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Bauern verkaufen Kühe

Der Milchpreis ist weiter gefallen. Landwirte beginnen, ihre Viehbestände zu verkleinern. Das kann nicht die Lösung sein.

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© C. Hübschmann

Von Steffen Gerhardt

Von einer Schmerzgrenze reden die Milchbauern nicht mehr. Inzwischen geht es an ihre Existenz. Denn der Milchpreis ist weiter im Sinkflug. Joachim Häntsch als Vorsitzender des Oberlausitzer Bauernverbandes spricht von 25 Cent, die die Bauern für den Liter Milch bereits erhalten haben. Die Molkerei in Leppersdorf zahlt diesen Monat 26 Cent. Der Vorsitzende der Agrargenossenschaft Berthelsdorf hat inzwischen reagiert. „Wir haben unseren Bestand an Milchkühen um zehn Prozent gesenkt“, berichtet Joachim Häntsch. Bisher standen 840 Kühe in den Ställen.

„Weniger Tiere hilft Futterkosten zu sparen“, sagt Häntsch. Aber das kann nur eine Notlösung sein, denn dem Landwirt fehlt dadurch die Milch zum Verkauf, was die Einnahmen weiter reduziert. Auch für die Miku Agrarprodukte GmbH bleibt es beim Rechnen mit spitzem Bleistift, um über die Runden zu kommen. „Unsere Bestände haben wir noch nicht reduziert, aber der Kostendruck ist enorm“, sagt Geschäftsführer Hagen Hartmann. Rund 1 000 Milchkühe und 2 000 Rinder zählt der Tierbestand. Der in Oberseifersdorf ansässige Agrarbetrieb spart wo er kann. „Wir müssen die Zeit überbrücken und darauf hoffen, dass der Milchpreis bald wieder nach oben geht.“

Ob und wann das passiert, kann keiner voraussagen. Denn von der Preiskrise sind alle 80 000 deutschen Milchbauern betroffen. Sie nehmen zwar die Politik in die Pflicht, aber die erwartete Hilfe bleibt aus. Selbst der Krisengipfel der Agrarminister von Bund und Ländern Anfang Oktober in Fulda brachte keine Lösung des Problems. Auf das erwartete Konzept mit schnellen Hilfen müssen die Bauern weiter warten. Ein Runder Tisch soll eingerichtet werden, „um über tragfähige Lösungsansätze zu beraten“, so Hessens Agrarministerin Priska Hinz (Grüne) als Vorsitzende der Agrarministerkonferenz. Eine flexible Angebotsregulierung und ein Frühwarnsystem für Turbulenzen am Milchmarkt klingen zwar toll, aber bisher stehen sie nur auf dem Papier. Der Weltmarkt ist mit Milch regelrecht überschwemmt, das drückt den Preis. Hinzu kommt, dass das Wachstumsland China doch nicht so viele Milchprodukte importiert, wie noch vor einiger Zeit erwartet. Auch die gestiegenen Discounter-Preise für Milch (plus vier Cent) und Butter (plus zehn Cent) reichen nach Ansicht der Bauernverbände nicht aus. „Das Geld kommt nicht beim Erzeuger an“, stellt Hagen Hartmann fest. Und wenn, dann wäre das nur ein Bruchteil der Summe. Für den Bauern wäre das nicht einmal ein halber Cent je Liter Milch, hat der Brandenburgische Bauernverband ausgerechnet. Nach seinen Angaben braucht ein Milchbauer aber etwa 32 bis 33 Cent, um kostendeckend zu arbeiten. Molkereien zahlen rund sieben Cent weniger. Und darauf haben die Milchbauern keinen Einfluss. Die Kemnitzer Landwirtin Katrin Gutsche sagt: „Wir müssen uns jeden Monat neu überraschen lassen, für wie viel Cent wir den Liter Milch an die Molkerei verkaufen dürfen.“ Mit Hagen Stark führt sie einen Agrarbetrieb.

Gestrichene Investitionen

Seit 1995 sind sie Milcherzeuger, gegenwärtig stehen rund 450 Kühe in den Ställen. Das soll auch so bleiben. „Bis eine Kuh Milch gibt, dauert es zwei Jahre. Reduzieren wir unseren Bestand und der Milchpreis steigt wieder, dann fehlt uns diese Zeit“, argumentiert die Landwirtin. Einsparen könne man nur beim Futter, indem mehr selbst erzeugt wird. Aber auch das hat seine wirtschaftlichen Grenzen. Hinzu kommt der Mindestlohn für die Angestellten, der erwirtschaftet werden muss. „Aber wann bekommen die Kühe für ihre Milch den Mindestlohn?“, fragt Katrin Gutsche. Die Milch ihrer Kühe kauft die Molkerei Leppersdorf zu einem Preis, der sich schon längst nicht mehr rechnet.

Vorbei sind die Zeiten, wo die sächsischen Milcherzeuger über 40 Cent für den Liter Frischmilch mit vier Prozent Fettanteil erhielten. Das war in den Jahren 2007 und Ende 2013. Aber es gab bereits noch schlechtere Zeiten. Die Statistik des Landesamtes für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie verweist auf 23,75 Cent, die 2009 gezahlt wurden. An so einen Preis möchte Udo Kretschmer erst gar nicht denken. Denn bereits jetzt muss der Geschäftsführer Milchland Schönau GbR den Gürtel für den Betrieb enger schnallen. „Wir haben erst einmal alle Investitionen gestrichen, um über die Runden zu kommen und unseren Bestand zu halten“, erklärt der Landwirt. Seit 1990 zählt der der Agrarbetrieb rund 1 000 Milchkühe zu seinem Bestand. Dabei hat der Geschäftsführer nicht nur seine Kühe im Blick: Weniger Tiere bedeutet auch weniger Mitarbeiter. Das wollen die Schönauer Milchproduzenten möglichst vermeiden. Somit bedroht die Milchkrise nicht nur die Viehbestände, sondern auch ihre Mitarbeiter. (mit dpa)