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Ausverkauf im Sport-Geschäft

Der Inhaber von Sport-Steinchen spricht über seine Probleme mit Amazon, den Riesapark und die Hauptstraße.

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© Sebastian Schultz

Von Christoph Scharf

Riesa. Fußballschuhe, Skijacken, Fahrradhelme – noch gibt es alles bei Sport-Steinchen im Riesapark. Obwohl schon seit November der Ausverkauf läuft. Wie das? „Wir bekommen immer noch Ware von Amazon zurückgesendet“, sagt Lutz Steinchen. Der Riesaer hatte sein Geschäft 1993 gegründet. „Nächstes Jahr wäre es 25 Jahre geworden“, sagt der Unternehmer. So weit wird es nicht kommen: Vorher macht der Laden dicht. Und das hat mit dem Internethandel zu tun – obwohl der dafür sorgt, dass die Regale trotz des Ausverkaufs immer wieder neu gefüllt werden.

Wie das? „Wir haben noch Ware im Wert von zigtausend Euro in den Lagern von Amazon liegen“, sagt der 62-Jährige. Schon 2011 sei Sport-Steinchen im Online-Handel eingestiegen. „Alle haben damals gesagt: gehe online – oder werde abgehängt.“ Allerdings erreiche man mit einem eigenen Internet-Auftritt kaum große Kundenzahlen – wenn man nicht viel Geld in Werbung investiert. Die Lösung schien es zu sein, seine Ware über den Internet-Riesen Amazon zu verkaufen: Der Fachhändler kauft beispielsweise hundert Paar Fußballschuhe und lagert sie bei Amazon ein. Den Versand übernimmt das börsennotierte US-Unternehmen – und streicht dafür Provision ein. Was nicht verkauft wird, geht zurück an den Händler – in diesem Fall Sport-Steinchen. „Mit diesem Modell ist Amazon dank vieler kleiner Händler groß geworden“, sagt Lutz Steinchen.

Für ihn selbst allerdings habe sich das auf Dauer nicht gerechnet – die Margen in der Branche seien zu gering, um auf Dauer alle Kosten – von den Löhnen über die Mieten, Versicherungen und Heizkosten – zu decken. Zumal der Online-Handel gleichzeitig das Geschäft der ortsansässigen Händler untergrabe. „Dazu kommt, dass wir im Riesapark nur eine B-Lage haben, versteckt am Rondell“, sagt der Riesaer. Anfang der Neunziger war das anders: Da eröffnete Steinchen sein Sportgeschäft vorn an der Passage, gegenüber von Rossmann. „Was gab es damals noch für Pläne“, erinnert sich der Geschäftsinhaber. „Der damalige Besitzer des Riesaparks wollte jenseits des Parkplatzes noch ein Hotel, eine Aqualandschaft und ein Ärztehaus bauen.“

Auch wenn diese Immobilienträume nie verwirklicht wurden – das Geschäft im Riesapark funktionierte anfangs. Bald reichte der Platz an der Passage nicht mehr aus. Eine größere Fläche war damals allerdings nur hinten am Rondell frei – da, wo jetzt der Ausverkauf läuft. Nach mehreren Erweiterungen auf Kosten der Nachbargeschäfte hat Sport-Steinchen dort jetzt 600 Quadratmeter zur Verfügung. Die werden voraussichtlich ab März leer stehen. „Eigentlich wollten wir Ende Januar schließen. Aber wir bekommen so viel Ware von Amazon zurück, dass wir bis Ende Februar auf bleiben müssen“, sagt der Unternehmer. Er selbst wird sich künftig verstärkt auf sein Geschäftsfeld Immobilien konzentrieren können. Besonders viel zu tun hat er derzeit mit der Sanierung des Volkshauses. Die Sportgeschäft-Mitarbeiter, einige wurden schon entlassen, der Rest folgt noch, werden bei der derzeitigen Fachkräftesuche wohl neue Stellen finden, ist der Riesaer überzeugt.

Für den lokalen Handel allerdings sieht er schwarz. „Laut Intersport machen dieses Jahr in Deutschland allein 400 Sportgeschäfte dicht, die meisten werden Schulden hinterlassen“, sagt Steinchen. In Riesa komme noch das Problem der sinkenden Einwohnerzahlen dazu – und die Tatsache, dass vielen das Geld nicht so locker in der Tasche sitzt. „In Berlin können Sie problemlos Schuhe für 300 Euro das Paar verkaufen. Hier ist das für die meisten deutlich zu teuer.“ In Riesa blieben die Kunden mit wenig Geld. Und deren Umsatz nimmt der Internethandel weg. „Ich fürchte, dass unsere Städte nach und nach zu Schlafstädten werden.“ Wenn immer mehr Schaufenster leer stehen: Wo solle man dann noch spazieren oder flanieren gehen?

„Die Politik müsste darüber nachdenken, ob sie nicht auch Händler subventioniert, die gerade so am Minimum wirtschaften“, sagt Steinchen. Ohnehin subventioniere man schon so viel – warum nicht auch die Attraktivität der Innenstadt? „In Florida habe ich gesehen, wie Städte ohne Geschäfte aussehen: gruselig!“ Manch Händler überlebe nur, weil er sich selber keinen Mindestlohn zahle und den ganzen Tag von 9 bis 19 Uhr im Geschäft stehe. „Was ist das für ein Leben?“

Der Riesapark dagegen werde sich aus seiner Sicht Stück für Stück weiter zu einem Fachmarktzentrum entwickeln – geprägt durch große Anbieter, wie Baumarkt, Real, Kress. Das habe auch seine Berechtigung, weil es auch aufs Umland ausstrahle. Zudem biete der Riesapark konstant rund 400 Arbeitsplätze. Wenn Sport-Steinchen schließt, werden es einige weniger sein. „Aber bis Ende Februar bieten wir für unsere Kunden noch den kompletten Winterservice rund um Ski und Schlittschuhe an“, sagt der Inhaber. Auch für die Riesaer Innenstadt hat er einen Vorschlag: Der Handel an der Hauptstraße solle sich, so weit möglich, am Ende Richtung Puschkinplatz/Elbgalerie konzentrieren. Den Teil Richtung Rathaus sollte man als Fußgängerzone aufgeben und wieder für den Verkehr freimachen – damit Versorger wie Fleischer oder Bäcker wieder per Auto zu erreichen seien. „Die ganze Hauptstraße ist als Einkaufsmeile einfach viel zu lang.“