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Barock in Socken

Die Barocktanzfreunde üben für den Winterball auf Schloss Schönfeld. Wir haben sie beim Training besucht.

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© Anne Hübschmann

Von Susanne Plecher

Schönfeld. Richard hat es am Besten. Der Dreijährige thront auf einer Picknickdecke, knabbert an Keksen und schaut, was die Erwachsenen da so treiben. Die knicksen, drehen die Füße und schreiten in Trainingshosen und Socken erhaben durch den Raum. Richard kennt das. Jeden Samstag sitzt er hier und schaut zu.

Geübt wird in Turnsachen und Socken. Die schicken Roben sind den festlichen Anlässen vorbehalten. Davon gibt es viele, die Gruppe ist häufig unterwegs.
Geübt wird in Turnsachen und Socken. Die schicken Roben sind den festlichen Anlässen vorbehalten. Davon gibt es viele, die Gruppe ist häufig unterwegs. © Anne Hübschmann
Tanzlehrerin Margret Just tanzt exakte Bewegungen vor – der Nachwuchs schaut interessiert zu. Vielleicht wird aus Richard auch ein Tänzer?
Tanzlehrerin Margret Just tanzt exakte Bewegungen vor – der Nachwuchs schaut interessiert zu. Vielleicht wird aus Richard auch ein Tänzer? © Anne Hübschmann

Seine Eltern Doris und Sascha Tollert reisen mit ihm extra aus Bautzen an, um dabei zu sein, wenn sich Les amis de la danse baroque zum Training in der Kunsthofpassage in der Dresdner Neustadt treffen. Zwei Stunden Fahrt und eine nervige Parkplatzsuche nehmen sie auf sich, Woche für Woche.

Zum Glück ist Odin da. Richards Freund bekommt einen Schnuller in den Mund und ein Auto in seine anderthalbjährige Hand. Mama Madeleine Taraba streichelt ihm über den Kopf, streift sich die Ballettschuhe über und huscht in den Kreis der anderen. Dehnen, strecken, in die Beuge gehen, die Hände drehen und jeden Finger einzeln öffnen – kaum eine Körperpartie bleibt bei der Erwärmung ausgespart.

Erhabene Blicke

Die Barocktanzfreunde üben intensiv für den Winterball auf Schloss Schönfeld am 5. Dezember. Argusäugig wacht Margret Just über jeden Schritt. Stimmt die Drehung? Lässt sich die Haltung nicht noch etwas optimieren? Der Blick ist nicht erhaben genug! Margret

Just hat in Leipzig Tanz studiert. Sie trainiert die Gruppe um den Meißner Bernd Angermann seit Februar 2010. Ihrem geschulten Blick entgeht nichts. „Du musst theatralisch denken!“, ruft sie Ron Schmiedel, alias Graf Brühl, zu. Der Radebeuler und seine Mutter Renate, in Robe als Friederike von Heinecken, werden die Gastgeber in Schönfeld sein. 72 Gleichgesinnte aus der ganzen Republik erwarten sie am Samstag. Es wird flaniert, geschmaust, gespielt und getanzt.

Natürlich gehört den Gastgebern der Eröffnungstanz. Dieses Mal ist es eine Chaconne. „Die Schritte sind alle identisch mit dem, was aus dem Barock überliefert ist. Aber die Choreographien habe ich mir ausgedacht. Wir passen die Tänze unseren zeitgenössischen Sehgewohnheiten an. Alles andere wäre für die Zuschauer zu langwierig“, so Margret Just. In ihrer Chaconne dreht sich alles um den Grafen. Eitel wie ein Gockel stolziert er in der Mitte, flankiert von vier Damen, die sich in geziemenden Schritten und Drehungen um ihn herum bewegen. Margret Just überwacht die Symmetrie, damit sich die Fünferformation knicksend und nickend in strengen Diagonalen und exakten Reihen bewegt. Das strengt an. Doris Tollert entledigt sich ihres Tuches, auf der Stirn des Grafen bilden sich Schweißtröpfchen. „Der Tanz ist mein Fitnessprogramm“, sagt Bernd Angermann, Chef der Gruppe.

Tänzernachwuchs ist rar

Odin klaut Richard einen Matcher und wackelt mit Windelpopo wieder ab. Richard bleibt gelassen und schiebt sich ein Apfelstück in den Mund, Mama Doris immer im Blick. Die kleine Familie ist aus beruflichen Gründen von Schleswig-Holstein nach Sachsen gezogen. Bei einer Barockveranstaltung in Großsedlitz haben sie Les amis de la danse baroque kennengelernt. „Wir haben vorher in einer Volkstanzgruppe getanzt und wieder eine Gruppe gesucht. Wir wollten tanzen. Nur flanieren wäre uns zu langweilig“, sagt Doris Tollert.

Schüchtern hatte sie damals Margret Just angesprochen, ob sie noch Mittänzer suchen. „Ich dachte: Sie ist unter 40, hat Erfahrung und spricht mich freiwillig an – Volltreffer!“ Als dann auch noch die Nachfrage kam, ob sie ihren Mann mitbringen könnte, war Margret Justs Glück vollkommen. „Das war wie ein Sechser im Lotto“, sagt sie lachend. Tänzernachwuchs ist rar. Der Barocktanz ist für alle amis viel mehr als ein einfaches Hobby. Er ist Passion.

Denn beim Tanz allein bleibt es nicht. Wer die komplizierten Bewegungsabfolgen einstudiert hat, will sie auch präsentieren. Und wer den wöchentlichen Trainingsaufwand nicht scheut, der präsentiert nicht im schnöden Kostüm. Der kleidet sich in Roben. „Ich habe vier davon, die Damen mehrere Kleider“, sagt Bernd Angermann. Dazu gehören passende Perücken, Strümpfe, Schuhe, alles in edlen Stoffen und feinen Ledern. Nach oben gibt es keine Grenze. Echte Hardliner bestehen sogar darauf, dass nicht mit Maschine, sondern von Hand genäht wird. Schnell ist da der Wert eines Kleinwagens erreicht.

Doch jetzt wird geübt. Zwölf Tänze hat die Gruppe einstudiert, darunter Menuett. Sarabande, Courante, Bourreè. Die beherrschen die zwölf amis und sind deshalb gefragte Gäste. Auch beim großen Festumzug, mit dem Schönfeld im kommenden Jahr sein 800. Jubiläum feiern wird, sind sie dabei. Wer neugierig ist und schon einmal einen Eindruck ergattern möchte, kann das am Samstag tun: Ab 15 Uhr könnte das im Schloss oder im Park glücken.