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Bautzens versteckte Baustelle

Die Talsperrenverwaltung bereitet am Stausee ein Pilotprojekt vor. Die meisten Arbeiten finden im Verborgenen statt.

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© Uwe Soeder

Von Marleen Hollenbach

Bautzen. Der Kranfahrer muss sich konzentrieren. Ein großes Bauteil hat er an der Angel. Langsam schwebt das Quadrat aus Metall durch die Luft. Keine fünf Meter weiter, am Ufer der Bautzener Talsperre, wartet bereits das Empfangskomitee. Die Männer mit blauen Helmen und orangefarbenen Warnwesten geben hastig Handzeichen, winken so lange, bis ein Bauteil nach dem anderen sicher gelandet ist.

Mike Härtelt von der Landestalsperrenverwaltung schaut sich die Szene mit ausreichend Sicherheitsabstand an. Um sich vor dem kalten Wind zu schützen, hat er sich in eine Winterjacke gehüllt. „Bis jetzt lief alles nach Plan“, fasst er den ersten Bautag zusammen. Doch Mike Härtelt weiß auch: Das Abladen der Bauteile war erst der Anfang. Ein Anfang, den er leicht mitverfolgen konnte. Er musste nur das Büro der Landestalsperrenverwaltung verlassen und ein paar Meter zum Ufer des Sees laufen. Doch alle Arbeiten, die jetzt noch kommen, finden im Verborgenen statt.

Während der Kranfahrer schon Pause machen kann, wird unter Wasser noch fleißig gebaut. Schon vor Minuten sind vier Männer abgetaucht. Unterhalb des alten Entnahmeturms bereiten sie alles vor, um später dort jene Bauteile zu befestigen, die derzeit wie Puzzleteile am Ufer liegen. Unter Wasser zusammengesetzt bilden sie einen Metallkasten, der zu einem Pilotprojekt gehört. Die neue Technik soll dafür sorgen, dass die Blaualgen im Bautzener Stausee verschwinden und die Wasserqualität steigt. Mike Härtelt erzählt von einem neuen Abfluss, der dann höher liegt als der alte und davon, dass die Talsperrenverwaltung im Sommer nicht mehr kaltes Tiefenwasser in Flüsse und Bäche weiterleiten muss, sondern das von der Sonne erwärmte Oberflächenwasser abgeben kann.

Gummianzug schützt vor Kälte

Die neue Konstruktion soll verhindern, dass sich nährstoffreiche Wasserzonen mit dem warmen Oberflächenwasser vermischen und so beste Bedingungen für die Blaualgen entstehen. Fast 800 000 Euro gibt die Talsperrenverwaltung dafür aus. Doch bis zur Fertigstellung ist es noch ein weiter Weg. Mike Härtelt hat schon gehört, dass die Taucher allein für die Vorbereitung unter Wasser viel Zeit benötigen. Will er wissen , mit welchen Arbeiten die Taucher gerade beschäftigt sind, dann kann er auf einen kleinen Bildschirm schauen. Per Videoübertragung sieht er, was sich unter Wasser abspielt. Zumindest theoretisch. Doch die Sicht ist momentan sehr schlecht. Die Taucher können nicht mehr als 50 Zentimeter weit gucken. Und weil sie mit der Kamera auch nur einen kleinen Ausschnitt erfassen, kann Härtelt nur erahnen, wie weit seine unsichtbaren Handwerker inzwischen vorangekommen sind.

Ingolf Böttcher weiß da besser Bescheid. Nass ist er nicht, obwohl er schon im Wasser war. Böttcher gehört zum Tauchunternehmen Leunert. Aus Bad Saarow sind er und seine Kollegen angereist. Nun bewohnen sie einen kleinen Wohncontainer am Ufer der Talsperre. Bevor sie ins Wasser gehen, packen sich die Taucher dick ein. Zum Schluss ziehen sie sich als oberste Schicht einen Gummianzug drüber. Der lässt kein Wasser durch. „Das ist der Grund, warum wir auch dann noch tauchen können, wenn draußen schon Minusgrade sind“, erklärt Böttcher. Drei bis vier Tauchgänge planen sie pro Tag. Das heißt, sie arbeiten mehrere Stunden unter Wasser. Kein alltäglicher Job. Zumal sich die Sicht unter Wasser noch verschlechtern kann. „Oft reicht es uns, die Dinge zu erfühlen“, sagt der erfahrene Taucher, der bei jedem Wetter ins Wasser steigt. Nur wenn es gewittert, dann ist wirklich Schluss. Dann holt Ingolf Böttcher sein Team schnell aus dem Wasser.

Mit Pontons übers Wasser

Gewitter hat der Wetterdienst zwar nicht angesagt, dafür hängen dicke Regenwolken am Himmel, als Mike Härtelt Tage später wieder die Baustelle am Ufer des Bautzener Stausees besucht. Noch einmal beobachtet er, wie der Kran aufgebaut wird. Härtelt weiß genau, wie es weitergeht. Die Bauteile sollen erst dann übers Wasser hinüber zum Entnahmeturm transportiert werden, wenn die Taucher bereit dafür sind. Schon hängt eines an der Angel, schwebt zu einem Ponton, landet sicher.

Bauteil für Bauteil wollen die Mitarbeiter der Talsperrenverwaltung so zu ihrer Unter-Wasser-Baustelle und damit zu den Tauchern bringen. Das große Puzzlespiel, es kann beginnen.