ein dreifacher Sexualmörder. Hubert Haderthauer ist somit mit dem unappetitlichen Vorwurf konfrontiert, privaten Profit aus seiner amtlichen Position gezogen zu haben – ganz abgesehen von der Frage, ob ein Landgerichtsarzt die Erzeugnisse eines Mörders überhaupt verkaufen sollte.

Nach Darstellung von Frau Haderthauer machte Sapor Modelltechnik in den 90er-Jahren lange Zeit Verluste. In späteren Jahren lag der durchschnittliche Jahresgewinn laut einer Auflistung des Steuerberaters der Haderthauers bei unter 8.000 Euro im Jahr. 2008 verkaufte Hubert Haderthauer seinen Anteil. Der frühere Miteigentümer Ponton soll seit 1996 nicht mehr erreichbar gewesen sein, bis er 2011 Entschädigung für seinen mitverkauften Anteil forderte. Beide Seiten einigten sich auf eine Abfindung von 20.000 Euro.

Doch die Modellautos erzielen inzwischen fünfstellige Preise auf dem Sammlermarkt. Als Ex-Geschäftspartner Ponton das erfuhr, kam ihm der Verdacht, dass die Haderthauers ihn mit einem lächerlichen Betrag abgespeist haben könnten. Und weil das auch bedeuten könnte, dass das Ehepaar Haderthauer die Gewinne der Firma zu niedrig angab, wird nun auch der Verdacht der Steuerhinterziehung überprüft.

Bayerns Staatskanzleichefin hat schon öfter gezeigt, dass sie kämpfen kann. Jetzt kämpft sie ums politische Überleben. Die Opposition fordert natürlich ihren Rücktritt. Die Grünen im Landtag dringen auf einen Untersuchungsausschuss. In der allein regierenden CSU gibt es schon Politiker, die zwar nicht Seehofers Festhalten an Haderthauer kritisieren, aber die Deutlichkeit seiner Wortwahl mindestens bemerkenswert finden. „Er hat seine Hand neben die von Christine Haderthauer ins Feuer gelegt“, sagt ein Abgeordneter nach Angaben der Nachrichtenagentur dpa. „Und er weiß um das Risiko, dass er sich verbrennen kann.“ Denn wenn das Ganze für Haderthauer schlecht ausgehe, sei auch Seehofer beschädigt. Ein anderer CSU-Politiker spricht sogar von einem Fehler des Ministerpräsidenten. Bei der Verwandtenaffäre habe Seehofer einst sehr hart durchgegriffen – jetzt tue er dies nicht. Damals waren bayerische Politiker dafür kritisiert worden, dass sie Angehörige angestellt und mit Steuergeld entlohnt hatten.

Nun erklärte die Staatskanzlei, die Vorhaltungen beträfen nicht die Amtsführung Haderthauers. Deshalb sei der Vertrauenserklärung des Ministerpräsidenten nichts hinzuzufügen. Warum sich Seehofer derart klar hinter Haderthauer stellt, hat nach Einschätzung aus der Fraktion zwei Hauptgründe: dass er in ihr eine Stütze der Regierung sieht und von ihrer Unschuld überzeugt ist. „Das ist ein echter, persönlicher Vertrauensbeweis“, sagt ein CSU-Mann.

Tatsächlich – da ist sich die CSU quasi einig – hätte Seehofer seine Ministerin beim aktuellen Stand der Dinge nicht fallenlassen können. Schließlich beginnt das Ermittlungsverfahren erst jetzt. Es gelte die Unschuldsvermutung, hieß es in der Mitteilung der Staatskanzlei. Und: „Allein die Aufnahme von staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen begründet keine Notwendigkeit, personelle Konsequenzen zu ziehen.“ (dpa/SZ/ph)