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Bautzen kürt die Superkruste

57 Brote und Brötchen schickten die Bäcker jetzt zur Qualitätskontrolle. Das Ergebnis dürfte die Kunden freuen.

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© Uwe Soeder

Miriam Schönbach

Bautzen. Manchmal muss man auch schweigen. Andächtig hält Michael Isensee den Brotlaib unter seine Nase. Er schließt die Augen und atmet tief ein. Dann legt er die Nr. 23 zurück auf das Holzbrett. Aus einer bereits abgeschnittenen Scheibe pult er die wunderbar saftige Krume. „Das liegt an der gut vorgequollenen Leinsaat. Das ist ein wunderbares Brot“, sagt der Brottester. Mit 100 Punkten bekommt der Kandidat aus der Bäckerei Kunath in Frankenthal das Prädikat „Sehr gut“. Besser geht es nicht.

Nicht nur der äußere Eindruck zählt. Der Schnitt durch die Mitte zeigt, ob das Brot tatsächlich gut gebacken ist.
Nicht nur der äußere Eindruck zählt. Der Schnitt durch die Mitte zeigt, ob das Brot tatsächlich gut gebacken ist. © Uwe Soeder
Aussehen, Aroma, Krumenbild, Geschmack – viele Kriterien fließen in die Wertung ein. Für jede Kategorie erhält das Brot Punkte.
Aussehen, Aroma, Krumenbild, Geschmack – viele Kriterien fließen in die Wertung ein. Für jede Kategorie erhält das Brot Punkte. © Uwe Soeder

57 Proben – 42 Brote und 15 Brötchen – verkostet der Spezialist des Instituts für die Qualitätssicherung von Backwaren (IQ Back) an diesem Morgen im Auftrag der Bautzener Bäckerinnung. 24 Betriebe haben ihre Produkte in den Wettbewerb „Bautzen sucht die Superkruste“ geschickt. Auf den knackigen Mantel kommt es dabei besonders an. „Das ist die Schutzschicht für das Brot. Am liebsten mag ich sie beim Roggenmischbrot drei bis vier Millimeter dick“, sagt Michael Isensee und greift schon nach dem nächsten krossen Prüfling in gleichmäßiger Bräunung.

Die halbe Miete

Dieses Brot wetteifert mit besonderen inneren Werten. Kürbiskerne und Apfelmus stecken unter seiner Knusprigkeit. „Der Boden ist schön sauber. Das ist schon mal die halbe Miete, da darüber die meiste Hitze kommt. Im Schnitt ist es glänzend. Da hat der Bäcker schön Dampf heraufgegeben“, sagt der Sachverständige und riecht wieder am Laib. Insgesamt testet er sechs Kriterien. Form und Aussehen beurteilt er zuerst, danach begutachtet der gelernte Bäcker Oberfläche und Kruste. Nach dem Anschnitt geht es um das Innere des Brots: Lockerung und Krume sowie Struktur und Elastizität. Seit 20 Jahren ist der Bäckermeister im Zeichen des guten Geschmacks unterwegs. Nach Bautzen kommt er einmal im Jahr zum Brottest und in der Vorweihnachtszeit zum Stollentest. Wegen seines Wissens wird der Fachmann auch „Deutschlands Brotpapst“ genannt.

Einmal durch die Mitte

Das Roggenbrot mit der Nr. 30 landet jetzt auf dem Holzbrett. Bäckermeister Norbert Bresan schneidet es an. Der Sollschwitzer weiß, dass dieses Exemplar aus seinem eigenen Ofen stammt. Der Brottester dagegen verkostet die Probe anonym. „Bitte einmal durch die Mitte schneiden, dort sehen wir am besten, ob das Brot gut gebacken ist“, sagt er. Mehr als 20 000 Brote und andere Backwaren testen er und seine Kollegen vom Institut IQ Back jährlich in Deutschland. Jede dritte Bäckerei zwischen Ostsee und Bodensee stellt sich der freiwilligen Qualitätsprüfung.

Norbert Bresan schweigt, während Michael Isensee seinen Brot-Kandidaten besonnen befühlt, auseinanderbricht und letztlich in den Mund steckt. Gespannt wartet das Vorstandsmitglied der Bäckerinnung auf das Urteil. Seit fast 40 Jahren steht er in der Backstube. Sein Vater holte dort nach dem Krieg das erste Brot aus dem Ofen, der Großvater hatte die Mühle und die Menschen Hunger. Inzwischen bäckt schon die nächste Generation.

Der Brotprüfer bricht das genüssliche Schweigen. „Top-Brot“, sagt er kurz und gibt die Bewertung in den Computer ein. Fällt die Beurteilung weniger gut aus, hält er dort ebenso die Kritikpunkte fest. Wenn sich zum Beispiel die Krume im Mund zu einem Klumpen ballt, rät Michael Isensee zum längeren Backen. Andere Kollegen müssen dagegen ihre Backwaren etwas eher aus der Hitze nehmen oder mehr Wasser zum Teig geben, damit der nicht so stramm ist. Das Brot bekommt dadurch ein bisschen mehr Feuchtigkeit. „Wegen dieser wertvollen Tipps machen wir die freiwillige Qualitätskontrolle. Schließlich ist unser Brot Handarbeit und kommt nicht aus der Maschine“, sagt Lutz Neumann. Der Bautzener ist Obermeister der Bäckerinnung. Von Jahr zu Jahr steigen die Zahlen der beteiligten Bäckereien beim Brottest.

Kleines Kraftpaket

Jetzt geht es ins Finale. Zwei Proben warten noch auf die Bewertung. Nr. 41 kommt aus der Bäckerei Kupke in Wittichenau. Volle Punktzahl gibt es für den äußeren Eindruck. Doch mit dem Anschnitt kommt für Bäckermeister Matthias Kupke die Enttäuschung. Durch das Brot zieht sich eine große Luftblase. „Solange der Geschmack stimmt, gibt das aber nur einen kleinen Punktabzug. Das ist eben Handwerk und vorher reingucken können wir ja auch nicht“, sagt Michael Isensee. Der Wittichenauer Bäcker fährt mit dem Prädikat „Gut“ nach Hause. „Nächstes Jahr kommen wir wieder“, sagt er selbstbewusst.

Zu guter Letzt landet ein Chia-Brot auf dem Holzbrett. Seit einigen Monaten erobern die gesunden Samen die Backstuben der Region. Die kleinen Kraftpakete können das Sechsfache ihres Gewichts an Wasser aufnehmen und machen so das Brot saftig. Michael Isensee steckt sich ein Stück Brot in den Mund. „Die Saat knackt. Das ist ein tolles Mundgefühl. Ich hoffe, dass diese Sorte keine Mode für ein Jahr bleibt“, sagt er und verteilt zum letzten Mal die volle Punktzahl. Das Gesamtergebnis der Brotprüfung dürfte Obermeister Lutz Neumann genauso wie die Kunden freuen. 95 Prozent der Bäcker haben ein „Sehr gut“ oder „Gut“ für ihre Brote bekommen. „Da muss ich in meinem Test-Gebiet lange nach ähnlichen Ergebnissen schauen“, sagt Michael Isensee. Im nächsten Jahr wird er wieder Bautzens Superkruste suchen.

Alle Ergebnisse der öffentlichen Brotprüfungen werden online veröffentlicht: www.brot-test.de