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Ausflug in die Unterwelt

Der alte Mühlgraben zwischen Roßmarkt und Gerbergasse wird saniert – bald fährt dort ein seltsames Gerät.

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© Claudia Hübschmann

Von Udo Lemke

Meißen. Vor der Roten Schule geht es in der Gerbergasse unter die Erde. Ein großer viereckiger Deckel steht mitten im Asphalt offen, eine Leiter führt hinab. Etwa drei Meter tiefer steht man auf der Sohle des ehemaligen Mühlgrabens. Der war von unseren Altvorderen von der Triebisch abgezweigt worden und führte das Wasser, das die Mühlen antrieb, die einst an Neugasse und Gerbergasse standen.

Von der Roten Schule bis zur Gerbergasse 4 wird der historische Mühlgraben nicht von einem Rohr durchzogen, sondern die Mauern und das Gewölbe saniert, um das Bauwerk in seiner ursprünglichen Form für die Nachwelt zu erhalten. Fotos: Claudia Hübschmann
Von der Roten Schule bis zur Gerbergasse 4 wird der historische Mühlgraben nicht von einem Rohr durchzogen, sondern die Mauern und das Gewölbe saniert, um das Bauwerk in seiner ursprünglichen Form für die Nachwelt zu erhalten. Fotos: Claudia Hübschmann © Claudia Hübschmann

„Ehemals Teil der mittelalterlichen Stadtbefestigung wurde der 1,80 m hohe und etwa 1,50 m breite ehemalige Wasserlauf ab den 1840er Jahren nach und nach überwölbt, um mögliche Gefahren zu beseitigen und neuen Straßenraum für die wachsende Stadt zu gewinnen“, erklärt Stadtsprecher Philipp Maurer. Und: „Der überwiegend in historischen Baumaterialien – Klinker, Sand- und Bruchstein – ausgeführte Mühlgraben, ist vor allem durch die Hochwasserereignisse der vergangenen Jahre in seiner Substanz stark geschädigt.“ Deshalb wird er jetzt zwischen Roßmarkt und Gerbergasse saniert – was rund 400 000 Euro kosten wird. Das Geld kommt aus dem Programm zur Hochwasserschadensbeseitigung.

Von der Roten Schule bis zum Gebäude der Deutschen Bank ist der Mühlgraben unter der Straße begehbar, nach 170 Metern müsste man kriechen, um weiter zu kommen. „Wir haben die alte Sohle des Mühlgrabens beräumt und eine Betonsohle eingebaut“, erklärt Bauleiter Thomas Tzschoppe von der Firma Aarsleff Rohrsanierung GmbH. Auf diese Sohle werden Rohre aus glasfaserverstärktem Kunststoff verlegt. In diese werden die von den Grundstücken kommenden Rohre eingebunden, sodass das Regenwasser in die Elbe abgeleitet werden kann. Damit die Rohre sicher liegen und bei Hochwasser nicht nach oben gedrückt werden, wird der Ringspalt, der zwischen Rohr und Kanalwand entsteht, mit einem Dämmermörtel verfüllt.

Von oben sichtbar

Künftig wird also das anfallende Regenwasser – und nur dieses wird durch den Mühlgraben abgeleitet – in einem Rohr von 1,10 m Durchmesser fließen. Eine Ausnahme bildet der etwa 60 m lange Abschnitt von der Roten Schule bis zum Ende des Mühlgrabens an der Elbe. Hier wird das historische Mauerwerk saniert, das Regenwasser fließt offen im Mühlgraben. Damit das alte Bauwerk für künftige Generationen wenigstens in einem Teil erhalten bleibt. Vorstellbar wäre ja auch eine spätere Verglasung, so dass es von oben sichtbar wäre, erklärt Steffen Hommel, Geschäftsführer der Moritzburger Firma Ingenieurgesellschaft für Rohrleitungssanierung (IRS), die die Planung des gesamten Baus übernommen hat.

Verlegt werden Rohrsegmente, die 1 oder 2,5 m lang sind. Was letztgenannte betrifft, so wiegen sie etwa 300 Kilogramm, erklärt Bauleiter Thomas Tzschoppe. Es ist klar, dass diese Elemente nicht mehr per Hand bewegt werden können. Deshalb gibt es ein ausgeklügeltes System, um die Segmente zu verlegen und zu einem dichten Rohr zu verbinden. Dazu werden die einzelnen Segmente mit dem Kran in die viereckige Luke vor der Roten Schule gehoben. Unten auf der Sohle werden sie von einem kleinen Gefährt übernommen, bis zu ihrem Bestimmungsort gefahren und dort mit einem anderen Rohr verbunden. Ein solches Gefährt könne man nicht kaufen, erklärt Thomas Tzschoppe, „das haben wir selbst gebaut“. Offiziell wird die Haltbarkeit des neuen Regenswasserrohres mit 80 Jahren angegeben. „Sie können aber sicher sein, dass das Rohr weit über 100 Jahre halten wird“, sagt Steffen Hommel.

Damit die Rohrverlegung – sie soll bis zum Weinfest abgeschlossen sein – reibungslos vonstattengehen kann, waren einige Vorarbeiten nötig. So ist der Mühlgraben mittels eines rotierenden Lasers vermessen und im Computer als dreidimensionales Modell dargestellt worden. Damit konnten die Verlegearbeiten simuliert und verhindert werden, dass irgendwo ein Rohr an die Wand anstößt oder nicht um eine Krümmung passt. Auf der Betonsohle liegen noch Schlamm und Steine, die ebenfalls noch beräumt werden müssen.

Der Vorteil der unterirdischen Rohrverlegung liegt auf der Hand: „Es muss nicht mehr die Straße aufgerissen werden“, sagt Bauleiter Thomas Tzschoppe. Und Stadtsprecher Maurer ergänzt: Während der Bauphase bis Ende September ist nicht mit Verkehrseinschränkungen zu rechnen.“