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Bahnstrecke wird Radweg: Chance oder Problem?

Herrnhuts Bürgermeister plädiert dafür, Ideen und Pläne nicht unüberlegt zu zerreden. Ein Gastkommentar.

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© Matthias Weber

Von Willem Riecke

Hernhut. Die Diskussion um die Zukunft der nicht mehr genutzten Bahnstrecke zwischen Oberoderwitz über Herrnhut bis Niedercunnersdorf ist in vollem Gange. Zuletzt zweifelte die Gemeinde Kottmar an den Plänen des Kreises, einen Radweg daraus zu machen und plädierte für die Nutzung als Eisenbahnstrecke. Nun meldet sich Herrnhuts Bürgermeister Willem Riecke (Herrnhuter Liste) zu Wort:

Seit nunmehr fast 20 Jahren liegt die Bahntrasse mehr oder weniger völlig ungenutzt vor unseren Augen. Immer wieder hat es in dieser Zeit Vorstöße gegeben, die Trasse wieder mit Zügen zu befahren. Alle sind gescheitert. Wer sich heute hinstellt und Aussagen trifft wie: „Da können doch wieder Züge rollen“, schrammt deutlich an der Realität vorbei. Der bauliche Zustand lässt keinen Bahnverkehr mehr zu und einen Betreiber für diese Strecke gibt es augenscheinlich auch nicht. Auch eine anderweitige Umnutzung – etwa als Draisinenbahn – ist Anfang der 2000er Jahre von Seiten Herrnhuts untersucht worden – leider ohne Aussicht auf Realisierung.

Nun stehen wir heute vor einer völlig verwilderten Bahnstrecke mit vielen Brücken und großen Viadukten. Die Deutsche Bahn hat bereits vor Jahren angekündigt, dass sie diese Strecke (also auch alle dazu gehörenden Flurstücke) verkaufen wird. An wen auch immer. Es ist gut vorstellbar, dass sich private „Interessenten“ finden. Sie werden alles Brauchbare abmontieren und zu Geld machen. Und dann? Dann liegt die Strecke weiter für Jahrzehnte als Brache vor unseren Augen und der Zahn der Zeit wird den baulichen Anlagen weiter zusetzen. Ob dann der private Eigentümer parat steht und die maroden Brücken saniert? Die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass dies nicht passiert und letztlich – nach jahrelangem Stillstand – doch die öffentliche Hand für Schäden aufkommen muss. Beispiele hierfür sind in allen Gemeinden hinlänglich bekannt. Vor etwa zwei Jahren ist durch das Bekanntwerden der Verkaufsabsichten der Deutschen Bahn eine Projektidee entstanden, deren Grundgedanke die Umwandlung der Strecke in einen Radweg ist. Dies ist keine neue und auch keine sonderlich innovative Idee, sondern resultiert aus den Erfahrungen und Möglichkeiten, wie man sie anderenorts sehen und erfahren kann. Aus dieser ersten Idee haben sich mehrere Beratungen ergeben und der Landkreis hat sich bereiterklärt, die gesamte Strecke zunächst von der Bahn zu übernehmen. Parallel dazu konnte auch der Freistaat Sachsen dazu gewonnen werden, sich an diesem Projekt zu beteiligen. Alle drei anliegenden Kommunen waren von vornherein in die Überlegungen einbezogen. Der Landkreis hat dann ein Ingenieurbüro beauftragt, erste Voruntersuchungen an den Bauwerken vorzunehmen und eine erste Kostenschätzung abzugeben. Dies alles wurde unverbindlich und ergebnisoffen diskutiert. Gerade bei der Begutachtung der großen Viadukte ergab sich kein desaströses Bild – alle Viadukte liegen in der Zustandsbewertung zwischen 2 (zum Beispiel Obercunnersdorf) und 3 (zum Beispiel Ruppersdorf).

Es ist allen Beteiligten von Anfang an klar gewesen, dass die Realisierung dieses Vorhabens nicht aus dem „Ärmel zu schütteln“ ist und dass Kosten entstehen. Sowohl bei der baulichen Umsetzung als auch bei der späteren Unterhaltung. Und, dass viele Aufgaben und Investitionen in den Orten wichtiger sind als der Neubau einer Radstrecke, ist auch logisch. Die finanzielle Ausstattung aller drei beteiligten Kommunen ist wahrlich nicht die beste. Deswegen sind ja die Projektpartner (Landkreis und Freistaat) mit im Boot und haben auch finanzielle Unterstützung zugesagt.

Ich halte es für sinnvoll, das Projekt mit allen Partnern zunächst einmal bis zu einer gewissen Entscheidungsreife zu durchdenken. Wir brauchen Zahlen, Fakten und Vertragsentwürfe, um die konkreten finanziellen Auswirkungen auch benennen zu können. Das liegt im Moment alles noch etwas im Nebel. Der Einwand, der neue Radweg hätte keinen „Anschluss“ oder kein Ziel, ist aus meiner Sicht nicht haltbar. Mal abgesehen von der ortsverbindenden, kleinräumigen Funktion tangiert er den Radfernweg „Sächsische Mittelgebirge“, den Radweg „Rund um den Löbauer Berg“, den Radweg „Rund um den Kottmar“ und endet in Oderwitz an einem Haltepunkt der Bahn mit Anschluss nach Zittau oder Dresden. Die Verknüpfungen ließen sich sicher noch weiter ausführen. Für mich hat die Strecke jedoch nicht nur einen touristischen Aspekt, sondern ist auch Teil der Verbesserung der Lebensqualität für unsere Bürger. Es würde eine verkehrssichere Verbindung zwischen vielen Ortsteilen entstehen. Gerade in einer Region, in der separate Radwege eher die Ausnahme sind.