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Baustellen müssen noch bleiben

Die Enso ist deutlich in Verzug. Ein normaler Winterbeginn ist da schon der Ernstfall.

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© Anne Hübschmann

Von Birgit Ulbricht

Großenhain. Wir wollen auch keine Baustellen, die einfrieren“, sagt der Regionalbereichsleiter der Enso, Tilo Kadner betrübt. Allerdings sieht es derzeit ganz danach aus, dass genau das in Großenhain passiert. Johannes-R.-Becher-Straße, Radeburger Straße, Klein- und Großraschütz, Siegelgasse, Lindengasse, Kupferberg und Schillerstraße – über alle klaffen mehr oder weniger große Baugruben, Pflastersteine sind am Rand aufgestapelt, Bänder und Zäune sperren die Baustellen ab. Gestern hat es zum ersten Mal in diesem Jahr zart geschneit.

Nur, keine Baustelle ist fertig. Ursprünglich, so Tilo Kadner, sollten die Baustellen allesamt bis Ende Oktober abgeschlossen sein. Und „abgeschlossen“ heißt für den Regionalversorger, eine sauber geschlossene Fahrbahn oder einen Gehweg zu hinterlassen. Kein Notbelag und keine späteren Ausbesserungen, weil sich die Abdeckung über den Winter absenkt. Doch das wird das Problem werden – Baustellen-Beauftragter des Rathauses hin oder her.

Mehr Bauarbeiter sollen raus

Vor allem an drei Stellen sieht es düster aus: Radeburger Straße, Siegelgasse und Lindengasse. Am Radeburger Platz, weil die Baustelle hier besonders lang ist und sich die Arbeiten einfach verzögert haben. Nun plane man noch zwei Wochen in den November hinein, sagt Tilo Kadner. „Da haben die Asphaltwerke schon noch offen und wir hoffen, dass der Frost ausbleibt.

In der Siegel- und Lindengasse will die Enso nun sogar bis Ende November bauen. Angesichts der aktuellen Wetterprognosen keine gute Idee. Mehr Bauarbeiter und längere Arbeitszeiten sollen helfen, wenigstens diesen Termin zu halten. Denn Grund für die Verzögerungen sind die Absprachen mit der Wasserversorgung Riesa-Großenhain, so Kadner, denn in der Siegelgasse wie auch in der Lindengasse wird gleich alles neu gemacht: Strom-, Wasser- und Gasleitungen.

Zu guter Letzt hat sich so ein Bauverzug von über einem Monat summiert. Auch die Baustelle an der Carl-Maria-von-Weber-Allee hat länger gedauert. Und mithin begannen weitere Abschnitte auch verspätet. Grund war hier ein Baustopp, den die Denkmalschutzbehörde verhängte. An drei Stellen hatten Bauarbeiter beim Graben für das neue Glasfaserkabel Reste des historischen Großenhains gefunden. Der interessanteste Fund befand sich laut dem Landesarchäologen Dr. Michael Strobel an der Weber-Allee/Ecke Lessingplatz.

Der gefundene Übergang führte einst auf eine Bastion der Zwingermauer

Dort wurden aber keine Stadtmauerreste gefunden, sondern ein Übergang über den Stadtgraben. Er stammt aus der Zeit um 1633, wie die Archäologen anhand der vorliegenden Stadtkarten feststellen konnten. Von diesen Übergängen gab es mehrere, sie waren etwa einen Meter breit und aus Eichenbohlen gegründet. Darüber war Steinpflaster ausgelegt und an beiden Seiten jeweils ein kleines Mäuerchen als Begrenzung gesetzt. Diese Übergänge sind zwar zum größten Teil erhalten, aber über Jahrhunderte schon zugeschüttet gewesen.

Der gefundene Übergang ist bereits in besagtem Stadtplan von 1633 eingezeichnet und führte einst auf eine Bastion der Zwingermauer. Ein zweiter Übergang ist weiter im Norden in Richtung des Naundorfer Tores in der Stadtkarte verzeichnet. Diese Übergänge führten lediglich über schlammigen Untergrund, der sich immer mehr verfestigte – nichts deutet auf eine Brückenkonstruktion hin. Wahrscheinlich kam man tatsächlich so bei jedem Wetter trockenen Fußes über den Boden.

Dass die Archäologen herausgefunden haben, wie unsere Altvorderen mit dem Wetter umgingen, könnte nun allerdings die Baufirmen ganz handfest in die Situation bringen, ihrerseits zu überlegen, was wird, wenn es im November kalendergerecht schneit und stürmt.