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Ballonfahrer treffen sich auf der Wachbergbaude

Vor 205 Jahren endete die Ballonfahrt von Wilhelmine Reichard abrupt am Berg. In Saupsdorf wird die erste deutsche Ballonpionierin geehrt.

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© Dirk Zschiedrich

Von Anja Weber

Saupsdorf. Dick und grau hängen die Regenwolken am Wachberg. Der Wind pfeift über die Baumwipfel. So muss das Wetter am 30.  September 1811 gewesen sein. Ein Tag, der in die Geschichte der deutschen Ballonfahrt eingehen soll, als „Wunder vom Wachberg“. In Saupsdorf hat die berühmteste Frau Freitals, Wilhelmine Reichard, Schlagzeilen geschrieben. Und genau hier sollen ihr Mut und ihre Kühnheit ganz spezielle Ehrung erfahren. Deshalb lädt das Team der Berggaststätte am 30. September zu einem ersten Treffen der Ballonfahrer ein. Denn genau an diesem Tag vor 205 Jahren stieg die junge Frau in Dresden zu ihrer dritten Gasballonfahrt auf – trotz schlechter Witterungsbedingungen.

Ein roter Heißluftballon mit dem Konterfei von Wilhelmine Reichard schwebte erst kürzlich zum Ortsfest über Pirna-Obervogelgesang.
Ein roter Heißluftballon mit dem Konterfei von Wilhelmine Reichard schwebte erst kürzlich zum Ortsfest über Pirna-Obervogelgesang. © Daniel Förster

Sie wollte die Dresdner, die zahlreich den Aufstieg verfolgten, nicht enttäuschen. Schon der Aufstieg verlief problematisch. Das Netz verwickelte sich in den Alleebäumen, mehrmals musste Wilhelmine Ballast abwerfen. Dann stieg der Ballon mit mäßiger Geschwindigkeit und war nach zwölf Minuten verschwunden. Wilhelmine schrieb später: „Kaum befand ich mich über den Wolken und empfand den erquickenden Einfluss der Sonnenstrahlen, als heftige Windstöße den Ball nach verschiedenen Richtungen schleuderten.“ Wilhelmine hatte außerdem eine Höhe erreicht – 7 800 Meter, ein Rekord –, die sie ohnmächtig werden ließ: „Ich erwachte nur noch einen Augenblick, und dieser war der schrecklichste meines Lebens“. Doch die mutige Ballonfahrerin hatte Glück. Der jähe Absturz des kaputten Ballons am Wachberg wurde durch Bäume abgefangen. Wilhelmine konnte verletzt geborgen werden.

Der Anfang einer Geschichte, die bis in die heutige Zeit reichte. In Freital, dem späteren Wohnort der Familie Reichard, beschäftigt sich seit Längerem ein Verein mit der Geschichte der ersten deutschen Ballonpionierin. Immer wieder wurde sie zu bestimmten Anlässen geehrt. Die Kulturwissenschaftlerin Heide Monjau forschte in den 90er-Jahren innerhalb einer Frauengeschichtswerkstatt im Leben der Familie Reichard. Sie recherchierte in Museen und Archiven, befragte Nachfahren und Experten der Szene, wertete Briefe und Nachlässe aus. Entstanden ist eine Biografie in Buchform.

Nachfahren von Wilhelmine Reichard sind bei Treffen dabei

Wer waren die Reichards?

Johanne Wilhelmine Sigmundine Schmidt erblickte am 2. April 1788 in Braunschweig das Licht der Welt. Ihr späterer Mann, Gottfried Reichard, wurde am 26. März 1786 in Braunschweig geboren.

1807, nach der Hochzeit, siedelte die Familie nach Berlin über. Bereits im Oktober 1807 brachte die 19-jährige Wilhelmine ihre erste Tochter zur Welt. Insgesamt waren es sieben.

Am 27. Mai 1810 erhob sich in Berlin der erste Reichard-Ballon mit Gottfried, als zweitem deutschen Ballonfahrer, in die Lüfte. Der erste deutsche Ballonfahrer war Jungius im Jahr 1805.

Im Jahr 1811 hatte Wilhelmine so viel Ballonfahrer-Wissen und technisches Rüstzeug von Gottfried mitbekommen, dass sie am 16. April 1811 von Berlin aus als Deutschlands erste Luftschifferin per Gasballon abhob.

1811 siedelte die Familie nach Dresden über. 1814 kaufte sie ein Gebäude vom Kammergut Döhlen (heute Freital) und zog ein.

Von 1816 bis 1820 erfolgten zur Finanzierung einer eigenen Fabrik erneute kommerzielle Ballonfahrten.

1821 begann der Bau der Chemiefabrik für die Produktion von Soda und Schwefelsäure.

1844 starb Gottfried an einem Lungenschlag in Döhlen, am 23. Februar 1848 Wilhelmine.

Quelle: Biografie

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Als sich dann am 30. September 2011 der Absturz zum 200. Mal jährte, wurde auf Betreiben des Kreisarchivars Wolfgang Burkhardt in Erinnerung an dieses geschichtsträchtige Ereignis auf dem Wachberg eine Gedenktafel enthüllt.

Danach war es wieder eine Weile still um Wilhelmine Reichard. Als Mitglieder des Freitaler Vereins im Fernsehen den Beitrag über die wiedereröffnete Wachberggaststätte sahen, wuchs eine Idee. „Sie waren offenbar froh, wieder einen Ansprechpartner zu haben, und meldeten sich bei uns“, sagt Helmar Frei, der das erste Ballonfahrertreffen organisiert. Erste Gespräche folgten, und man habe erkannt, dass man mit der Ballonpionierin auch ein Alleinstellungsmerkmal für den Wachberg und für Saupsdorf herausarbeiten könne.

Das Treffen am 30. September soll nun eine Art Workshop sein, um zu besprechen, wie man Wilhelmine Reichard ehren kann. Eingeladen dazu sind Ballonfahrer und -fahrerinnen sowie auch eine Pilotin, die eine Flugschule leitet, der Freitaler Verein und der Heimatverein von Saupsdorf. Auch Anbieter von Heißluft-Ballonfahrten sind dabei – und ganz wichtig: auch die Nachfahren von Wilhelmine Reichard. Diese haben ihr Kommen bereits zugesagt.

„Das Treffen ist öffentlich. Wer Interesse hat, sollte gern kommen, sich aber vorher anmelden“, sagt Helmar Frei. Ziel ist es, zu beratschlagen, welche Ideen künftig weiterentwickelt werden können und wie der Wachberg auch zu einer Art Pilgerstätte für Ballonfahrer oder Ballonverrückte werden könnte. Vonseiten des Vereins gibt es da bereits einige Vorstellungen. So soll möglicherweise eine Gedenkstätte eingerichtet werden. Auch ein Obelisk ist geplant. Der Abend werde dann sicherlich auch noch weitere Anregungen bringen, ist sich Helmar Frei sicher,

Da die Plätze begrenzt sind, sollten sich Interessierte vorher telefonisch anmelden unter Tel. 035974 50330. Die Veranstaltung in der Wachbergbaude beginnt 18 Uhr.