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Bahnfahrt als Glücksspiel

Ausfälle und Verspätungen sind auf Strecken der Regionalbahn an der Tagesordnung. Das könnte Konsequenzen haben.

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© Dietmar Thomas

Von Sylvia Jentzsch

Döbeln. Vier Mal in der Woche ist der Sachverständige für Stahl- und Metallarbeiten Ulrich Reichwald aus Leisnig dienstlich mit dem Zug nach Leipzig unterwegs – und er hat die Nase voll. „Es ist nicht nur so, dass diverse Züge ausfallen. Vor allem während des Berufsverkehrs ist die Kapazität der Züge seit längerer Zeit nicht ausreichend. Ab Grimma sind sie meist übervoll“, so Reichwald. Seitdem die Mitteldeutsche Regiobahn (MRB) die Strecke übernommen habe, sei alles Stück für Stück schlechter geworden, so der Diplomingenieur. Aus den sogenannten „Klimaanlangen“ ströme eiskalte Luft. Es sei jeweils nur ein halber Zug beheizt, der andere ist eiskalt.

Wenn die Zugbegleiter danach gefragt würden, entstehe der Eindruck, dass diese von der Situation nicht begeistert sind. „Wann werden diese Unzulänglichkeiten, die nicht erst seit kurzer Zeit auftreten, abgestellt?“, fragte Ulrich Reichwald. Er will sich, wenn es keine entscheidenden Fortschritte hinsichtlich des Services gibt, an das zuständige Ministerium und an den Petitionsausschuss des Landtages wenden.

Einschränkungen bei der MRB sind bis zum 8. April gültig

Schon vor zwei Wochen hatten Schüler, die in Grimma das Berufschulzentrum besuchen, geschildert, dass das Bahnfahren ein Glücksspiel sei (DA berichtete). Die Mitteldeutsche Regiobahn hatte am Abend des 22. März entschieden, dass der Fahrplan zwischen Döbeln und Leipzig eingeschränkt wird, nur etwa jeder zweite Zug fahren soll. Begründet wurde diese Einschränkung mit dem erhöhten Krankenstand der Mitarbeiter und der Sperrung der Zufahrt zum Betriebshof in Delitzsch. Da aber die Informationen zum Ausfall der Züge und auch zum Ersatzverkehr die Fahrgäste nicht erreichten, herrschte großer Unmut bei den Fahrgästen auf dem Bahnhof. „Die Einschränkungen auf der Strecke Leipzig – Grimma – Döbeln sind zurzeit noch aktuell. Auf der Website der MRB gibt es tagesaktuelle Informationen, welche Fahrten konkret betroffen sind. Der Sonderfahrplan gilt bis einschließlich 8. April“, teilte die Pressestelle der MRB auf Anfrage mit. Danach soll der Regelbetrieb wieder aufgenommen werden.

Zweckverband vermisst Engagement aus dem Hause der MRB

„Auch wir haben mit zunehmenden Beschwerden über den Betrieb der Strecke Leipzig-Grimma-Döbeln zu kämpfen. Daher können wir die Verärgerung der Fahrgäste verstehen und versichern, dass wir uns in ihrem Sinne bemühen, schnellstmöglich eine Besserung der Qualität herbeizuführen“, sagte Nadine Stitterich, zuständig für Recht/Marketing/Öffentlichkeitsarbeit beim Zweckverband für den Nahverkehrsraum Leipzig (ZVNL).

Das Konstrukt der Streckenbetreibung ist komplex. Die ganze Infrastruktur, sprich Gleise und Bahnsteige, gehören der Deutschen Bahn. Die MRB organisiert den Betrieb. Sie stellt das Personal, ist für den Service, den Vertrieb und die Instandhaltung zuständig. Der Zweckverband für den Nahverkehrsraum Leipzig (ZVNL) und der Verkehrsverbund Mittelsachsen (VMS) sind die sogenannten Aufgabenträger. Sie sorgen im Auftrag des Staates dafür, dass überhaupt Regionalzüge verkehren.

Seit dem 12. Juni 2016 hat die Transdev Regio Ost GmbH unter der Marke „Mitteldeutsche Regiobahn“ (MRB) die Regional-Bahn-Linie 110 als neuer Betreiber übernommen. Aufgrund der vielen Beschwerden stimme sich der ZVNL kontinuierlich mit der MRB ab. Der kenne die bestehenden Probleme, so Nadine Stitterich. Näher will sie nicht darauf eingehen. „Informationen über vertragliche Möglichkeiten, die der Verband hat, um die MRB zur Einhaltung ihrer übernommen Aufgaben durchzusetzen, darf ich nicht erläutern.“

Unabhängig davon habe sich der ZVNL mit der Bereitstellung von zwei zusätzlichen Fahrzeugen sowie der Finanzierung von Nachrüstungen an der vorhandenen Fahrzeugflotte über das ursprünglich vertraglich vereinbarte Maß hinaus engagiert. „Bisher vermissen wir leider selbiges Engagement aus dem Hause der MRB. Auch wird aus den Fahrgastbeschwerden einmal mehr als deutlich, dass die Kundeninformation nicht funktioniert, da Abweichungen des Fahrplans nicht rechtzeitig kommuniziert werden“, sagte Nadine Stitterich. Deshalb sei der ZVNL erneut an die MRB herangetreten und hat zum aktuellen Zeitpunkt eine Stellungnahme abgefordert. „Diese liegt uns aber noch nicht vor“, so Stitterich.

SPD-Bundestagsabgeordneter schaltet sich ein

Dem Thema MRB, verbunden mit schlechtem Service , hat sich auch der SPD-Bundestagsabgeordnete Detlef Müller aus Chemnitz gewidmet. Allerdings ging es ihm vordergründig um die Strecke Leipzig-Chemnitz, auf der es ähnliche Probleme gibt. „Ich hatte am vergangenen Donnerstag ein Gespräch mit dem Geschäftsführer der MRB Tobias Richter“, so Müller. Er habe erfahren, dass die massiven Personalausfälle aufgrund der Grippewelle nicht zu verhindern gewesen seien. Trotzdem müsse die MRB ihre Pflichten erfüllen. Ansonsten drohen Strafen oder sogar das Ende des Verkehrsvertrages. Das wiederum müsste der Zweckverband einfordern. „Wir müssen der MRB aber auch Zeit geben, zu reagieren“, so Müller. Zurzeit schreibe die MRB für das Zugpersonal und für Lokführer Stellenangebote aus. Doch so leicht sei es nicht, qualifizierte Leute zu finden, so Müller. Der Geschäftsführer der MRB habe seiner Ansicht nach das Problem erkannt und werde sich für die Beseitigung der Mängel einsetzen.

„Eine Zugfahrt ist zurzeit ein Glücksspiel. Dadurch leidet der Ruf der Eisenbahn gerade in einer Zeit, in der für die Nutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln geworben wird. Deshalb sind die Mängel nicht hinnehmbar“, sagte der Abgeordnete. Er werde weiter am Thema dranbleiben.

Der Kreisrat Gerald Thalheim (SPD) hatte zur Sitzung des Kreistages die massiven Zugausfälle auf Strecken der MRB bemängelt und den Landrat gefragt, wie er sich bei möglichen Entscheidungen positionieren würde. „Der Zweckverband prüft den Sachverhalt bis hin zu juristischen Schritten. In dieser Sache gibt es noch Bewegung. Aber wir sind als Landkreis an der Sache dran“, so Landrat Matthias Damm (CDU). Wie es jetzt bei der MRB laufe, könne kein Zustand sein.