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Bahnsteig ohne Schienen

Ab November werden die Verbesserungen am Hauptbahnhof Zittau spürbar. Bis dahin sind Geduld und Nerven gefragt.

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© Thomas Eichler

Von Mario Heinke

Andreas Biedermann von der Baufirma Strabag steht vor einem tiefen Loch und kontrolliert die Schalung der Fahrstuhlschächte, die derzeit im Hausbahnsteig im Hauptbahnhof Zittau gegossen werden. Drei Bagger und ein Radlader stehen auf dem schienenlosen Gleisbett. Das kreischende Geräusch eines Trennschleifers übertönt das Wummern des Bohrhammers. Der Fußgängertunnel ist ein Stück weit freigelegt, die Stahltraversen der historischen Überdachung lagern an der Grube. Der Neubau von zwei Fahrstühlen gehört wohl zu den wichtigsten Verbesserungen, der Bahnhof wird ab November barrierefrei, der Inselbahnsteig stufenlos erreichbar. Aber auch die geplante Anhebung des Hausbahnsteigs um einige Zentimeter wird das Ein- und Aussteigen erleichtern.

Bauleiter Andreas Biedermann von der Strabag AG prüft die Bewehrung am neuen Fahrstuhlschacht am Hausbahnsteig.
Bauleiter Andreas Biedermann von der Strabag AG prüft die Bewehrung am neuen Fahrstuhlschacht am Hausbahnsteig. © Bernd Gärtner

Seit Mitte letzten Jahres sorgen die Bauarbeiten für Einschränkungen. Die DB Netz AG und der Bund investieren 45 Millionen Euro in die Infrastruktur rund um den Bahnhof Zittau. Am 12. August beginnt die heiße Phase, der Bahnhof bleibt dann bis 11. November voll gesperrt. Busse werden den Schienenersatzverkehr aufnehmen. Um auf die bevorstehenden Unannehmlichkeiten einzustimmen, lud die DB Netz AG am Montag zu einem Pressegespräch ins Rathaus, warb für Verständnis und schilderte, wie sie die Infrastruktur erneuern und Zittau „für die Zukunft fit machen“ möchte. Dazu gehört ein ganzes Paket von Veränderungen. So wird der Inselbahnsteig in Richtung Dresden um rund 50 Meter verlängert, damit künftig zwei Triebwagen hintereinander auf einem Gleis halten können. Sollte der Bahnhof in Zukunft zu einem Nullknoten werden, können sich die Züge zur vollen Stunde dort treffen. Züge aus Liberec, Görlitz, Dresden oder Varnsdorf sollen dann gleichzeitig einfahren können. „Wir gestalten die Anlage flexibel für künftige Anforderungen“, sagt Stephan Poppe, Projektleiter im Regionalbereich Südost der DB Netz AG.

Weil der Bahnhof keinen Güter- und Grenzverkehr mehr abwickelt, wie zuletzt noch zu DDR-Zeiten, gehört zur Erneuerung auch der Rückbau von nicht mehr genutzten Gleisen, Weichen, drei Stellwerken und eines Stücks Bahnsteig in Richtung Tschechien. Vom Neubau des elektronischen Stellwerks im Bereich der alten Ladestraße, das ab November vom Fahrdienstleiter im Stellwerk Bischofswerda aus ferngesteuert wird und der laufenden Erneuerung der Brücke Tongasse bekommt der Fahrgast nicht viel mit.

Das unter Denkmalschutz stehende Fahrdienstleiterstellwerk wird erhalten und künftig als Lehrstellwerk von der Hochschule Zittau/Görlitz zur Ausbildung genutzt. Die Anbindung des neuen elektronischen Stellwerks an die Stellwerke im tschechischen Hrádek nad Nisou (Grottau) und polnischen Zgorzelec (Görlitz) erforderten grenzüberschreitende Beratungen auf höchster Ebene, unter anderem, weil das Verbindungskabel nach Tschechien über polnisches Staatsgebiet führe, erzählt der Projektleiter. Der schwierige Baugrund an der Tongasse erschwere die Arbeiten. Wegen der Braunkohleschichten in zehn bis 30 Meter Tiefe, beschädigter Bauwerke an der Eisenbahnstraße und der Stützmauer Bergstraße kommen nur vibrationsarme Technologien zum Einsatz. Eine besondere Herausforderung für die Projektanten ist die Kreuzung der Gleise mit denen der Schmalspurbahn am Bahnhof. An den historischen Wagen der Schmalspurbahn können die üblichen Zugsicherungssysteme der Bahn nicht montiert werden, deshalb habe man sich völlig neue Lösungen ausdenken müssen, um Kollisionen auszuschließen, so ein Vertreter der DB Netz AG.

„Ab 12. November rollen die Züge wieder“, versprach Poppe. Der Großteil des Bauprojekts soll bis dahin abgeschlossen sein. Lediglich die Sanierung der denkmalgeschützten Bahnsteigdächer und der Ausbau zweier Gleise sind für das kommende Jahr eingeplant. Diese Bauarbeiten sollen aber ohne größere Einschränkungen erledigt werden.