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Bauarbeiter kappen Fernsehkabel

Drei Tage konnten Anwohner der Weber-Allee nicht fernsehen und telefonieren. Eines stört aber eine Mieterin noch mehr.

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© Klaus-Dieter Brühl

Von Jörg Richter

Großenhain. Seit Montagnachmittag ist die Carl-Maria-von-Weber-Allee frei. Der Verkehr auf der B 101-Ortsdurchfahrt rollt endlich wieder in beide Richtungen. Nach monatelangen Bauarbeiten ist die Straße fertig. Alle sind glücklich. – Alle? Nicht ganz. Denn es gibt Ärger von ein paar Anwohnern. Um genau zu sein, von den Bewohnern der Weber-Allee 6.

Fünf Familien mussten das komplette Wochenende ohne Fernsehen und Telefon auskommen. Bauarbeiter hatten am vergangenen Freitag ein Kabel der Primacom beschädigt und es nicht mehr rechtzeitig bis zum Feierabend repariert. „Um 14.30 Uhr waren alle von der Baustelle verschwunden und haben alles stehen und liegen gelassen“, schimpft Hausbewohnerin Hannelore Heslich-Möckel. Die Belastung für die Anwohner der Weber-Allee sei durch die Baustelle eh schon groß genug. „Da freut man sich auf ein ruhiges Wochenende, wo man auch mal in Ruhe fernsehen kann“, sagt sie. „Und dann das!“

Das Kabel des privaten Kabelnetzbetreibers Primacom sei nicht nur für den Fernsehempfang wichtig, sondern auch fürs Telefonieren. „Wir konnten das ganze Wochenende kein Festnetz benutzen und mussten mit dem Handy telefonieren. Wer bezahlt uns denn das?“, fragt Hannelore Heslich-Möckel zu Recht. Sie habe alle Telefonate aufgeschrieben und will die Rechnung an die Stadtverwaltung weiterreichen. Denn die Große Kreisstadt Großenhain sei schließlich der Bauherr.

Die Stadt lässt im Zuge der Straßenbaumaßnahme auch die Gehwege auf der Schlossseite erneuern. Diese sollen um anderthalb Meter versetzt werden, um Bäume zu pflanzen. Die Stadt will die Allee nach historischem Vorbild neu gestalten. Dazu müssen mehrere Versorgungsleitungen wie Wasser, Telekom, Strom, die unter dem bisherigen Fußweg verliefen, neu verlegt werden, weil an dieser Stelle die Allee-Bäume gepflanzt werden sollen.

Der Ostsächsische Energieversorger Enso Netz hat in diesem Zuge Nieder- und Mittelspannungskabel neu verlegt. Auch am vergangenen Freitag, als es zu einer planmäßigen Stromunterbrechung kam. Sie sei rechtzeitig bekannt gegeben worden, sagt Birgit Freund, die stellvertretende Pressesprecherin der Enso Netz GmbH.

Wegen der geplanten Stromunterbrechung hat Hannelore Heslich-Möckel die Enso-Mitarbeiter unter Verdacht, das Primacom-Kabel beschädigt zu haben. Doch Birgit Freund dementiert: „Unsererseits ist keine Beschädigung bekannt. Für die anderen Medien (z. B. Telekom) kann ich leider keine Auskunft geben, das obliegt der Verantwortung der anderen Firmen.“

In der Stadtverwaltung ist der Vorfall allerdings bekannt. Dass ein Fernsehkabel in „Mitleidenschaft gezogen“ wurde, sei der Primacom mitgeteilt worden, heißt es aus dem Rathaus. Die Beschädigung sei zustande gekommen, weil im Leitungsauskunftsplan der Primacom dieses Kabel in seiner Lage nicht enthalten gewesen sei. Das Kabel sollte angeblich auf der anderen Straßenseite verlaufen. „Grundsätzlich nimmt die Stadt alle Hinweise und Beschwerden sehr ernst und kümmert sich um die Einleitung von Maßnahmen zur Behebung von Schäden“, so die Pressestelle.

Doch genau das bringt Hannelore Heslich-Möckel in Rage. Sie hatte sich in ihrer Not an eine Mitarbeiterin des Rathauses gewandt, erhielt aber zur Antwort: „Jetzt ist Wochenende.“ „So was kann doch nicht wahr sein!“, schimpft die Rentnerin. „Da bin ich am Telefon laut geworden.“

Die Stadtverwaltung bestätigt weder dieses Telefonat noch die Darstellung von Hannelore Heslich-Möckel vom eiligen Wochenendbeginn der Bauleute. Die ausführende Firma Weber-Bau habe die Arbeit am Freitag gegen 15.30 Uhr beendet und die Baustelle verlassen. – Aussage steht gegen Aussage. Aber die Verärgerung von Hannelore Heslich-Möckel scheint echt zu sein.