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Bautzen reicht’s

Dutzende Fassaden sind mit politischen Parolen beschmiert. Die Hausbesitzer fühlen sich von der Stadt alleingelassen.

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© Robert Michalk

Gewissermaßen in einer Nacht- und Nebelaktion hatten Sabine Veit und Andreas Fieseler zur Farbe gegriffen und dem unteren Teil der Fassade des Bürgerhauses am Ende der Reichenstraße einen neuen Anstrich verpasst. An einem späten Nachmittag, bei Dunkelheit und starkem Frost. Eine Hauruckaktion, um eine aufgesprühte Hass-Parole verschwinden zu lassen – so, wie es die Stadtverwaltung gefordert hat. Dahinter steckt eine Geschichte, die zeigt, welchen Ärger derartige Schmierereien den Bautzenern mittlerweile bescherren.

Doch der Reihe nach. Anfang Januar erhielt Reiner Kittner einen Brief aus dem Bautzener Rathaus. Er wohnt im Main-Spessart-Kreis und ist Eigentümer des Gebäudes an der Reichenstraße, vis-à-vis zur Buttermarktschule und zum Reichenturm. Die Stadt forderte ihn auf, eine ans Haus geschmierte Parole zu entfernen. Dort hatten Unbekannte „Linken in die Fresse treten“ aufgesprüht. Ein politisch motivierter Aufruf zur Gewalt und damit eine Straftat wie die Verantwortlichen im Rathaus erkannten. Und auch, wenn Reiner Kittner die Parole nicht selbst angebracht hatte, musste er nun dafür sorgen, dass sie verschwindet.

Das Schreiben aus Bautzen hatte Reiner Kittner am 3. Januar erhalten – bis 18. Januar war ihm eine Frist zum Entfernen der Schmierereien gesetzt worden. Doch das sollte sich als weniger einfach erweisen, als gedacht. „Bei solchen Minusgraden greift sich doch jeder Maler an den Kopf“, erklärt Reiner Kittner. Doch die Stadtverwaltung beharrte auf die von ihr gesetzte Frist. „Ein Belassen bis in die wärmere Witterungsperiode“, so sagt Stadtsprecher André Wucht im Nachhinein, „war nicht vertretbar“,

Hauseigentümer Reiner Kittner konnte das Problem schließlich lösen. Sabine Veit und ihr Lebenspartner Andreas Fieseler leben beide zur Miete in dem in der Mitte des 18. Jahrhunderts errichteten Haus. „Wir haben ein Super-Verhältnis zu unserem Vermieter“, sagt Sabine Veit. Also boten sie sich an, die Hass-Parole an der Hauswand zu übertünchen. Und weil sie tagsüber beide arbeiten, blieb dafür nur der späte Nachmittag. Mit einem satten Mintgrün schritten sie zur Tat, überpinselten damit gleich alle Schmierereien an der Buttermarkt- und Rückseite des Gebäudes. Die Stadtverwaltung zeigte sich daraufhin zufrieden.

Das Meiste wird nicht angezeigt

Bei Reiner Kittner und seinen tatkräftigen Mietern hielt sich die Zufriedenheit indes weniger lang. „Nach acht Tagen war die Fassade wieder beschmiert“, ärgert sich der Eigentümer. Rechte verewigten sich erneut mit Slogans wie „Nazi Zone“ und Nazi Kiez“ – was vom politischen Gegner dann mit blauen Blumen umgestaltet wurde. „Das Geschmiere danach macht es auch nicht besser“, ärgert sich Sabine Veit generell über die politischen Graffiti in Bautzen. Und das dürfte wohl vielen so gehen.

Noch im Jahr 2015 hatte die Polizei in Bautzen sechs Schmierereien von Linken und zwölf von Rechten registriert. Für 2016 gibt es noch keine genauen Zahlen – aber allen voran bei den linken Schmierereien rechnet die Polizei mit einer Versechsfachung der Anzeigen, während sich die rechten Parolen etwa auf Vorjahresniveau bewegen. Die meisten Schmierereien werden offenbar aber gar nicht erst angezeigt.

Bei Graffiti mit strafbaren Inhalten – dazu zählen Volksverhetzung oder auch Hakenkreuze – sind Immobilienbesitzer tatsächlich per Gesetz angehalten, sie zu entfernen. Die Stadt verweist auf fünf bis zehn entsprechende Fälle im Jahr. Notfalls erinnert das Ordnungsamt daran – so wie jetzt im Fall von Reiner Kittner. Das kann so weit führen, dass die Stadt sogar die Beseitigung veranlasst und die Kosten in Rechnung stellt. Auch das sei bereits vorgekommen.

Ein Aktionstag für die Stadt

Betroffene wie Reiner Kittner fühlen sich indes alleingelassen – und fordern Unterstützung durch die Stadt. Er plädiert für Videokameras. Die Stadt verweist aber auf die rechtlichen Schwierigkeiten einer Überwachung. Und: „Für gewöhnlich treffen die Schmierer Vorkehrungen, um nicht erkannt zu werden“, sagt André Wucht.

Von Kameras hält auch der FDP-Stadtrat Mike Hauschild – dessen Wohn- und Geschäftshaus an der Seminarstraße regelmäßig vollgeschmiert wird – nicht viel. Er hatte vorgeschlagen, dass die Stadt Betroffene beim Farbkauf unterstützt. Und der Politiker hat noch eine weitere Idee: Einen Aktionstag, an dem Eigentümer, Freiwillige, aber auch Mitarbeiter der Stadt die Fassaden malern. Ein Vorschlag, für den er jetzt im Stadtrat und bei Immobilieneigentümern werben will. „Das fördert die Wachsamkeit der Bautzener. Und vielleicht denken auch die Schmierfinken mal nach“, sagt Mike Hauschild.