Großenhain. Bürgermeister Max Hotop ließ am 24. August 1916 im Großenhainer Tageblatt verkünden: „Wir haben vor einiger Zeit beschlossen, den uns vom Königlichen Kunstfonds geschenkten Marktbrunnen, dessen Enthüllung an und für sich als Feier des Friedensschlusses geplant war, im Hinblick auf die immer noch nicht absehbare Dauer des Krieges noch in diesem Sommer der Öffentlichkeit zu übergeben.“ Die glückliche Heimkehr eines Untersee-Handelsbootes namens Deutschland wurde zum Anlass genommen, „diesen Beschluss endlich zur Ausführung zu bringen.“ Für den 27. August mittags halb 12 war eine „schlichte, den Zeitverhältnissen angepasste Feierlichkeit“ angesetzt.
Großenhains Dianabrunnen
Nach dem Gesang eines Liedes sollte der Stadtbaumeister das Denkmal enthüllen und es dem Bürgermeister übergeben, der es „in Obhut und Bewahrung der Stadt übernimmt“. Nach einem weiteren Gesangsvortrag findet Platzmusik statt, hieß es. Die Einwohnerschaft wurde eingeladen und gebeten, „der Bedeutung, die dieses schöne Kunstwerk für unser Stadtbild hat, durch Beflaggen der Gebäude Ausdruck zu geben.“ Besondere Einladungen konnten „mit Rücksicht auf die Kürze der Zeit“ nicht ergehen. „Wir bitten aber diejenigen hiesigen Vereine, welche an der Feier teilzunehmen beabsichtigen, und welche hiermit herzlichst dazu eingeladen sind, sich wegen Aufstellung auf dem Marktplatz mit Herrn Branddirektor Nitsche ins Einvernehmen setzen zu wollen“.
Von Bürgern der Stadt gestiftet
Wie das Tageblatt dann am 29. und 30. August berichtete, „hatten sich das Rathaus und viele andere Häuser festlich mit Fahnen geschmückt.“ Schon monatelang waren die Figuren des Brunnens von Brettern umgeben. Nun säumten schon in den Vormittagsstunden viele Schaulustige den Marktplatz. Gegen Mittag versammelten sich die Schüler der Bürgerschulen, der Bewerbeschule, der Handelsschule, der Realschule auf dem Hauptmarkt. „Hierzu gesellten sich die Fahnenabteilungen der Militärvereine, der Privilegierten Stahlbogenschützen und der Privilegierten Scheibenschützengesellschaft.“ An der Feier nahmen die Freiwillige Feuerwehr, Kommandos der Flieger-Ersatzabteilungen und des Husarenregiments teil.
Den Grundstock des Marktbrunnens stifteten einige Bürger der Stadt. Geschaffen wurde er aus den Mitteln des Kunstfonds aufgrund eines Preisausschreibens, welches der Königliche Akademische Rat zu Dresden veranstaltete. Das zeigt die Wertigkeit, die Großenhain damals genoss. Professor Rühm schuf die Brunnenfiguren, die Jagdgöttin Diana und ihre zwei Hirsche. Am Sockel des Brunnens befanden sich Bilder vom regierenden König Friedrich August und dessen Vorgänger König Albert. Diese sind nach 1945 entfernt worden. Die Ausführung des Brunnens wurde Baurat Schleinitz übertragen. Tiefbau und Wasserzuführung wurden vom städtischen Bauamt und städtischen Betriebsamt ausgeführt. Mit der Aufstellung des Brunnens wurde bereits am 22. Juni 1914 begonnen. Die Arbeiten wurden am 27. Februar 1915 beendet. Die Gesamtkosten der Stadt beliefen sich laut Tageblatt auf 15 500 Mark. Stadtbaumeister Schwerdtner enthüllte die Brunnenfiguren.
