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Ausverkauf im „Teeladen“

Bei Familie Thomas in Neukirch gibt’s die tausend kleinen Dinge. Bald schließen sie ihr Geschäft aus Altersgründen.

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© Steffen Unger

Von Ingolf Reinsch

Neukirch. Das Vierteljahrhundert haben Adelheid und Rudolf Thomas noch vollgemacht. Aus Anlass ihres 25-jährigen Geschäftsjubiläums geben sie ihren Kunden 25 Prozent Rabatt auf alles, ausgenommen Honig. Den haben sie von einem Imker in Kommission genommen.

Die 25 Prozent sind nicht nur der Jubiläumsrabatt. Der Preisnachlass soll auch dem Ausverkauf einen Schub geben. Alles, was sich in dem kleinen, gut sortierten Geschäft am Neukircher Grünweg befindet, soll raus. Spätestens Ende Oktober wollen die Eheleute ihr Geschäft schließen. „Vielleicht auch schon etwas eher. Das hängt vom Ausverkauf ab“, sagt Rudolf Thomas. Neue Ware haben sie schon seit Wochen nicht mehr geordert. Abgesehen vom Oberlausitz-Kalender fürs Jahr 2017. Auch den verkaufen sie in Kommission.

Adelheid und Rudolf Thomas geben ihr Geschäft aus Altersgründen auf. Er ist 69, sie 68 Jahre alt. Einen Nachfolger für das Geschäft gibt es nicht. In den vergangenen Jahren führten sie den Laden im eigenen Haus bereits als „Zubrot zur Rente“, wie sie es nennen. Um vom Geschäft eine Familie zu ernähren, hätten die Erträge in den vergangenen Jahren schon nicht mehr ausgereicht. Die Kaufkraft ist schwächer geworden, stellen sie fest. Zudem spüren es kleine Fachgeschäfte besonders, wenn Supermärkte und Discounter immer mehr Industriewaren anbieten. „Wir können nicht zu den gleichen Preisen einkaufen wie die großen Ketten, weil wir viel kleinere Mengen beziehen“, sagt Adelheid Thomas.

Einer muss immer da sein

Alle Waren im Geschäft sind von den Eheleuten bezahlt. „Schulden haben wir keine“, sagt Rudolf Thomas. Doch das Geschäft bindet. Denn einer von beiden muss ständig da sein, wenn Kunden kommen. „Wir haben in den vergangenen Jahren wegen des Geschäftes auf Vieles verzichtet“, sagt Adelheid Thomas. Fortan wollen sie den Ruhestand genießen – und vor allem reisen, solange sie fit sind. Die Dolomiten und Franzensbad in Nordböhmen sind ihre ersten Reiseziele, wenn sie durch ihre Verpflichtungen im Geschäft nicht mehr gebunden sind. Und die Insel Rügen, von wo Adelheid Thomas stammt. Beide sind Seiteneinsteiger im Handel. Rudolf Thomas ist Lebensmittelingenieur, seine Frau Ingenieurökonomin.

Als er zu Beginn der 90er-Jahre arbeitslos wurde, richtete er in seinem Haus am Grünweg ein Haushaltswarengeschäft ein. Damals für ihn eine Chance, zumal das Haushaltswarengeschäft der staatlichen Handelsorganisation (HO) gleich um die Ecke gerade zugemacht hatte. In den 90er-Jahren florierte das Geschäft, sodass die Eheleute im Hofgericht zeitweilig sogar einen zweiten Laden führten. Der Mietvertrag endete nach sechs Jahren. Familie Thomas verlängerte ihn nicht, sondern beschränkte sich fortan auf ihren Laden am Grünweg.

Dort ist er vielen ein Begriff. Nicht nur in Neukirch, auch in Wilthen, Bischofswerda und sogar Bautzen gibt es Stammkunden. Sie wissen nicht nur das Angebot und die gute Beratung zu schätzen. Rudolf und Adelheid Thomas machten auch vieles möglich, um besondere Kundenwünsche zu erfüllen. Viele bedauern es, dass das Geschäft schließt. Aber sie haben auch Verständnis für die Entscheidung der Eheleute.

Spezialität von der Insel Rügen

Verkauft werden auf rund 40 Quadratmetern Haushaltswaren, wie zum Beispiel Tassen, Teller, komplette Services, Gläser und Töpfe, elektrische Haushaltsgeräte, Geschenke und Kunstgewerbe. Darüber hinaus ist Thomas‘ Laden seit Ende der 90er- Jahre ein Teefachgeschäft. Eine Spezialität des Hauses sind außerdem Sanddornerzeugnisse, wie Bonbons, Schokoladen und Seifen. Adelheid Thomas bezieht sie von „ihrer“ Insel Rügen. Auch sonst setzten die beiden Geschäftsleute in all den Jahren auf Gediegenes. Auf Räucherkerzen aus Crottendorf zum Beispiel, und auf erzgebirgische Schnitzereien aus der Werkstatt Hubrig, die für die hübschen, lachenden Gesichter ihrer Figuren bekannt sind und vor allem von Sammlern geschätzt werden.

Mit dem Geschäft endet eine Neukircher Tradition. Der Laden war Teil eines 1871 gegründeten Betriebes, in dem unter anderem Sauerkraut und eingelegte Gurken hergestellt werden. Schnell hatte das Gemüsegeschäft bei den Neukirchern seinen Namen weg: „Gurken-Thomas“. Bis zur Verstaatlichung 1972 gab es diesen Betrieb. Eine Tante von Rudolf Thomas führte das Gemüsegeschäft anschließend weiter.

Möglicherweise bleibt das Angebot für den stilvollen Teegenuss den Neukirchern erhalten. Es gibt eine Interessentin, die ihr Geschäft eventuell um diesen Bereich erweitern möchte, sagt Adelheid Thomas. Sie würde es freuen. Und sie bietet für diesen Fall schon jetzt ihre Unterstützung an.

Das Geschäft am Grünweg ist montags bis freitags von 9 bis 18 Uhr geöffnet. Sonnabends geschlossen.