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Autozulieferer erweitert Produktion

In Rauschwitz werden künftig Autoteile in Großserie gefertigt. Dafür brauchen das Unternehmen Personal. Besser heute als morgen.

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© René Plaul

Manuela Reuß

Rauschwitz. Rums. Kontinuierlich saust die 2 000-Tonnen-Presse nach unten. Scheinbar mühelos stanzt sie Löcher in millimeterdickes Metall und spuckt am Ende fertige Teile aus. Kaltumformung nennt man diese Art der Bearbeitung. Bei der Linde und Wiemann Stanztechnik in Rauschwitz ein übliches Produktionsverfahren.

Um eine 112 mal 100 Meter große Produktionshalle erweitert Linde und Wiemann in Rauschwitz derzeit die Produktion. Auf der Baustelle ist davon momentan noch nicht viel zu sehen. Doch auf dem Papier hat sie bereits Gestalt angenommen.
Um eine 112 mal 100 Meter große Produktionshalle erweitert Linde und Wiemann in Rauschwitz derzeit die Produktion. Auf der Baustelle ist davon momentan noch nicht viel zu sehen. Doch auf dem Papier hat sie bereits Gestalt angenommen. © Planungsteam Freital

Doch jetzt will der Automobilzulieferer neue Wege gehen. Mit einer im eigenen Haus entwickelten Technologie: Warmumformen von Rohren. In der Fachsprache heißt das Form Blow Hardening. Bisher produziert man nach diesem Linde und Wiemann-Patent nur im Stammhaus in Dillenburg. In Kleinserie. Nun sollen in Rauschwitz Karosserieteile in Großserie gefertigt werden. Für einen führenden amerikanischen Autohersteller. „Es ist geplant, den gesamten europäischen Markt abzudecken“, erklärt Werksleiter Frank Berthold.

Die mächtigen Stanzautomaten, die bei Linde und Wiemann in der Fertigungshalle stehen, sind dafür allerdings nicht geeignet. Neue, moderne Technik wird gebraucht. Deshalb erweitern die Rauschwitzer jetzt die Produktion um eine 12 000 Quadratmeter große Halle. Das dafür benötigte Areal auf dem Feld neben der Bischofswerdaer Straße ist bereits eingezäunt. Dort, wo künftig die neue Anlieferungsstraße entstehen wird, hat der Bagger bereits eine Schneise ins Gelände gezogen.

Besseres Crash-Verhalten

Eine zweistellige Millionensumme investiert der Rauschwitzer Automobilzulieferer in den Bau dieser neuen Halle. In ihr werden aus Stahlrohren sogenannte A-Säulen für Autos gefertigt. Sogar ganz spezielle. Denn die Säulen, die das Rauschwitzer Werk künftig verlassen, basieren auf einer Rohrkonstruktion und nicht wie bisher auf einer aufwendigen, geschweißten Einzelteil-Konstruktion.

Um die Stahlrohre in die gewünschte Form zu bringen, werden sie auf über 900 Grad Celsius erhitzt, verrät der Werksleiter. „Danach wird Pressluft reingeblasen und so die Formgebung erzeugt.“ Zum Schluss werden die Teile mit Wasser abgekühlt und dadurch gehärtet. „So hergestellte Karosserieteile haben durch ihre Steifigkeit nicht nur ein wesentlich besseres Crash-Verhalten.“ Durch diese Fertigung spare man am Auto gut drei Kilo Gewicht. „Das macht schon einiges aus,“ weiß Frank Berthold, der seit August vorigen Jahres die Rauschwitzer Firma leitet. Der gelernte Karosseriefacharbeiter und studierte Diplomingenieur für Maschinenbau weiß, wovon er spricht. Immerhin ist er bereits seit über 30 Jahren in der Automobil-Branche tätig.

Ende des Jahres wird die neue Halle stehen. Das dafür benötigte Gelände vor den Toren des Betriebes erwarben die Rauschwitzer bereits in den 90er Jahren. Quasi als strategische Reserve. Nun wird es gebraucht. Im April nächsten Jahres soll die Produktion starten. Zunächst mit der sogenannten Nullserie. Anfang 2018 läuft dann die Serienproduktion an. 370 000 Satz A-Säulen – also je eine rechte und eine linke – werden dann jährlich vom Band laufen. Aber auch andere Bauteile fertigt der Zulieferer dort künftig.

Straße direkt ins Werk

Die Zufahrt zum neuen Produktionsstandort erfolgt von der Bischofswerdaer Straße aus. Über eine Straße, die Vorbeifahrende bereits jetzt erahnen. Sie führt direkt ins Werk – in eine Versandschleuse. Dort werden die Lkw hinter geschlossenen Toren ent- beziehungsweise beladen. „Das ist eine Auflage zum Schallschutz“, so Frank Berthold. „Um sicherzustellen, dass in der benachbarten Wohnbebauung lediglich 36 Dezibel ankommen“

Auch Lkw-Parkplätze sollen entstehen. Davon gebe es derzeit bei Linde und Wiemann zu wenige, kritisierte der Rauschwitzer Ortsvorsteher und Stadtrat Andreas Petzold in der jüngsten Ratssitzung. „Wir haben auch einen Puffer eingeplant. Trotzdem kann es auch mal vorkommen, dass es eng wird“, erklärt der Werksleiter. Immerhin dürfe – ebenfalls wegen des Schallschutzes – nur von 6 bis 22 Uhr geliefert und abgefahren werden.

Fachpersonal nötig

Eine Herausforderung sieht Frank Berthold jedoch darin, qualifizierte Mitarbeiter zu finden. Die Produktion im neuen Werk werde weitestgehend automatisch erfolgen. Da muss niemand mehr Stahl oder Blech in Maschinen einlegen, so wie es zum großen Teil in der bisherigen Fertigung der Fall ist. „Solche Lohnarbeit ist in Deutschland nicht mehr wettbewebsfähig. Schon gar nicht so dicht an der tschechischen Grenze.“ Linde und Wiemann brauche für seine neue Produktion „Fachpersonal aller Couleur“: Mechatroniker, Elektroniker, Industriemechaniker, Instandhalter. Zwar bildet der Betrieb auch selbst aus – derzeit sieben Lehrlinge – doch das reiche nicht. Deshalb rühren die Rauschwitzer die Werbetrommel. „Wir würden uns aber auch über Initiativ-Bewerbungen freuen.“ Noch in diesem Jahr wolle man mit dem Einstellen beginnen.  Etwa 30 Arbeitsplätze sind zunächst  zu besetzen, später möglicherweise noch mehr. „Wir fangen erst einmal mit  einem kleinen Maschinenpark an.“ Der soll aber weiter ausgebaut werden. Immerhin sieht Frank Berthold im Warmumformen eine Zukunftstechnologie. „Damit lassen sich Geometrien und Toleranzen herstellen, die mit Kaltumformen nicht möglich sind.“ Das mache den Nachteil längerer Taktzeiten allemal wett.

198 Mitarbeiter sind derzeit in Rauschwitz in drei Schichten Lohn und Brot. Knapp 3 000 Menschen beschäftigt Linde und Wiemann insgesamt – in 19 Werken auf allen Kontinenten, außer Australien und Südamerika. Rauschwitz ist neben dem Stammwerk in Dillenburg der zweitgrößte Standort des Automobilzulieferers.