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Bachmann stellt Vertrauensfrage

Eine Woche nach dem Facebook-Frustpost von Edwin Wagensveld steht ein sichtlich genervter Lutz Bachmann auf der Bühne der allmontäglichen Pegida-Kundgebung in Dresden. Er schenkt seinen Fans eine Art Rechenschaftsbericht.

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© xcitepress/ce

Dresden. Nach dem Ausschluss seiner ehemaligen Mitstreiterin Tatjana Festerlings aus dem Pegida-Führungskreis hat sich deren Mitbegründer und Chef Lutz Bachmann der Unterstützung seiner Anhänger versichert.

Das Demogeschehen am 20. Juni

Bei der ersten Kundgebung des rechtspopulistischen Bündnisses seit Bekanntwerden des Bruchs in der Führungsspitze forderte Bachmann die Teilnehmer am Montagabend in Dresden auf, per Handzeichen seinem Organisationsteam das Vertrauen auszusprechen. Ein Großteil der Anwesenden kam der vorab nicht angekündigten Aufforderung nach.

Zugleich wies Bachmann den von Festerling gegen ihn erhobenen Vorwurf eines laxen Umgangs mit Spenden zurück. Er listete eine ganze Reihe von Ausgaben auf, die der Pegida-Verein etwa für Beschallungsanlage, Funkgeräte, den Auftritt des niederländischen Rechtspopulisten Geert Wilders im April vergangenen Jahres oder für Feiern für die Pegida-Ordner aufgewendet habe. Zu den Einnahmen des Bündnisses äußerte er sich nicht. Auch das ihm von Tatjana Festerling angelastete mangelnde Engagement über die Grenzen Dresdens hinaus ließ Bachmann nicht gelten.

Mitte vergangener Woche war der Zwist zwischen Bachmann und der bisherigen Pegida-Frontfrau Festerling offenbar geworden, als er den Ausschluss der früheren Hamburger AfD-Politikerin wegen „vereinsschädigenden Verhaltens“ ankündigte. (dpa)

Das Ereignisprotokoll des Abends:

20:45 Uhr: Die Studentengruppe „Durchgezählt“ schätzt für diesen Montag zwischen 1 800 und 2 400 Demonstranten bei Pegida.

20:40 Uhr: Lutz Bachmann lädt seine Freunde und Patrioten für den kommenden Montag auf den Postplatz und wirbt für Cegida in Chemnitz. Dann korrigiert Siegfried Däbritz plötzlich die GEZ-Aussage von vorhin und erklärt die angeblich ungültigen Stimmen wieder für gültig. Ramona betritt die Bühne und intoniert die Nationalhymne.

20:38 Uhr: Siegfried Däbritz stellt sich selbstlos in den Dienst der Existenz des aufgeklärten europäischen Kulturstaates und prognostiziert einen langen, steinigen Weg mit der Parole „Weitermachen“.

20:35 Uhr: Däbritz schimpft gegen die „Volksverräter“ an den „Futtertrögen“ und jammert wie bereits zuvor Bachmann über die vielen persönlichen Opfer des Orgateams. Zur Belohnung erschallt „Widerstand“ auf dem Wiener Platz.

20:31 Uhr: Siegried Däbritz zählt alle Krisenherde der Welt auf und spricht vom Gefühl der Ohnmacht. Er preist Pegida, spricht über das Patzelt-Buch und spricht über das Fehlen fähiger politischer Köpfe im Land.

20:28 Uhr: Es folgt die obligatorische Abrechnung mit der Bundesregierung, der Chor der Patrioten skandiert pflichtbewusst „Merkel muss weg!“.

20:22 Uhr: Bei einem Zeugenaufruf in der Presse lief etwas schief mit einem Datum - und endlich darf die Menge wieder „Lügenpresse“ skandieren. Dann allerdings bricht der Ton des Livestreams zusammen. Die zuvor von Bachmann mit rund 20 000 Euro deklarierte Technik funktioniert offenbar nicht reibungslos.

20:22 Uhr: Fridolin berichtet von seiner an Rheuma erkrankten Frau und den Zorn über abgelehnte Kuren, während „Asylanten“ im Taxi zum Arzt fahren. Es folgen Ausführungen zu Einbrüchen und Übergriffen.

20:15 Uhr: Trotz einer kleinern Sitzblockade am Starbucks auf der Prager Straße verlief der „Spaziergang“ ohne Zwischenfälle und nach dem wiederholten Abspielen der Hymne schimpft Lutz Bachmann auf die „Schreikinder“. Dann begrüßt er Fridolin, die nächste Stimme des Volkes.

19:25 Uhr: Pegida „spaziert“ jetzt. Diesmal geht der Fahnenlauf über Prager Straße, was Geschäftsleute und Passanten gewiss freut.

19:23 Uhr: Bevor Bachmann zum Aufbruch ruft, beichtet er die „GEZ-Panne“: 8 000 der bisher gesammelten Unterschriften seien ungültig, weil das Orgateam vor Oktober 2015 beim Kleingedruckten etwas vergessen hätte. Schuld daran sei aber eine Gesetzesänderung.

19:20 Uhr: Die Merz’sche Hoffnung: Merkel wird als UN-Chefin weggelobt - aber wer kommt dann? „Flinten-Uschi“. Und an Bundespräsident Gauck gerichtet: Die Bundeswehr auflösen und dafür die Bundespolizei aufrüsten.

19:15 Uhr: Engelbert Merz steht mal wieder am Mikro und schmeichelt den Dresdnern mit dem Prädikat „mündige Bürger statt Sklaven“. Großer Applaus. Merz trauert auch um die Arbeitslosen in Europa und spricht sich gegen die Zuwendungen für Flüchtlinge und Asylsuchende aus.

