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Aus Riesa nach Kenia

Ein Mitarbeiter der JVA Zeithain nimmt Urlaub – um in Afrika bei Operationen zu helfen.

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© Andreas Petry

Von Andreas Petry

Riesa. Seine eigene Weihnachtsgeschichte hat jetzt Sven Schulz erlebt. Der Riesaer gehörte Ende November einer privaten Hilfsgruppe von Ärzten an, die in einer medizinischen Station des dortigen SOS-Kinderdorfes Buru-Buru in den Slums der kenianischen Hauptstadt Nairobi arme Kinder kostenlos operierten.

Während der Rest des 13-köpfigen Teams aus und um das südwestpfälzische Pirmasens sich seit Monaten auf ihren Einsatz vorbereitete, sprang der in der JVA Zeithain arbeitende Justizvollzugsangestellte recht spät auf den Hilfszug auf. Ein Freund aus Jugendtagen, der Ärztliche Direktor des St.-Elisabeth-Krankenhauses in Rodalben (bei Pirmasens), fragte bei seinem sächsischen Kumpel an, ob er Lust und Zeit habe, mit nach Nairobi zu fliegen. „Ich musste nicht lange überlegen, nur eben meinen Urlaub organisieren“, blickt er auf seine schnelle Zusage zurück.

Erfahrung mit Häftlingen

Mit Grund engagierte Direktor Steffen Nirmaier den Nachrücker für ein kurzfristig ausgefallenes Teammitglied: Denn der in Riesa wohnende Familienvater passte vom Anforderungsprofil bestens in die Gruppe. Zum einen besaß er das Know-how, um bei den vielen Afrika-typischen Problemen mit seinem Improvisationstalent das Team zu unterstützen. Zum anderen hatte er durch die Begleitung von Häftlingen bei Operationen auch auf diesem Gebiet schon hilfreiche Erfahrungen gesammelt.

So saß der 48-Jährige Mitte November im Flieger, der das Team von Frankfurt via Amsterdam in die ostafrikanische Metropole brachte. Dabei hatten die Helfer fast eine Tonne Gepäck – darunter Schulzes großer Werkzeugkoffer plus vier große LED-Lampen, die der Handelshof Riesa gespendet hatte. Viel Zeit, sich in der fremden und ungewohnten Umgebung einzugewöhnen, blieb Schulz nicht. Bereits am nächsten Morgen nach der späten Ankunft brachten die zwei vor Ort wartenden kenianischen Fahrer das Team inklusive Gepäck in die medizinische Station des SOS-Kinderdorfes.

Dort hieß es zunächst für die „German Doctors“, die vier zur Verfügung stehenden leeren Räume in eine Mini-OP-Station zu verwandeln. Nach knapp drei Stunden war der OP-Saal mit einem alten gynäkologischen Stuhl als OP-Tisch aufgebaut, der Aufwachraum, das Voruntersuchungszimmer sowie die Desinfektionseinheit eingerichtet. Wobei Schulz im Auftrag Nirmaiers sich bereits zu Hause Gedanken über die OP-Tisch-Beleuchtung Gedanken gemacht hatte. Wo in den letzten Jahren noch improvisierte Ikea-Strahler für mehr schlechtes als rechtes Licht sorgten, strahlten dank Schulzes Hilfe vier auf Holz montierte und an zwei Infusionsständern angebrachte LED-Einheiten den Eingriffsbereich taghell aus. „Dieser technische Support bringt mehr Ruhe. Früher mussten sich die Ärzte um diese Dinge kümmern. Durch Svens Hilfe konnten wir uns jetzt voll auf unsere medizinischen Aufgaben konzentrieren“, zollte Nirmaier seinem Freund ein Kompliment. Der schaffte es auch, eine der Fußstützen des OP-Tisches als Armauflage umzufunktionieren, damit den kleinen Patienten problemlose ein Zugang gelegt werden konnte.

„Toll, dass hier alle an einem Strang ziehen“, zeigte sich der Riesaer von seinen pfälzischen Kollegen angetan. Zumal es sich bei den Teammitgliedern um ein Sammelsurium der verschiedensten Berufe und Charaktere handelt: Vier Ärzte, davon zwei Anästhesisten, ein Urologe sowie mit Nirmaier ein Chirurg gehören ebenso zur Gruppe wie eine ärztliche Angestellte, zwei Arzthelferinnen, ein Krankenpfleger, ein Finanzbeamter, die Leiterin eines Drogeriemarktes, eine Ethnologiestudentin und ein Kriminalbeamter.

Eine andere Welt

„Jeder von uns hat dazu beigetragen, dass diese Aktion ein toller Erfolg wurde“, freut sich Schulz, bei der bisher erfolgreichsten Aktion des seit zehn Jahren laufenden Hilfseinsatzes dabei gewesen zu sein. „Es wurden in vier Tagen 51 Phimosen – also Vorhaut-Verengungen – operiert, vier Nabelbrüche reguliert, ein Hodenhochstand behoben und eine Narbenkorrektur durchgeführt“, zählt der Riesaer das Programm auf. Dabei unterstütze Schulz, wenn es mal kein technisches Malheur gab, die weißen Daktaris, wie Arzt in der afrikanischen Suaheli-Sprache heißt, im OP-Raum durch wichtige Handreichungen.

Sven Schulz faszinierten auch die Erlebnisse rund um die Arbeit in der Station des SOS-Kinderdorfes. „Das ist eine ganz andere Welt“, fasste er seine Eindrücke zusammen. Seien es die katastrophalen Straßenverhältnisse, die Gerüche des überall herumliegenden Mülls oder die ärmlichen Wohnverhältnisse – nahezu 60 Prozent der mehr als drei Millionen Einwohner Nairobis leben in den Blechhütten der Slums. „Ich danke den zahlreichen Spendern, vor allem meine Kollegen in der JVA.“