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Bäumchen wechsle dich nicht

Bei Familie Reitz steht immer noch der Weihnachtsbaum vom Vorjahr in der Wohnstube. Eine Wette gab den Anstoß.

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© Thomas Eichler

Von Jan Lange

Zittau. Er ist ein kleines Weihnachtswunder – der Tannenbaum von Familie Reitz. Seit einem Jahr steht er, geschmückt mit roten Kugeln, Zapfen und Weihnachtsfiguren im Wohnzimmer. Die Zweige hängen zwar nach unten, einige Nadeln sind inzwischen auch braun, aber viele Nadeln verloren hat er nicht. Manch eine Familie hätte den alten Baum vielleicht längst entsorgt, für Kathleen Reitz und ihre Kinder ist er aber immer noch schön. Ein paar wenige Kugeln sind übers Jahr heruntergefallen, der Großteil hängt aber noch dort, wo sie die Familie im Vorjahr aufgehängt hatte.

Die meisten zweifeln die Echtheit an. Doch der Baum ist echt, versichert die Zittauerin jedem Zweifler. Dass er so lange durchgehalten hat, kann sich die Familie selbst nicht so recht erklären. Die erste Zeit haben sie ihn immer regelmäßig gegossen, irgendwann aber das Gießen eingestellt. Und auch die Heizung, vor der der Baum steht, sei in der kalten Jahreszeit immer an gewesen, berichtet die vierfache Mutter. Eigentlich raten Gärtner dazu, den Weihnachtsbaum nicht vor eine Heizung zu stellen, da er dann schneller vertrocknet. Ein etwa zwei Meter hoher Baum brauche auch viel Wasser, bis zu zwei Liter am Tag, raten Fachleute. Auf Wassermangel reagieren die Bäume eigentlich empfindlich, sie lassen dann schneller die Nadeln fallen. Nicht so bei Familie Reitz. Sie hat allen Ratschlägen und Hinweisen das Gegenteil bewiesen.

Eine Wette brachte das Ganze ins Rollen. Jedes Jahr an Rosaleens Geburtstag, am 27. Januar, steht der Weihnachtsbaum noch in der Wohnstube. Denn Familie Reitz gehört nicht zu denjenigen, die kurz nach dem Weihnachtsfest den Baum gleich wieder entsorgen. „Das ist nicht unser Ding“, sagt Kathleen Reitz. „Wir mögen Weihnachtliches und den Tannenbaum“, fügt sie hinzu. Das gilt natürlich für die ganze Familie. Und so waren Rosaleens Schwestern immer etwas neidisch, dass sie ohne geschmückte Tanne Geburtstag feiern mussten. Loreen, die Größere, hatte sich im Vorjahr gewünscht, dass der Baum bis zu ihrem Wiegenfest am 31. März stehen bleibt und mit ihrer Mutter gewettet, ob er das schaffen würde. So blieb die Tanne stehen und heil dazu.

„Danach fand sich keiner, der ihn abschmückt“, erzählt Kathleen Reitz. Und so ließ die Familie den Christbaum auch bis zu Charleens Geburtstag am 26. August stehen. Schnell war das Jahr um und das Nadelgewächs immer noch in der Wohnung – auch denen zum Trotz, die nicht glauben wollten, dass es sich um einen echten Baum handelt. „Er gehört inzwischen schon zum Inventar“, meint die Mutter.

Dabei war der Baum ein wahrer Glücksgriff. In der Regel kauft die Familie ihre Weihnachtstanne in Herrnhut, am ersten Adventswochenende. Doch der dortige Händler habe im vergangenen Jahr nur kleine und sehr dünne Exemplare angeboten. Die Zittauer besorgten sich deshalb ihren Baum ausnahmsweise am zweiten Adventswochenende in einem Billigpostenmarkt. „Die Nordmanntanne hat uns auf den ersten Blick gefallen“, sagt die Mutter.

Fachleute empfehlen, dass man sich den Weihnachtsbaum möglichst ein bis zwei Wochen vor dem Fest kaufen soll. Die Äste können sich in diesem Fall bis zum Heiligabend noch aushängen – vorausgesetzt der Nadelbaum steht an einem windgeschützten und kühlen Platz im Wasser.

In ihrem Weihnachtsbaum versteckt Familie Reitz jedes Jahr eine Mini-Gurke. Wer sie zuerst entdeckt, der darf als erster sein Geschenk öffnen. Im Fernsehen hatten sie diese Aktion vor gut vier Jahren gesehen und seitdem machen sie sich den Spaß am Heiligabend. Diesmal wird die Mini-Gurke wohl im unteren Teil des Weihnachtsbaums verschwinden, da dort durch die herunterhängenden Äste das Nadelwerk noch sehr dicht ist. „Wir feiern Weihnachten immer mit der gesamten Familie bei uns zuhause“, erzählt Frau Reitz. Elf Familienmitglieder versammeln sich dann in der Wohnung. Traditionell gibt es Bratwurst – alternativ auch Leber- oder Blutwurst – mit Sauerkraut und Kartoffelmus. Die Großmutter, bei der die Familie immer den zweiten Feiertag verbracht hatte, fehlt leider in diesem Jahr. So kann sie bedauerlicherweise auch das kleine Weihnachtsbaumwunder nicht miterleben. Ob die Tanne auch nach dem jetzigen Weihnachtsfest weiter stehen bleibt, hat Familie Reitz noch nicht entschieden.