19:05 Uhr: Deeskalation sei das Gebot der Stunde - Nato raus aus der Ukraine fordert Dieter und wendet sich an die Bürger und ruft: „Reiht Euch ein, wehrt Euch!“ . Er bedankt sich für die Geduld.

19:05 Uhr: Nach seinem verbalen Rundumschlag kündigt Bachmann den Gastredner Jürgen an, der aber Dieter heißt. Der Mann am Mikro erklärt seinem Publikum die Rüstungsausgaben der Welt, referiert zu diversen Bedrohungslagen und kennt sich echt aus auf dem internationalen Parkett. Die Bösen: die Nato. Die Guten: Russland und China.

18:59 Uhr: Bachmann verliert allmählich die Contenance und schimpft. Im Verrats-Wahn der Pedigisten taucht offenbar ein Plakat auf, das die Frage stellt: Bachmann ein V-Mann? „Ich bin ein Vertrauensmann, du A.....“ wettert der Pegida-Erfinder und bittet den Plakatträger auf die Bühne.

18:55 Uhr: Lutz Bachmann stellt für sich und sein Orgateam die Vertrauensfrage: Hand hoch - Weitermachen. Hand runter - Abwahl. Ziemlich deutliches Votum pro Bachmann.

18:50 Uhr: Lutz Bachmann verzichtet auf seine Rede und reagiert gereizt auf die Vorwürfe vonseiten der „Festung Europa“: Beim Kassensturz zählt er Investitionen auf und wettert gegen die Persona non grata. So kostete die Bohse-Technik in Summe rund 20 000 Euro, die Geburtstagsfeier bezifferte er mit 12 000 Euro und mindestens ebenso viel habe wohl auch der Besuch von Geert Wilders gekostet. 5 500 Euro erhielten die elf Opfer der angezündeten Autos, die Komponisten der Hymne kassierten 2 000 Euro, Tierheim und Obdachlose bekamen zusammen knapp 8 000 Euro und der monatliche Aufwand liege bei 700 Euro, schloss Bachmann. Über die Höhe der Einnahmen und die Zahl der Spender schwieg er jedoch.

18:43 Uhr: Hymne-Summen und „Dresden zeigt wie es geht“: Die Pegida-Kundgebung hat begonnen.

18:25 Uhr: Rund 15 Nope-Demonstranten stehen mit ihrem Banner von der Polizei bewacht bei Sarrasani am Hauptbahnhof. Sie winken Passanten zu und laden ein zum Mitdemonstrieren, doch bisher bleibt die Resonanz aus. Die Pegida-Hotline läuft, die Stimme vom Band lädt alle Patrioten zum Wiener Platz.

18:25 Uhr: Langsam füllt es sich bei Pegida. Lutz Bachmann und Siegfried Däbritz wurden bereits gesichtet. Mehrere Hundert „Spaziergänger“ stehen am Lautsprecherwagen, die Senioren sind dabei deutlich in der Überzahl. Mit Durchhalteparolen sprechen sich die Teilnehmer gegenseitig Mut zu: „Es geht nur um die Sache“.

18:18 Uhr: Auch am zweiten Gegendemo-Treff hinter der Centrum-Galerie zeigen sich noch kein Nope-Aktiven, dafür etliche Mannschaftswagen der Polizei. Nope rekrutiert sich aus den einstigen Gepida-Demonstranten. Am Hauptbahnhof sammeln sich die ersten Pedigisten.

18:10 Uhr: Acht Mannschaftswagen der Polizei warten am Rathaus auf die Teilnehmer der Nope-Kundgebung. Die beiden ersten Kandidaten haben den Schauplatz jedoch schon wieder gen Hauptbahnhof verlassen.

So berichteten wir bis Montag, 18 Uhr:

Was lange gärt, wird endlich Wut. Edwin Wagensveld hatte im Anschluss an die Bilderberg-Konferenz seinen Zorn über das Orgateam von Pegida wortstark zum Ausdruck gebracht und damit eine Lawine ausgelöst.

Sympathisanten der von Pegida verbannten Tatjana Festerling schimpften auf Lutz Bachmann und Co., die Pegidianer der ersten Stunden wetterten zurück und veröffentlichten ihrerseits ein Pamphlet auf Facebook. Darin reichten sie Wagensveld die Hand - aber nur ihm, nicht seiner Festungs-Vertrauten.

Jeder unterstellte jedem eine Form von Verrat und eine Beschädigung der vermeintlichen Bewegung, auch von Unterschlagung und organisatorischem Schlendrian war die Rede: Festerling kritisierte die Buchhaltung des ehemals verbündeten Vereins und Siegfried Däbritz drohte daraufhin gleich mit einer Anzeige.

Weitere Indizien für die wankende Pegida-Führung lieferten am vergangenen Montag sowohl die Abstinenz jeglicher Gastredner sowie das Fernbleiben von Ramona, der Nationalhymnen-Beauftragten des Vereins. So sang Siegfried Däbritz die ersten Takte des Deutschlandliedes - und wohl niemand sehnt heute eine Wiederholung herbei.

Wenn sich Pegida um 18.30 Uhr wieder auf dem Wiener Platz trifft, gehen auch diverse Gegenveranstaltungen in der Innenstadt über die Bühne: An drei Stellen haben die Veranstalter namens „Dezentral“ ihre Kundgebungen angemeldet und erklären noch einmal im Facebook-Post, dass es sich dabei eben um keine Demonstrationen handle. (szo)