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Bakterium bedroht Kastanien

In Dresden ist der Erreger schon, im Kreis Görlitz offenbar noch nicht. Doch die Bäume sind bereits geschwächt.

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© Thomas Eichler

Von Anja Beutler

Landkreis. Etwas Magisches haben sie, die glatten, glänzend-braunen Früchte. Nach Kastanien bücken sich momentan viele kleine und große Sammler. Dabei sollten Kastanienfreunde nicht nur nach den Früchten suchen, sondern auch die Bäume selbst einmal genauer betrachten. Denn dem beliebten Baum droht neues Ungemach: Seit Jahren schon schwächt die Miniermotte die Bäume – gut erkennbar an den braun-gelb-gefleckten Blättern, wie man sie vielerorts im Landkreis leuchten sieht. Hinzu kommt nun ein weiterer, offenbar recht gefährlicher Erreger. Dieser ist in den Niederlanden und in Großbritannien vor rund zehn Jahren erstmals aufgetaucht. Im Westen und Norden Deutschlands hat er inzwischen ganze Alleen infiziert.

Pseudomonas syringae pv. aesculi nennen Botaniker das Bakterium, das zum Teil zu einem heftigen Sterben der Kastanien führt und seltsame, aber nicht einmalige Symptome auslöst: Die Krone wird schütter und stirbt stückweise ab, es gibt „blutende“ Stellen an Hauptästen und dunkelbraune bis schwarze Verfärbungen an der Rinde der Bäume.

Ob der Erreger im Landkreis Görlitz bereits Kastanien befallen hat, kann derzeit niemand sicher sagen. „Es gibt leider keine flächendeckende Beobachtung“, bedauert Pressesprecherin Karin Bernhardt vom Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie (LfULG). Und da niemand melden muss, wenn ein Baum von dem Bakterium befallen ist, gibt es auch keine Statistiken oder verlässlichen Nachweise über die Ausbreitung. Darauf verweist auch die Untere Naturschutzbehörde des Landkreises. Wenn überhaupt, dann wissen Städte und Gemeinden am besten Bescheid, denn die Kastanie ist kein Waldbaum, sondern vor allem in Parks und Gärten, aber auch in Alleen zu finden.

Eine solche Kastanienallee hat Ebersbach-Neugersdorf. Beigeordneter Bernd Noack seufzt ein bisschen, wenn er an die Kastanienkrankheiten denkt: „Ich möchte auch weiterhin gern Kastanien bei uns stehen haben“, sagt er. Allerdings kämpft die Stadt schon seit Jahren mit der Miniermotte, die einen Baum zwar nicht umbringt – ihn aber dauerhaft schwächt. Und richtig losgeworden ist die Miniermotte bislang wohl niemand. „Man müsste alle Blätter aufsammeln, um zu verhindern, dass die Miniermotte wiederkommt“, sagt Noack. Das sei nicht zu schaffen.

Dennoch versucht auch die Stadt Zittau, ihren Kastanienbestand mottenfrei zu bekommen: Mehrere Bäume gibt es an Kieslerstraße, Weinauring und Neißedamm, teilt Stadtsprecher Kai Grebasch mit, hinzu kommen markante Einzelbäume. „Seit 2003 bekämpfen wir die Miniermotte am Weinauring und in der Kieslerstraße mit gutem Erfolg“, freut er sich. Dieser Tage werden die Mottenfallen abgenommen und nachgeschaut, wie effektiv der Kampf gegen den Schädling war. Einen Befall durch das neuartige Bakterium kennt in der Stadt noch niemand.

Dabei gibt es in Sachsen durchaus schon Fälle: Andreas Roloff, Professor für Forstbotanik an der TU Dresden, hat erst vor Kurzem über eine Studentenarbeit Dresdner Kastanien untersuchen lassen – und ist dabei fündig geworden. „Es gab Befall in einzelnen Straßen“, sagt er. Auch in Tschechien sei das Bakterium schon nachgewiesen worden. Was den Wissenschaftlern zu schaffen macht, ist das bislang noch spärliche Wissen über den Erreger: Dr. Stefan Wagner, Mitarbeiter am Julius-Kühn-Institut, einem Bundesforschungsinstitut für Kulturpflanzen in Deutschland, nimmt wie sein Kollege Roloff an, dass Wind und Wasser den Erreger verbreiten. Möglich ist aber auch eine Verunreinigung durch Baumschulen. Genaueres weiß man noch nicht.

Abgerückt sind die Wissenschaftler davon, befallene Bäume sofort zu fällen: „Manche entwickeln Resistenzen, widerstehen dem Bakterium und überleben“, erklärt Professor Roloff. Dass der Mensch selbst der Kastanie helfen kann, hält Wagner hingegen für unwahrscheinlich: Zwar gibt es bereits Wärmebehandlungen mit speziellen Heizdecken am Stamm und die Suche nach einem Impfstoff für die Bäume. Aber das ist enorm teuer und kann nur in Einzelfällen fruchten.