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Schweiz wirft „schwarze Schafe“ raus

Länger als in Deutschland wurde in der Schweiz über die Ausweisung krimineller Ausländer gestritten. Nun tritt bei den Eidgenossen ein neues Gesetz in Kraft. Fragen und Antworten:

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© dpa

Thomas Burmeister

Bern. Die Poster-Botschaft war so simpel wie einprägsam: Ein weißes Schaf auf der roten Fahne mit dem Schweizer Kreuz befördert ein schwarzes mit einem Tritt über die Grenze. Daneben in großen Lettern: „Kriminelle Ausländer ausschaffen!“ Die Forderung der nationalkonservativen Schweizerischen Volkspartei (SVP) wurde bereits 2010 bei einem Referendum von 52,9 Prozent der Teilnehmer angenommen. Um die konkrete Umsetzung wurde lange gerungen. Doch nun ist es soweit: Am Samstag (1.10.) tritt in der Schweiz ein Gesetz in Kraft, mit dem die Ausweisung straffälliger Ausländer zum Automatismus wird.

Muss künftig jeder verurteilte Ausländer die Schweiz verlassen?

Fahrraddiebe oder Schwarzfahrer müssen die Gerichte auch künftig nicht aus dem Alpenland verbannen, aber bei schwereren Straftaten von Ausländern haben sie kaum noch einen Entscheidungsspielraum. Zwingend ist das bei Verbrechen, für die das Strafgesetzbuch mindestens ein Jahr Haft vorsieht. Bei besonderen Härtefälle sind allerdings Ausnahmen möglich.

Was für Straftaten führen automatisch zur Ausweisungsanordnung?

An erster Stelle nennt das Gesetz Mord und Totschlag sowie weitere schwere Verbrechen, darunter Vergewaltigung und andere Sexualdelikte, Raub und Menschenhandel. Vorgeschrieben sind Ausweisungen auch bei schweren Vermögensdelikten sowie bei Betrug in der Sozialhilfe - etwa der unrechtmäßige Bezug von Leistungen - oder bei Steuerbetrug, sofern auf die jeweiligen Delikte ein Jahr Gefängnis oder mehr stehen.

Gilt die Ausweisung dann lebenslang?

Zunächst gilt sie für mindestens 5, höchstens jedoch 15 Jahre. Im Wiederholungsfall kann sie auf 20 Jahre ausgedehnt und bei besonders schweren Verbrechen auch lebenslang verhängt werden.

Wer also weniger als ein Jahr bekommt oder wegen weniger gravierender Delikten verurteilt wird, darf bleiben?

Nicht unbedingt. Gerichte können bei Freiheitsstrafen von weniger als sechs Monaten von der Ausweisung absehen - sofern es kein deutliches „öffentliches Interesse“ an einer Abschiebung gibt. Bei Freiheitsstrafen von mehr als 6 Monaten bis zu einem Jahr ist dies schon nur noch in Ausnahmefällen möglich.

Wieso konnte die SVP keinen totalen Ausweisungsautomatismus durchsetzen?

Das war Gegenstand einer weiteren SVP-Volksintiative. Mit der sogenannten Durchsetzungsinitiative wollte sie erreichen, dass ihre die ursprüngliche Initiative von 2010 in ein Gesetz ohne Ausnahmen mündet. Dann hätten Richter bei Ausländerkriminalität überhaupt keinen Spielraum mehr gehabt. Die Durchsetzungsinitiative ging den Schweizern aber zu weit. Sie wurde im Februar mit 58,9 Prozent Nein-Stimmen abgelehnt.

Wann können Gerichte von einer eigentlich obligatorischen Ausweisung absehen?

Ausnahmen sind für Ausländer zulässig, die eine „enge Beziehung mit der Schweiz haben“ - also zum Beispiel schon viele Jahre dort leben und arbeiten -, sofern eine Strafe von unter zwölf Monaten beantragt wurde. Zudem können Gerichte bei sogenannten Secondos - in der Schweiz geborene Ausländer, die den größten Teil ihres Lebens dort verbracht haben - von der Ausweisung absehen.

Unabhängig davon gibt es eine Schutzklausel für Flüchtlinge. Hier greift das Asylgesetz. Wenn die Ausweisung eines von der Schweiz anerkannten Flüchtlings dazu führen würde, dass sein Leben - zum Beispiel wegen seiner Rasse, Religion oder politischen Anschauungen - bedroht ist, muss sie aufgeschoben werden. Die Behörden müssen dann regelmäßig prüfen, ob die Voraussetzungen für den Aufschub noch gegeben sind. Das entspricht internationalem Recht.

Auch in Deutschland sind gesetzliche Regelungen zur Ausweisung straffälliger Ausländer verschärft worden. Was ist der Unterschied zur Schweiz?

Der Automatismus. Schweizer Gerichte müssen die Ausweisung bei den genannten Straftaten verfügen und dürfen nur in besonderen Härtefällen davon absehen. Deutsche Richter dagegen haben immer abzuwägen zwischen dem „Ausweisungsinteresse“ des Staates und dem „Bleibeinteresse“ des Betroffenen. Ansonsten sind die Voraussetzungen für eine Ausweisung recht ähnlich. (dpa)