Von Maik Brückner

Glashütte. Vorsichtig nimmt Reinhard Seeger die Uhr vom Podest und begutachtet sie. Er dreht sie, schaut sich die Rückseite an. Dann legt er sie zurück, nimmt sich die Nächste. Reinhard Seeger kann sich nicht entscheiden, eine Uhr der Firma C.H. Wolf zu kaufen, obwohl alle zur Hälfte des ursprünglichen Preises angeboten werden.

Reinhard Seeger ist nicht der Einzige, der sich 11 Uhr in der Betriebsstätte eingefunden hat. Neben ihm steht ein Pärchen, das sich auch mehrere Uhren anschaut. Beide fotografieren die Zeitmesser mit ihrem Smartphone, um anschließend die Fotos zu versenden. Dann warten sie auf einen Rückruf. Sie greifen wieder nach Uhren. Einen Zeitmesser zu kaufen, scheint nicht einfach zu sein, zumal die Auswahl breit ist. 32 Uhrenmodelle und -varianten liegen im Vorraum der Betriebsstätte aus. Die einstigen Produktionsräume sind nicht zugänglich. Durch die großen Fenster kann man aber einen Blick auf die Uhrmachertische werfen, die seit Ende Februar unbesetzt sind. Bis dahin führte Jürgen Werner hier die Geschäfte. Heute steht er im Vorraum vor dem Verkaufstresen und kümmert sich um das Pärchen, das sich für die Uhren interessiert. Auf Nachfrage erklärt er die Vorzüge und die Besonderheiten jedes Modells. Und das tut er sehr freundlich. Er ist gut gelaunt. Das erwartet man eigentlich nicht. Schließlich ist seine Firma pleite.

Das Insolvenzgericht Dresden setzte Helgi Heumann als Insolvenzverwalter ein und entmachtete ihn de facto. Heumann war es auch, der angeordnet hat, dass die Restbestände der Uhrenfirma C.H. Wolf für Sonderpreise verkauft werden. Seit Mitte März werden alle 420 fertig montierten Uhren in der Onlineboutique zum halben Preis verkauft. Darunter sind auch Exemplare der Eric-Frenzel-Uhr, die zum Neustart der Firma unter den Namen Wolf vorgestellt wurden. Damals kostete die Uhr, die dem Olympiasieger von Sotschi gewidmet war, stolze 3 700 Euro. Im Internet ist sie nun für 1 875 Euro zu haben. Das Modell Bootsmann, welches ein Zifferblatt aus Holz- und Kunststoff besitzt, gibt es im Netz für 2475 Euro statt 4950 Euro. Die neu festgesetzten Preise hält Heumann für angemessen. „Wir haben den Markt beobachtet“, sagte Heumann zur Eröffnung des Sonderverkaufs im Netz. Bei einigen Modellen hat es funktioniert. Eric-Frenzel-Uhren gab es beim Sonderverkauf nicht mehr.

In der ersten Woche nach der Eröffnung der Online-Angebote haben 15 Wolf-Uhren neue Besitzer gefunden, in der zweiten Woche seien es 20 gewesen, sagt Heumann. Wer zum Sonderverkaufstag am Dienstag nach Ostern nun noch weitere Abschläge erwartet hat, wurde enttäuscht. Nur bei den Uhren des Modells Pilot Special gewährt Jürgen Werner in Absprache mit Helgi Heumann einen weiteren Nachlass. Diese Uhren gibt es statt für 999 Euro für 750 Euro. Am Ende des Tages wird Jürgen Werner 20 Uhren verkauft haben.

Bis Ende März werden die restlichen Uhren weiter über die Internetboutique verkauft. Die Zeitmesser, die dann übrigbleiben, wird ein Juwelier aus München kaufen und weiter verkaufen. „Sie werden nicht verramscht“, sagt Heumann. Reinhard Seeger hat indes einen Beschluss gefasst. Er wird jetzt keine Uhr von der Firma Wolf kaufen. „Ich gehe mal zu den anderen Firmen schauen“, sagt er. Es kann sein, dass er am Nachmittag wiederkommt. Vielleicht. Der Berliner scheint fest entschlossen zu sein, mit einer weiteren Uhr aus Glashütte nach Hause zu fahren.

Bisher besitzt er eine vom Uhrenatelier Bruno Söhnle. Die soll nun Gesellschaft bekommen. „Bis zu 3 000 Euro darf sie kosten,“ sagt der Berliner, der zu einem dreitägigen Besuch nach Freital gekommen ist. Der Ausflug nach Glashütte war fest eingeplant. „Ich interessiere mich seit einem halben Jahr für Uhren aus Glashütte.“ Die Uhren der Firma Wolf gefallen ihm. Doch er hält sie für überteuert.