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Banani zurück zum Ei

Ein junger Mann aus Tonga benennt sich nach einer Mode-Unterwäsche und rodelt bei der Olympiade. Jetzt arbeitet er in Leipzig an seiner Sportlerkarriere.

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© Sebastian Willnow

Sven Heitkamp

Da steht er also auf dem Rasen, ganz im Leipziger Stadtteil Stahmeln, wohin sich sonst eher selten ein Fremder verirrt: Offenes, freundliches Gesicht, große braune Augen, kurze schwarze Locken. Dazu Trikot, Sportschuhe und ein eiförmiger Ball in der Hand. Gleich beginnt das Training mit den ersten Herren des Rugby Clubs Leipzig, RCL, auch für Bruno Banani.

Er ist ein stiller Mann, er macht nicht viele Worte und viel Aufhebens um sich. Aber wenn er auf den Sportplatz geht, dann kämpft er mit Leidenschaft und Ehrgeiz. Er spielt immerhin mit dem Team in der Bundesliga. Und, ja, der junge Mann von der Südseeinsel Tonga heißt wirklich wie die Mode-Unterwäsche aus Chemnitz, seit er als Rennrodler bei den Olympischen Spielen 2014 im russischen Sotschi angetreten war und dafür von den Sachsen gesponsert wurde.

Seine Familie und die alten Freunde nennen Bruno natürlich noch immer bei seinem Geburtsnamen Fuahea Semi. Der Marketingname aber steht im Pass, es ist wohl auch eine Liebesbezeugung an seine Heimat, das Königreich Tonga im Südpazifik, irgendwo zwischen Neuseeland und Südamerika, genau auf der anderen Seite des Globus. Nicht gerade der nächste Weg nach Stahmeln. Die außergewöhnliche Lebensgeschichte des 28-jährigen Ausnahmesportlers muss man also erzählen.

Vor einigen Jahren beschließt das Könighaus von Tonga, den kleinen Inselstaat in der Welt bekannter zu machen. Die PR-Agentur Makai mit Sitz in Los Angeles hat auch eine Filiale in Leipzig und ist auf ziemlich verrückte Sachen spezialisiert. Sie schlägt vor, einen Starter zu den olympischen Winterspielen zu schicken, gerade weil es keinen Schnee in der Südsee gibt. Die Prinzessin der Insel veranstaltet 2008 ein Casting, die Ex-Rodlerin Isabel Barschinski aus Sachsen gehört zur Jury. Fuahea Semi, 21, Informatikstudent, gewinnt. Er wird der erste Tongaer im Eiskanal.

„Ich wollte immer Sportler werden und habe lange von Olympia geträumt“, erzählt er. „Aber eigentlich von den Sommerspielen.“ Doch Rennrodeln ist teuer. Der Starter braucht einen guten Schlitten, er soll unter anderem in Altenberg und Oberhof trainieren, er muss an Wettkämpfen auf der halben Welt teilnehmen, um sich für Olympia zu qualifizieren. Über die Leipziger Agentur kommt der Kontakt zu Bruno Banani zustande, die Chemnitzer Firma steigt ein, und der junge Mann ändert seinen Namen. Ein Husaren-Streich in der Sportgeschichte und in der Marketingbranche, der damals für einigen Ärger sorgt. Der Spiegel deckt 2012 den Namensschwindel auf: „Kokosnuss auf Schlittenfahrt“ heißt die Story.

Egal: Bruno Banani steht heute in den Olympia-Analen: Er wird in Sotschi 32ster, gut sechs Sekunden hinter dem deutschen Goldmedaillen-Gewinner Felix Loch, doch sieben Konkurrenten waren noch langsamer. Danach aber wurde es wieder ruhig um ihn. Der Sponsor stieg aus, und Bruno wartete in den vergangenen zwei Jahren auf eine neue Chance für die erhoffte Sportlerkarriere. „Es gibt heute keine Verträge mit der Firma, ich promote sie nicht mehr“, betont der junge Mann.

Zur gleichen Zeit schneiden die Leipziger Filmemacher Susann Wentzlaff und Jörg Junge ihren Dokumentarfilm „Being Bruno Banani“. Sie haben seine Geschichte vom Casting bis nach Olympia begleitet, sieben Jahre lang. Als sie den Film in Leipzig vorstellen, wird ein aktives Mitglied des Rugby Club Leipzigs aufmerksam. Denn in Tonga, so sagt RCL-Präsident Karsten Heine, gibt es eigentlich nur drei Sportarten: „Rugby, Rugby und Rugby.“ Auch Bruno Banani spielt den Volkssport mit dem Ei seit frühester Kindheit.

Bruno fliegt Anfang August nach Leipzig, Heine hat in seinem Haus und in seiner Mannschaft einen Platz für ihn. „Wir gucken gemeinsam, welche Zukunftsaussichten es für ihn gibt“, sagt Heine. Nach einem Freundschaftsspiel in Prag wird der Libero zum „Spieler des Tages“ gekürt. „Er teckelt sehr tief, und er passt perfekt in die Mannschaft“, erzählt Heine. Seither ist klar: Er hat das Zeug für das Bundesliga-Team. Die ersten drei Punktspiele dieser Saison hat er bereits absolviert. Und Olympia bleibt sein Traum – egal in welcher Sportart.

Seinen Namen will er behalten. „Noch einmal wechseln? Das kann ich mir nicht vorstellen.“ Anfang November endet sein Leipziger Gastspiel, er will zurück nach Hause fliegen. „There is no place like home“, sagt er. Kein Ort ist wie zu Hause.