SZ +
Merken

Auslandseinsatz gegen böse Buben

Der Berggießhübeler Oberkommissar Marco Haufe hat auf dem Balkan mehrmals organisierte Verbrecher geschnappt.

Teilen
Folgen
NEU!
© Norbert Millauer

Von Jörg Stock

Berggießhübel. Nur ein Detail, eine kleine Auffälligkeit, und schon ist es da, das Bauchgefühl des Polizeibeamten: Hier könnte was nicht stimmen. Es ist ein ganz normaler Tag an der kroatisch-serbischen Grenze, als der Bundespolizist Marco Haufe eben dieses Bauchgefühl verspürt. Die beiden Passagiere eines VW Caddy erzählen ihm, sie kämen aus Bulgarien, hätten sich Sofia angeschaut. Aber wieso sind ukrainische Kontrollstempel in ihren Pässen? Und warum hat das Auto am Unterboden einen zusätzlichen Benzintank? Haufes kroatische Kollegen filzen den Wagen: Unter dem Kofferraumteppich, dort, wo der Tank eigentlich sein sollte, entdecken sie 140 Kilo Heroin. Marktwert: etwa acht Millionen Euro.

Der 31-jährige Oberkommissar Marco Haufe ist ein markanter Mann. Wenn er durch das Inspektionsgebäude der Bundespolizei in Berggießhübel geht oder durch die Dienststelle in Breitenau, muss er häufig den Kopf einziehen, denn er misst beinahe zwei Meter. Speziell ist Oberkommissar Haufe auch aus einem anderen Grund: Er ist ein „Gua“. Nur eine Handvoll Beamte in der Einheit haben die Qualifikation mit dem kryptischen Kürzel, das ausgesprochen „Grenzpolizeilicher Unterstützungsbeamter Ausland“ lautet.

Auslandseinsätze mit Erfolg

Auf Anforderung der Europäischen Union setzt die deutsche Bundespolizei jährlich etwa 150 Guas ein, vor allem an den Außengrenzen Europas. Dort unterstützen die Beamten lokale Polizeikräfte im Kampf gegen organisierte Kriminalität und illegale Einreise. Marco Haufe war bereits viermal im Auslandseinsatz, einmal in Ungarn, einmal in Kroatien und zweimal in Griechenland. Eingesetzt war er aber nicht an den Brennpunkten der Flüchtlingskrise, sondern im normalen Reiseverkehr. Arbeit gab es auch dort stets genug, sagt er. Fast täglich gingen an seinen Kontrollpunkten gesuchte Leute ins Netz.

Marco Haufe wuchs in Dresden auf, ging dort zur Schule. Der Weg zur Bundespolizei war keineswegs vorgezeichnet. Soweit er weiß, ist er der erste Polizist in der Familie. Stets hatte er einen ausgeprägten Gerechtigkeitssinn bei sich beobachtet, zugleich Interesse für Geschichte und jene Momente darin, wo sich Ungerechtes ereignet hatte. Bei der Bundespolizei, so sagte er sich, könnte er mithelfen, dass Leute, die schlimme Sachen tun, damit nicht davonkommen. „Ich wollte es ausprobieren und sehen, wie ich reinwachse.“

Er ist reingewachsen. Die Arbeit macht Spaß, sagt er, und fügt bescheiden an: „Ich hab’ gemerkt, dass ich die eine oder andere Sache ganz gut kann.“ Weil er gern in der Welt herumkommt und neue Kontakte knüpft, bewarb sich Marco Haufe für die Auslandsverwendung. Ein Auswahlverfahren musste er bestehen. Gua kann nicht jeder werden. Man braucht fundierte Rechtskenntnisse, sicheres Englisch, körperliche Fitness und psychische Stärke. In gewisser Weise, sagt der Polizist, ist man in diesem Job auch ein Botschafter seines Landes. „Da wird genau hingeguckt, wen man schickt.“

Große Erwartungen der Auslandskollegen

Bisher war Marco Haufe meist auf dem Balkan eingesetzt, in einem Teil Europas also, wo man den Ordnungshütern gern den Schlendrian nachsagt. Spürte er Misstrauen gegen sich, Ärger über den Deutschen, den mutmaßlichen Aufpasser, der allen zeigt, wie’s geht? Sollte es solche Vorbehalte gegeben haben, dann hat er sie ausgeräumt, denkt Haufe. Er hat seinen Kollegen stets gezeigt, dass er nicht auf dem hohen Ross sitzt, sondern dass er gemeinsam mit ihnen arbeiten will. „Das Vertrauen wächst dann mit der Zeit.“

Statt Ablehnung erlebte Marco Haufe oft große Erwartungen: Der Deutsche weiß alles und kann alles. Ja, er hat öfters helfen können, aber auch nicht immer. „Ich bin ja kein Zauberer.“ Jedenfalls kennt er sich bestens aus im Recht des Schengen-Raums und ist Fachmann für die Aufdeckung von Urkundenfälschung und Fahrzeugschmuggel. Manchmal half es schon, als Deutscher zur Stelle zu sein, etwa an der griechisch-türkischen Grenze, wo viele deutsche Touristen und in Deutschland lebende Türken auf Heimaturlaub aufliefen. Probleme mit den Reisepapieren konnte er in seiner Muttersprache klären und hitzige Gemüter – bei langer Wartezeit und vierzig Grad Wärme nicht selten – schnell besänftigen.

Marco Haufe mag das Klima unter südlicher Sonne. „Ich bin definitiv ein Mittelmeertyp.“ Was die Arbeitsweise in diesen Ländern betrifft, will er keine Klischees bedienen. Alle machen ihre Arbeit, sagt er. Aufgefallen ist ihm, wie wenig Papier in den dortigen Polizeibüros beschrieben wird. Der Erfolg zählt offenkundig mehr als die Sachbearbeitung. Vierzig Aktenblätter für eine einzige Straftat – das habe er bisher nur in Deutschland erlebt.

Drogen den Kampf angesagt

Apropos Deutschland: Was bringt es der Heimat, wenn er fast zweitausend Kilometer weit weg Dienst schiebt? Verbrechen macht nicht mehr an Grenzen halt, sagt Marco Haufe. Wer Kriminelle fassen will, der muss über den Tellerrand schauen und wissen, wie es auf der anderen Seite aussieht. Bei seinem Dienst in Griechenland hat er Autoschieber gefasst, deren Bande in Deutschland und Österreich aktiv war. Er hat Georgier angehalten, die massig Diebesgut aus dem Raum Leipzig an Bord hatten. Und das Heroin in Kroatien sollte ins Ruhrgebiet gehen. „Welchen Schaden hätte es dort angerichtet?“, fragt Haufe. Freilich, den Kampf gegen Drogen kann die Polizei alleine nicht gewinnen. Aber sie kann zeigen, dass sie ihre Hände nicht in den Schoß legt. „Wir resignieren nicht!“

Marco Haufe wird sich wieder für Auslandseinsätze melden. Es drängt ihn nicht danach, aber vielleicht wird er eines Tages doch den Flüchtlingen gegenüberstehen. Und mit welchem Auftrag? Er möchte darüber nicht spekulieren. Er kann sich jedenfalls nicht vorstellen, dass sich Deutschland einmauert. Das wäre nicht nur unrealistisch, sagt er, sondern auch unmenschlich. Was immer sein Dienst von ihm fordern sollte – er wird sein Gewissen dabei nicht ausschalten. Denn an seinem Credo hält er fest: „Ich versuche, etwas Gutes für die Menschen zu tun.“