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Aus für Schiebocker Traditionsfirma

Orthopädieschuhmachermeister Reinhard Boden und Schuhmacher Lutz Naumann lösen den Betrieb auf. Sie kommen damit einer Insolvenz zuvor.

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© Steffen Unger

Von Gabriele Naß

Bischofswerda. Es läuft, als sei alles wie immer. Aber der Entschluss steht fest. Die Geschäftsführer der Schuhmacherhandwerk Bischofswerda GmbH, Reinhard Boden und Lutz Naumann, geben ihre Firma auf. Bis Ende März werden das Geschäft, die Werkstatt-räume und das Büro an der Kamenzer Straße geräumt, die Maschinen verkauft. Es gibt einen Abnehmer. Das Ziel der Handwerker ist es, schuldenfrei herauszukommen. Und im Herzen klarzukommen mit der Situation. Es ist kein leichter Weg.

Orthopädieschuhmachermeister Reinhard Boden (62) und den Schuhmacher Lutz Naumann (53) verbindet eine lange gemeinsame berufliche Geschichte. Zeitversetzt um etwa zehn Jahre lernten sie in der 1958 gegründeten PGH Einheit. Jeder blieb danach für immer im Betrieb. Dieser zog 1973 in die heutigen Räume an der Kamenzer Straße um und beerbte dort den bekannten wie geschätzten Pantoffelmacher Martin Kratzke.

Geschickte Hände

Gleich nach der Wende wurde aus dem Betrieb die Schuhmacherhandwerk GmbH, Reinhard Boden und Lutz Naumann übernahmen als Geschäftsführer die Verantwortung. Ihre geschickten Hände weiß halb Bischofswerda und wissen viele aus der Umgebung zu schätzen. An Arbeit mangelte es jedenfalls weder Schuster noch Orthopädieschuhmachermeister. Es war am Dienstagvormittag dieser Woche, als die SZ sich mit beiden Handwerkern in ihrem Laden traf. Mehrere Kunden kamen, darunter der zuckerkranke Mann mit einem Rezept für speziell anzufertigende orthopädische Schuhe oder der Bauarbeiter, der sich neue Arbeitsschuhe gekauft hat und da nun Einlagen eingebaut haben wollte. Der Bauarbeiter holte seine Schuhe ab und ging zufrieden. Die erfahrenen Firmeninhaber kommen trotzdem mit der Auflösung der Firma nur einer Insolvenz zuvor, wie sie sagen.

Mehrere Entwicklungen spielten gegen sie. Der Markt des Orthopädieschuhmacherhandwerks wächst zwar, auch weil immer mehr Menschen immer älter werden. „Aber es gibt auf diesem Gebiet inzwischen auch in Bischofswerda mehrere Anbieter“, sagt Reinhard Boden. Um gegen die Mitbewerber erfolgreich zu sein und Auflagen zu erfüllen, denen die Branche unterliegt, hätte die Schuhmacherhandwerk GmbH dringend modernisieren müssen. „Aber uns fehlen die Mittel, um noch einmal zu investieren“, sagt Reinhard Boden.

Das liegt auch daran, dass Reparaturen sich kaum rechnen und viele gar nicht mehr reparieren lassen. „Billig gekauft, zerlatscht, weggeworfen, neu gekauft“, so gehe das doch heute, beobachten die Handwerker. Im letzten Jahr fiel die Entscheidung, den Betrieb aufzulösen. Mitarbeiterin Heidrun Killermann war da gerade in den Ruhestand verabschiedet worden. Stundenweise hilft sie noch. Aber durch die Rente ist sie nun abgesichert und das half den Chefs.

Weiter im Beruf

Der Orthopädieschuhmachermeister und der Schuhmacher selbst arbeiten in ihren Berufen weiter. Das Unternehmen Meditech Sachsen GmbH Pulsnitz, das auch ein Geschäft neben dem BHG/Hagebaumarkt an der Carl-Maria-von-Weber-Straße in Bischofswerda hat, stellt beide ein. Die Firmenleitung bestätigte das auf Nachfrage. Beide nennen es einen Glückfall, dass sie in ihrem Alter noch mal Arbeit gefunden haben.

Also alles ganz easy? „Schalter umlegen! Man muss es bloß machen“, sagt Lutz Naumann, dem das Aufgeben nicht leicht fällt, aber leichter als seinem Co-Geschäftsführer. Jetzt baue er an den orthopädischen Schuhen alles alleine. Diese Abläufe, das weiß er schon, ändern sich im neuen Team. Er grübelt und macht sich Gedanken, wie das wohl wird. „Aber jammern hat ja auch noch nie geholfen“, sagt Reinhard Boden – bekannt auch als der Mann mit immer einer selbst gereimten Geschichte auf Lager, meist nachdenklichen Inhaltes. Damit wird er in der Innenstadt fehlen. Der Laden fehlt sowieso.

Neuer Eigentümer für das Haus

Von 16 Geschäften an der Kamenzer Straße wird nur die Hälfte noch betrieben. „Es ist schon schlimm, dass einer nach dem anderen zumacht. Aber wer interessiert sich denn noch wirklich für die kleinen Läden“, sagt Lutz Naumann. –  Ihre Geschäftsräume hatte die Schuhmacherhandwerk GmbH gemietet. Der Eigentümer verkauft das Haus jetzt. Nach SZ-Informationen gibt es bereits einen neuen Eigentümer, der moderne Wohnungen entstehen lassen will.