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Bahnsteig-Lotterie in Zittau

Die Bauarbeiten sorgen am Bahnhof für einiges Durcheinander. Aktuelle Fahrplaninfos gibt es nur im Internet.

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© Mario Heinke

Von Mario Heinke

Zittau. Missmutig zieht ein älterer Herr mit Hut seinen kleinen Koffer hinter sich her. „Von welchem Bahnsteig fährt der Zug nach Dresden“, fragt er den vorbeieilenden Mitarbeiter der Vogtlandbahn auf dem Mittelbahnsteig des Zittauer Bahnhofes. „Gleis 2b“, antwortet der Angesprochene, der offensichtlich selber seinen Zug sucht. Auf der Bank des Bahnsteiges sitzt ein Sicherheitsmann der Deutschen Bahn in gelber Warnweste und brüllt „Gleis 1a“. Der ältere Herr verdreht die Augen und flucht, denn er muss nun wieder über die Treppen durch den Tunnel auf den gegenüberliegenden Bahnsteig. Dahin, wo er schon einmal war. Er ist am Mittwochvormittag einer von vielen Fahrgästen, die aufgeregt und auf der Suche nach dem richtigen Bahnsteig hektisch hin und her laufen. „Nach Hradek, bin ich hier richtig?“, fragt ein Tourist. Wieder ist es der Sicherheitsmann der Bahn, der weiß, wo es langgeht: „Bleiben Sie, wo Sie sind, der Zug kommt gleich“.

Zur Bestätigung schallt die Durchsage aus dem Lautsprecher und informiert die verwirrten Fahrgäste darüber, dass der Trilex um 11.16 Uhr vom Bahnsteig 5a abfährt. Reisende, die sich im Internet informieren, sind in diesen Tagen klar im Vorteil. So schreibt Trilex auf seiner Internetseite: Bis 11. September halten keine Züge auf Gleis 2. Von Liberec kommende Züge in Richtung Dresden und Varnsdorf fahren vom Gleis 1a ab. Züge in Richtung Liberec fahren vom Gleis 5a oder vom Gleis 1a ab. „Die Leute sollen mal locker bleiben, bei dem schönen Wetter“, sagt der Sicherheitsmann, der sich mit seiner neuen Funktion als Auskunftsperson abgefunden hat. Seine Aufgabe ist es, darauf zu achten, dass Fahrgäste nicht über die Gleise steigen und die Bauarbeiten den Zugverkehr nicht behindern. Diese Gefahr war am Mittwoch allerdings gering, da auf dem Bahnhof keine Bauarbeiter zu sehen waren. „Keine Ahnung, wo die sind“, sagt der Mann in der Warnweste.

Die vor vier Wochen begonnenen Bauarbeiten sorgen für einiges Durcheinander. Die Baufirma Strabag hat mit mehreren Baucontainern neben dem Gleis 54 Stellung bezogen. Der Bahnsteig und der Tunnel direkt neben der Tür zur Bahnhofshalle sind gesperrt. Der Mittelbahnsteig zum Gleis 2 und 5 ist derzeit nur noch durch den hinteren Tunnel erreichbar. Auf Höhe des Bahnhofsgebäudes fehlen Teile der Überdachung der Bahnsteige. „Der Mittelbahnsteig und der Hausbahnsteig erhalten jeweils einen Fahrstuhl“, erklärt die Bahn auf Anfrage der SZ die Lücken im Dach. Die Inbetriebnahme ist für November 2017 geplant und steht im Zusammenhang mit dem Neubau von elektronischen Steuerungsanlagen.

Das alte Stellwerk B2/W3, nahe dem Bahnhofsgebäude, ist denkmalgeschützt und bleibt stehen. Die Stellwerke W1, W4 und W6 werden zurückgebaut. Der gesamte Bahnhof erhält neue; elektronisch gesteuerte Signalanlagen, welche vom Fahrdienstleiter im elektronischen Stellwerk Bischofswerda ab November 2017 ferngesteuert werden, erklärt DB-Pressesprecherin Erika Poschke-Frost. Sichtbar fortgeschritten ist der Rückbau alter Gleise auf dem Bahngelände. Am Löbauer Platz stapelt die Bahn meterhoch alte Schwellen aus Beton- und marodem Holz. Die Gleise 9 bis 11 sowie alte Gleise der Güterverkehrsanlagen werden entfernt, weil sie seit vielen Jahren nicht mehr genutzt werden.

Die Bahn will den Bahnhof nicht nur barrierefrei machen, sondern auch zu einem sogenannten Nullknoten ausbauen. Züge aus Liberec, Görlitz, Dresden und Varnsdorf sollen gleichzeitig einfahren können. Außerdem möchte die Bahn nach eigenen Angaben Reisezeiten verkürzen, den Gleisspurplan optimieren und die Anzahl der Weichen von 74 auf 33 verringern. 45 Millionen Euro investiert sie dafür in Zittau. Gebaut wird bei „überwiegender Aufrechterhaltung des Eisenbahnverkehrs“. Die Erneuerung der Brücke Tongasse verzögert sich, habe jedoch keine Beeinträchtigungen des Regionalverkehrs zur Folge, erklärt die Pressestelle der Bahn.