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Ausstellung zum Sudetenland

Eine gefragte Wanderschau aus Tschechien macht Station im Schloss Lauenstein. Organisiert hat sie ein Bufdi.

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© Frank Baldauf

Von Maik Brückner

Lauenstein. Mit dem Thema Vertreibung beschäftigt sich der Glashütter Borges Neubauer schon seit vielen Jahren. Nun ist es dem 54-Jährigen gelungen, eine interessante Ausstellung dazu ins Müglitztal zu holen. Ihr Titel: „Das verschwundene Sudetenland“. Gezeigt wird sie im Osterzgebirgsmuseum Lauenstein. „Es war nicht einfach, sie zu bekommen“, sagt er, der im Museum einen Bundesfreiwilligendienst (Bufdi) ableistet. Die Ausstellung, die der Prager Verein Antikomplex konzipiert hat, sei sehr gefragt. Deshalb ist sie in Lauenstein jetzt im Winter und nur bis Ende Februar zu sehen.

Dieses Kruzifix gab ein Flüchtling aus dem Sudetenland in Geising ab.
Dieses Kruzifix gab ein Flüchtling aus dem Sudetenland in Geising ab. © Frank Baldauf
Die Habseligkeiten wurden mit solchen Kisten mitgenommen.
Die Habseligkeiten wurden mit solchen Kisten mitgenommen. © Frank Baldauf

Die Ausstellung besteht aus Stellwänden, auf denen der Verein die verschiedenen Regionen des früheren Sudetenlandes in Wort und Bild vorstellt. Anhand ausgewählter Beispiele wird gezeigt, wie sich die Landschaft nach der Vertreibung der Deutschen entwickelt hat. Exemplarisch wird das an ausgewählten Orten dargestellt. Hier werden historische Fotos aktuellen gegenübergestellt. Die Veränderungen sind gut sichtbar. Höfe, Dörfer, Schlösser wurden abgerissen. Oft erinnert nichts mehr an die frühere Bevölkerung. An anderen Stellen wurden Gebäude weitergenutzt, umgebaut oder saniert. Neubauer findet die Ausstellung gelungen. Er hofft, dass sich viele die Dokumentation anschauen, um sich über die Entwicklung nach dem Zweiten Weltkrieg zu informieren.

Der Glashütter kam eher zufällig zum Thema. Als Jugendlicher wunderte er sich, dass seine Mutter Post von einer früheren Haushälterin aus dem heutigen Polen bekam. Er ließ sich die Geschichte erzählen, erfuhr, dass seine Großmutter aus Böhmisch-Zinnwald stammt und der Liebe wegen ins damals deutsche Oberschlesien einheiratete. Sie und seine 1944 geborene Mutter flüchteten dann vor der heranrückenden Roten Armee zu Verwandten nach Zinnwald. Dann wurde Oberschlesien polnisch, die Familie kehrte nie wieder zurück. Durch die Erzählungen war Neubauer neugierig geworden. Er besuchte die frühere Haushälterin – mehrmals. „Daraus ist eine tolle Freundschaft entstanden“, sagt er.

Geschichten gesammelt

Diese Begegnungen führten dazu, dass er sich mit den Vertreibungen näher befasste, vor allen mit denen aus dem Sudetenland. Nach der Niederlage im Zweiten Weltkrieg, den die Deutschen angezettelt hatten, hätten viele Sudetendeutsche geahnt, dass sie ihre Heimat für immer verlassen müssen, sagt Neubauer, der einige Sudetendeutsche besucht hat, um sich ihre Geschichte erzählen zu lassen. Wie hart die Vertreibung war, dokumentieren Stücke, die Neubauer von den Besuchen mitgebracht hat und die in der Ausstellung zu sehen sind. Dazu gehört eine Truhe, die sich viele Sudentendeutsche nach der ersten Vertreibungswelle angelegt hatten. Dort wurde vorsorglich alles Wichtige verstaut, was man unbedingt mitnehmen wollte. Wenn es dann zur Vertreibung kam, versuchten die Leute mit Leiterwagen so viel wie möglich mitzunehmen. Manch einem war auch das Kruzifix wichtig.

Eines wurde dem damaligen Geisinger Pfarrer Helmut Petzold anvertraut. Eine verzweifelte Frau übergab es ihm, weil sie es nicht mehr tragen konnte. Dann verschwand sie – das Kruzifix blieb in Geising. Die Kleinstadt war nach 1945 die erste Station für viele Sudetendeutsche – und mit der Situation überfordert, wie Dokumente belegen, die Borges Neubauer auch zeigt. In einem „Merkblatt für Ausgewiesene aus der CSR“ ist zu lesen, dass sich Vertriebene „im Höchstfall nur 24 Stunden“ in Geising aufhalten dürfen, da die Stadt „über keinerlei Nahrungsmittel“ verfügt. Deshalb wurden die Vertriebenen aufgefordert, in „dünn besiedelte Gebiete“ zu reisen, wie zum Beispiel nach Mecklenburg und Brandenburg.

Die Vertreibungen belasteten über viele Jahre das Verhältnis zwischen Deutschen und Tschechen, weiß der Glashütter. Doch inzwischen haben viele sich mit den Tatsachen abgefunden. „Es hat sich Normalität eingestellt.“ In Oberwiesenthal und im tschechischen Nachbarort Loucna pod Klinovcem (Böhmisch Wiesenthal) sei es gang und gäbe, dass in den Schaukästen Aushänge auf Deutsch und Tschechisch veröffentlicht werden, sagt Neubauer. Das sei ein guter Ansatz. Die Ausstellung soll einen Beitrag leisten, damit das Verhältnis auch an anderer Stelle unverkrampfter wird.