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Bangen, Hoffen und Schimpfen nach der Windkraft-Pleite

Tausende Geldanleger wollen bei einer Versammlung über den Sanierungskurs abstimmen. Am Ende unterliegt Prokon-Gründer Carsten Rodbertus.

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© dpa

Von Almut Kipp und Matthias Hoenig

Hamburg. Seine erste Niederlage verkündet Carsten Rodbertus schon kurz vor Beginn der Gläubigerversammlung. Der Mann in Sandalen, im T-Shirt seiner Firma Prokon und mit Zigarillo weist mit einer Handbewegung auf drei Anwälte: „Da spielt jetzt die Musik.“ Die Anwälte berichten, die Rechtspflegerin vom Amtsgericht Itzehoe habe gerade die Vertretung von 15.000 Genussrechte-Inhabern verworfen und deren Stimmrechte auf null gesetzt.

Für Rodbertus ist dies ein Schlag. Denn die 15.000 Vertretungsvollmachten hat ein Strohmann für ihn gesammelt – so jedenfalls die Auffassung der Rechtspflegerin. Und das bedeute eine nicht zulässige Interessenkollision. „Rodbertus ist Geschäftsführungsorgan und darf nicht Gläubiger im Insolvenzverfahren vertreten“, erläutert Rechtsanwalt Daniel Vos von der Kanzlei Göddecke in Siegburg, die einige Gläubiger als Mandanten hat. Die Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) ergänzt, Insolvenzverwalter Dietmar Penzlin prüfe Schadenersatzansprüche gegen Rodbertus wegen Pflichtverletzungen. Der Gründer der Windenergiefirma Prokon habe womöglich Schäden von „Hunderten Millionen Euro“ verursacht. Rodbertus habe damit ein überragendes finanzielles Interesse daran, das Insolvenzverfahren selbst zu beherrschen.

Vos ist extra aus der nicht öffentlichen Versammlung mit geschätzt 5.000 Gläubigern vor die Tore des Hamburger Messegeländes gekommen, um Journalisten zu informieren. Drei Befangenheitsanträge gegen die Rechtspflegerin seien vom Amtsgericht verworfen worden – in der Messehalle gab es dafür „leichten Applaus“.

Kontrolle wie am Flughafen

Den Machtkampf mit Penzlin über den weiteren Sanierungskurs von Prokon verliert Rodbertus. Am Ende bestätigen die Gläubiger Penzlin in seinem Amt und beauftragen ihn fast einmütig, seinen Sanierungsplan auszuarbeiten, wie Teilnehmer berichten. Rodbertus hatte einen anderen Sanierungskurs als den von Penzlin vorgeschlagenen durchsetzen wollen. Der Firmengründer warf dem Insolvenzverwalter kürzlich vor: „Sie wollen Prokon fit für den börsennotierten Kapitalmarkt machen, was jedoch nie Philosophie von Prokon war.“ Zudem warf er dem Anwalt eine Schlammschlacht vor. Der aber sprach nach der Versammlung von einem guten Tag für Firma, Gläubiger und Belegschaft. Er hoffe, sich jetzt in Ruhe der Sanierungsarbeit zuwenden zu können.

Etwa hundert Menschen warten schon am Morgen, ehe sich um 8 Uhr die Tore für eine der größten Gläubigerversammlungen der deutschen Wirtschaftsgeschichte öffnen. Bis zum Versammlungsbeginn drei Stunden später strömen Tausende aufs Messegelände. Das Amtsgericht Itzehoe hat 13.000 Stühle aufstellen lassen – schließlich hat Prokon 75.000 Gläubiger. Sicherheitsbeamte kontrollieren die Menschen, tasten sie ab wie am Flughafen.

Aus ganz Deutschland sind Gläubiger gekommen, viele im Rentenalter, die Erspartes gut anlegen wollten. Durch ihre nachdenklichen Aussagen zieht sich ein roter Faden: Viele wollten sich am Ausbau erneuerbarer Energien beteiligen und zugleich relativ hohe Zinsen von bis zu acht Prozent kassieren. Das Geschäft mit dem subventionierten Öko-Strom erschien sicher. Doch laut Penzlin sind 40 bis 70 Prozent des angelegten Geldes verloren. (dpa)