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Banker spielt Turm-Finanzier

Der Erbauer ist durch das Projekt zu Lebzeiten verarmt. Nach 160 Jahren kam er nun in Löbau zu Ehren.

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© Matthias Weber

Ob er als leitender Sparkassenmitarbeiter dem Löbauer Bäckermeister Friedrich August Bretschneider heute einen Kredit für den Bau eines Aussichtsturmes geben könne, müsste natürlich intensiv geprüft werden, sagt Uwe Gundlack und lacht. Zum Turmfest am Sonnabend durfte er als Laienschauspieler der Theatergruppe „Mimen-Fundus-Neo“in traditioneller Kleidung den Finanzier des weltweit einmaligen Bauwerkes vertreten. „Welch’ Pracht! Du Gusseiserner!“ lautete der Titel des Stücks. Er verdeutlichte, dass bürgerschaftliches Engagement in Löbau zeitlos ist, so die zahlreichen Gäste der Veranstaltung.

Der Festumzug ist vom Altmarkt bis zum Wettiner Platz gegangen, mit musikalischer Begleitung und unter den Blicken vieler Zuschauer. Vorneweg laufen Löbaus Oberbürgermeister Dietmar Buchholz (parteilos) und das Maskottchen, Turmmännchen Friedrich.
Der Festumzug ist vom Altmarkt bis zum Wettiner Platz gegangen, mit musikalischer Begleitung und unter den Blicken vieler Zuschauer. Vorneweg laufen Löbaus Oberbürgermeister Dietmar Buchholz (parteilos) und das Maskottchen, Turmmännchen Friedrich. © Matthias Weber
Anlässlich des Turmfestes haben die Mitglieder der Privilegierten Schützengesellschaft zu Löbau auf dem Marktplatz ein Salutschießen veranstaltet.
Anlässlich des Turmfestes haben die Mitglieder der Privilegierten Schützengesellschaft zu Löbau auf dem Marktplatz ein Salutschießen veranstaltet. © Matthias Weber

Mit Bänkelgesang und Geschichten im Originaltext lebte Bretschneider wieder auf. Ratsakten und historische Zeitungen im Stadtarchiv dienten als Grundlage. So wollten die Löbauer 1854 mit dem Turm Gäste in ihren Ort locken, die später dann besonders aus Böhmen, anderen europäischen Ländern und in einem Fall aus Ostindien eintrafen. Der Turm mit den 120 Stufen erhielt Attribute zwischen „Prachtgeschenk“ und „Gusseiserner mit sehr viel Zier“. Doch die Löbauer sahen auch die Probleme mit der Finanzierung des Bauwerkes. In der Stadtkasse herrschte Ebbe. Bretschneider gab 25.000 Taler und verarmte an dem Projekt. Allerdings ist er dadurch heute ein berühmter Sohn der Stadt, dessen Rolle nun Gundlack spielen durfte.

Für ihn ist die Schauspielerei ein wichtiger beruflicher Ausgleich. Als Abteilungsleiter für Firmenkunden betreut er mit zwölf Kollegen den kleinen Handwerker wie große Industrieunternehmen. Auf der einen Seite habe er de facto täglich mit Zahlen zu jonglieren, auf der anderen könne er in der Laienspielgruppe auch mit Worten, Fantasie und Kreativität spielen, so Gundlack. Er geht auch gern ins Theater oder Kabarett, zuletzt in der Löbauer Johanniskirche, als die „Kaktusblüte“ dort gastierte. Seine Lieblingsautorin ist Helga Schubert, Regisseurin und Stückeschreiberin der Theatergruppe „Mimen-Fundus-Neo“. Sie verstehe es vor allem, Laien die Rollen auf den Leib zu schreiben, sagt er.

Frau Schubert spielt seit über 30 Jahren, kommt aus Halle und hat dort in einem renommierten Kabarett mitgemacht. Nun brachte sie acht Leute mit verschiedenen Berufen – vom Rentner, Schuldirektor bis zur Köchin im Gymnasium – zusammen. Die Idee zur Theaterinszenierung der Turmgeschichte stammt von 1994, als die Stadt das Bauwerk rekonstruieren ließ. Löbau habe leider kein Theater, bedauert Frau Schubert. Deshalb wolle sie und die Gruppe das kulturelle Leben der Stadt auch in Zukunft mit Veranstaltungen wie dem „Löbauer Theaterbällchen“ bereichern.