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Bäcker in vierter Generation

Die Bäckerei Merzdorf in Beicha ist bereits 125 Jahre alt. Ob der Betrieb weiter im Besitz der Familie bleibt, ist offen.

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© André Braun

Döbeln-Beicha. Eine große Anzeige in einer heute nicht mehr gebräuchlichen Schrift belegt es schwarz auf weiß: Paul Merzdorf hat die gleichnamige Bäckerei in Beicha am 21. April 1891 gegründet. „Er hat den Betrieb von Bernhard Hennig gekauft“, erzählt Gunther Merzdorf, der das Unternehmen inzwischen in vierter Generation leitet. Hennig sei eine Art früher Immobilienmakler gewesen. Er habe Häuser gekauft, saniert und Bäckereien eingerichtet. „Die hat er kurz angebacken und dann weiterverkauft“, weiß Gunther Merzdorf aus Erzählungen.

Urgroßvater Paul hat die Bäckerei gemeinsam mit seiner Frau Ida Selma bis zum Jahr 1934 geführt und dann an seinen Sohn Walter übergeben. Der verstarb aber bereits einige Jahre später. Seine Frau Selma hielt den Betrieb mit ihrem Schwager Rudolf Merzdorf und dessen Frau Olga aufrecht. Auch Helmut, der Sohn von Selma und Walter Merzdorf, lernte den Beruf des Bäckers. Allerdings nicht in Beicha, sondern in der Bäckerei Hölzen in Meißen. Weitere Erfahrungen sammelte der junge Mann anschließend in der Bäckerei Wetzig in Richzenhain. „Erst 1960 kam er zurück nach Beicha“, so Gunther Merzdorf. Dann ging es sozusagen Schlag auf Schlag: Am 1. Januar 1962 übernahm Helmut Merzdorf die Bäckerei, am 14. Januar heiratete er seine Frau Gerdi und im Juni desselben Jahres kam Gunther Merzdorf zur Welt. „Mein Vater hat viel investiert und umgestaltet“, erzählt dieser. So habe er einen Dampfbackofen ein- und den Laden umgebaut. In dem gab es aber nicht nur Backwaren. „Es war ein richtiger Kolonialwarenladen“, meint Merzdorf. In den Regalen lagen und standen zum Beispiel auch Schuhcreme, Postkarten, Waschpulver und Schnaps. Einen Konsum gab es im Ort außerdem noch. Nach der Wende folgte der nächste Umbau. Der Dampfbackofen mit einer Kohleheizung wurde durch einen Backofen mit Ölheizung ersetzt.

Das ganze Haus umgekrempelt

Gunther Merzdorf hat ebenso wie sein Bruder Jörg beim Vater den Beruf des Bäckers erlernt. Trotzdem blieb die Bäckerei zu DDR-Zeiten einmal für eineinhalb Jahre geschlossen. Jörg besuchte noch die Schule, Gunther wurde zum Wehrdienst einberufen und Vater Helmut war krank. „Wir haben zwar um meine Freistellung vom Wehrdienst gekämpft, aber die Ernährung der Bevölkerung war wohl nicht so wichtig, wie die Sicherung des Landes“, meint Gunther Merzdorf schmunzelnd.

Anschließend öffnete die Bäckerei wieder ohne Probleme und am 1. Januar 1998 übergab sie Vater Helmut an seinen Sohn Gunther. „Ich habe weiter modernisiert und sozusagen das ganze Haus einmal umgekrempelt.“ Außerdem wird nicht mehr nur im Geschäft verkauft, sondern auch aus einem Verkaufswagen, der die Orte im Umkreis von etwa 20 Kilometern anfährt. „Bei uns wird noch mit Natursauerteig nach altem Traditionsrezept gebacken“, so Merzdorf. Besonders beliebt sei der Beichaer Nusskuchen. Gar nicht gehe das Snackgeschäft. „Dafür werden bei uns noch Stollen gebacken, für die die Kunden ihre Zutaten selbst mitbringen“, sagt er.

Ein wenig Gedanken macht er sich über die Zukunft seines Geschäfts. Seine beiden Kinder haben nur wenig Interesse an der Bäckerei. „Ein wenig hoffe ich auf die beiden Jungs meines Bruders“, meint Merzdorf. Er könne sich auch vorstellen, die Bäckerei an einen Fremden zu übergeben. Zum Beispiel an einen Lehrling, den er nach und nach für die Firmenübernahme aufbaut. Aber kaum jemand möchte noch Bäcker werden. Den letzten Lehrling hat Merzdorf im Jahr 2012 ausgebildet. (DA/rt)