Der Hirsch war der Sage nach Jäger Aktäon. Er wurde von ihr zur Strafe dafür, dass er ihr beim Baden, als sie nackt war, verbotenerweise zugesehen hatte, verwandelt. Seine eigenen Jagdhunde sollen ihn hernach zerfleischt haben. So steht es bei Ovid in „Metamorphosen“ Drittes Buch, Aktäon. „Hier war’s, wo nach der Jagd die ermüdete Göttin der Wälder oft mit lauterem Tau jungfräuliche Glieder besprengte ...“
In Großenhain gab es sicher nicht zwei Jäger des zweiten Hirsches wegen. „Das kann dem Künstler als Bestreben nach Symmetrie und Harmonie in der Gestaltung angerechnet werden“, meint Forscher Klaus Hammerlik. Er hat auch herausgefunden, dass in der Zeit, als Diana und die Hirsche vor der Einweihung noch in einer Holzverkleidung verborgen waren, der wasserspeiende Faun in der Mitte der Konstruktion des Wasserbeckens schon zu sehen war.
Sinnbildlich Auge in Auge mit der Jagdgöttin waren bis zum Beginn des Ersten Weltkrieges noch die Teilnehmer der Parforcejagden – Adlige und Fabrikanten, auch das sächsische Königshaus. Sie hatten sicher ihren Einfluss, dass eine Jagdgöttin auf den Großenhainer Brunnen kommt. Rund um die Kleinstadt ließ es sich gut jagen. Und die Jagdgesellschaften brachten den Großenhainer Gaststätten guten Umsatz. Unter anderem wurde Hetzwild aus dem Moritzburger Jagdrevier der Wettiner für die Parforcejagden zur Verfügung gestellt. Während seiner Dienstzeit bei den Großenhainer Husaren und auch in folgenden Jahren führte Friedrich August die Jagden des Clubs als „Master“ an.
In aller Welt
Damals nannte man das neue Großenhainer Wahrzeichen noch Marktbrunnen oder Zierbrunnen. Königsbrunnen oder Albertdenkmal. Heute hat sich Dianabrunnen durchgesetzt. Googelt man diesen Begriff, stellt sich heraus, dass mindestens noch in Suhl, Donaueschingen, München, Hildesheim und Wiesbaden Wasserspiele mit dem Namen der griechischen Jagdgöttin existieren. Es gibt in England auch einen Prinzessin-Diana-Gedenkbrunnen als Denkmal für Diana, Prinzessin von Wales. Es befindet sich im südwestlichen Bereich des Londoner Hyde Parks. Mit dem Dianabrunnen am Palazzo Reale im italienischen Caserta kann Großenhain allerdings nicht mithalten: Da wird Diana in hellem Sandstein von fast einem Dutzend anmutigen Jungfrauen in ebenso heller Ausführung umrahmt.
Aber der Wasserspeier auf dem Großenhainer Hauptmarkt hat trotzdem seine Fans. Hier sitzt man, um ein Eis zu schlecken, an heißen Tagen die Füße zu kühlen. Und die Kinder klettern natürlich auf die Hirsche. Deren Patina ist an den Sitzstellen schon blank geschabt. Zahlreiche solcher persönlichen Foto-Aufnahmen sind derzeit in der Großenhain-Information zu sehen – aus Anlass des Geburtstages. Die Stadt hatte dazu aufgerufen, Schnappschüsse einzureichen. Über 40 Aufnahmen hat das Rathaus bekommen, sagt Verantwortlicher Jörg Withulz. Etwa 20 Bilder, darunter auch historische Aufnahmen aus dem Stadtarchiv, sind nun gerahmt zu sehen. Die anderen laufen als Power-Point-Präsentation über den Bildschirm in der Großenhain-Information. Bis 15. November wird diese Schau gezeigt. Und es gibt auch ein kleines Rätsel. Gegebenenfalls wird die Ausstellung noch zum Weihnachtsmarkt zu sehen sein.