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Bagger legt Mini-Bunker frei

Das Relikt aus dem Weltkrieg wurde in Freital schon einmal gefunden, verschwand aber wieder. Jetzt soll es einen festen Platz bekommen.

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© Karl-Ludwig Oberthür

Von Tobias Winzer

Freital. Es ist nur schwer vorstellbar, dass in dieser kleinen Betonsäule einmal bis zu drei Menschen Unterschlupf finden sollten. Knapp einen Quadratmeter Platz gibt es in dem Ein-Mann-Bunker. 1,76 Meter hoch ist er von innen. Gunnar Suschke steht ein wenig stolz neben dem Relikt aus dem Zweiten Weltkrieg.

Ende der 50er-Jahre wurde der Bunker schon einmal freigelegt. Er liegt im Graben in der Mitte des Bildes. Das Foto stammt aus der Betriebschronik des damals hier ansässigen VEB Glasmaschinenbau.
Ende der 50er-Jahre wurde der Bunker schon einmal freigelegt. Er liegt im Graben in der Mitte des Bildes. Das Foto stammt aus der Betriebschronik des damals hier ansässigen VEB Glasmaschinenbau. © Repro: Karl-Ludwig Oberthür

Der Chef der Mechanischen Werkstatt an der Lutherstraße in Freital-Döhlen ist der Eigentümer der Betonzelle. Auf seinem Firmengrundstück wurde sie Mitte Juli gefunden.

„Das war Zufall“, sagt der 51-Jährige. Der Freitaler lässt gerade vor der Werkstatthalle Parkplätze anlegen. Ein Bagger legte die Betonsäule frei. Suschke dachte zuerst an ein Betonrohr. Das ist kein Betonrohr, sondern ein Bunker, ließ er sich belehren. Suschke macht sich nun dafür stark, dass der Mini-Bunker öffentlich ausgestellt wird – auch wegen seiner wechselvollen Geschichte.

Es ist das Jahr 1944. Der von Nazideutschland entfachte Zweite Weltkrieg ist längst an seinen Ursprung zurückgekehrt. Am 24. August sterben 244 Menschen bei einem Luftangriff in Birkigt. Der Spezialmaschinenbau für Schokoladenfabrikation der Gebrüder Bindler an der Potschappler Straße in Döhlen hat sich zu dieser Zeit längst auf Rüstungsindustrie umgestellt und glaubt, mit der Beschaffung einer Luftschutzzelle zumindest Führungspersonal vor Luftangriffen schützen zu können. Spuren an der Außenhaut weisen darauf hin, dass der Bunker in Tarnfarbe gestrichen und ein Stück in den Boden gegraben war.

„Dritte Geburt“

Das geht aus Unterlagen hervor, die Wolfgang Burkhardt zusammengetragen hat. Der 66-Jährige war bis zum vergangenen Jahr der Archivar des Landkreises. Als er in der Nähe unterwegs war, entdeckte er den Ein-Mann-Bunker vor der Werkshalle. Er kam mit Suschke ins Gespräch und forschte zur Geschichte der Schutzzellen.

Er hat herausgefunden, dass das Cossebauder Betonwerk „Dywidag“ seit 1939 solche Bunker herstellte. Die vier Tonnen schweren Stahlbetonkolosse wurden nach Kriegsende 1945 vielerorts einfach in eine ausgehobene Grube gestürzt und mit Erde verschüttet. Bei Wiederentdeckung wurden sie, bis auf wenige Ausnahmen, vernichtet. Anders bei der Luftschutzzelle der Firma Bindler, die jetzt, 70 Jahre nach Kriegsende, gefunden wurde.

Ein Foto in der Betriebschronik vom VEB Glasmaschinenbau mit Text vom 22. Mai 1959 zur Werkshallenerweiterung an der damaligen Willi-Schneider-Straße, der heutigen Lutherstraße, zeigt die freigelegte Zelle im Bereich des Fundaments der neuen Halle. „Später wurde sie wieder zugeschüttet und erlebt somit in heutigen Tagen nach 1944 und 1959 sozusagen ihre dritte Geburt“, so Burkhardt.

Bunker soll ausgestellt werden

Suschke will die Luftschutzzelle nun an der Ecke Potschappler Straße/Lutherstraße aufstellen lassen – zur mahnenden Erinnerung. Das derzeit stark bewachsene Grundstück gehört der Stadt. „Wir haben angefragt, ob wir das Grundstück pachten können“, sagt Suschke. Dann würden wir uns um den Grünschnitt kümmern und den Bunker dort mit hinstellen. Eine Erläuterungstafel soll die Passanten über die Geschichte des Bunkers informieren.

„Eine gute Idee“, findet Burkhardt. Fünf dieser Zellen seien bereits in der Sammlung des Militärhistorischen Museums der Bundeswehr in Dresden zu finden und damit entsprechend geschützt. Durch Zeitungsartikel hat der Rentner herausgefunden, dass in Holte im nördlichen Niedersachsen ein solcher Bunker sogar in die Denkmalliste aufgenommen wurde. Ähnliches kann sich Burkhardt auch für den jetzt gefundenen Bunker vorstellen.

„Ein denkmalgeschützter und mit Tarnanstrich versehener Bunker wäre dann Auftakt auf dem Weg zu Mahnungen an verheerende Kriege“, sagt er. Direkt nebenan am Kulturhaus befindet sich eine Gedenktafel zum sogenannten Wiener Appell zur Ächtung der Atomwaffen. Weniger Meter weiter, in der Nähe vom Platz des Friedens, gibt es mit dem Gedenkstein an die Opfer politischer Gewaltherrschaften und der Häftlingsfigur von Wieland Förster weitere Gedenkorte. „Das wären dann vier Orte, die zum Innehalten in der Hektik unseres Alltags anhalten und zum Nachdenken anregen können“, so Burkhardt.