Merken

Die Aufzeichnungen eines Bankräubers

Maler und Autor Sebastian Hennig stellt die Erinnerungen aus den Nachwendejahren in der Stadtgalerie vor.

Teilen
Folgen

Von Peter Anderson

Ja, ist das denn zu glauben? Da sitzt der Maler Sebastian Hennig in selbst gewählter Einsamkeit, um ein Stück Natur abzubilden, plötzlich legt ihm der Zufall ein Kriminalstück in die Hände. Ein Angler ist es, welcher im lockeren Plausch – wohl auch über die publizistische Arbeit des Radebeulers – Zutrauen zu dem Künstler fasst. Das Manuskript habe er von einer Frau erhalten, welcher Hennig ebenfalls kurz zuvor begegnet sei, so der Bote. Anschließend verschwindet er, ohne einen Auftrag für den Umgang mit dem Manuskript und ohne ein späteres Wiedersehen.

Die Geschichte mag wahr sein oder eine Münchhausiade. Mit dem Buch „Von eytel Raub und Strauchdieberey“ liegt das geheimnisumrankte Manuskript nun jedenfalls in gedruckter Form vor und soll am Freitag in der Stadtgalerie erstmals einem größeren Publikum präsentiert werden.

Wie bei dem eifrigen Publizisten Hennig nicht anders zu erwarten, ist die Handlung mit je einem erhellenden Vor- und Nachwort versehen. Während in der Präambel reflektierend die Fundgeschichte ausgebreitet wird, ordnet der Autor im Schlussstück das Werk literarisch ein.

Tatsächlich fügt es sich ein in eine Reihe von Jugenderinnerungen in Romanform, welche wie „Der Turm“ von Uwe Tellkamp, Peter Richters „89/90“, vielleicht auch Jutta Voigts „Stierblutjahre“, die letzten Jahre der DDR sowie die anschließende Wendezeit näher beleuchten. Dass es so lange bis zum Erscheinen dieser autobiografisch geprägten Arbeiten gedauert hat, kann nicht wundernehmen, so man in Rechnung stellt, dass auch die Autoren selbst sich zunächst im kapitalistischen Dschungel zurechtfinden und Abstand zum erlebten Stoff gewinnen mussten.

„Von eytel Raub- und Strauchdieberey“ sticht aus dem angerissenen Reigen insofern heraus, als wir es hier – so der Leser dem Herausgeber Glauben schenken mag – eben nicht mit dem Literaturerzeugnis eines Intellektuellen zu tun haben, das von Freunden und Bekannten zuvor quergelesen und von einem Lektor in die Mangel genommen wurde. Die Räuberpistole schildert den Wilden Osten in den Jahren von 1994 bis 1998 vielmehr ohne die Manieriertheit eines Tellkamp und Eitelkeit eines Richter. In einem ironischen Schlenker hat hier der Bitterfelder Weg, welcher die einfachen Leute zur Feder greifen lassen sollte, die DDR überholt, ohne sie einzuholen.

Die Geschichte selbst klingt in ihren Anfängen vom Ton her romantisch wie Gottfried Kellers „Der grüne Heinrich“, um späterhin immer realistischer zu werden. Es ist nicht unbedingt so, dass der Leser auf dem Weg des Jungen Thomas vom wohlbehüteten Elternhaus in Chemnitz hin zum Autoknacker, später Bankräuber und anschließend Knasti sensationell Neues erfahren würde. Vielmehr handelt es sich um eine Auffrischung, die nochmals zeigt, mit welch menschlichen und wirtschaftlichen Verrenkungen die vermeintliche Erfolgsgeschichte der Neuen Bundesländer erkauft wurde. Eine Generation wird lebendig, die angesichts einer paralysierten und hilflosen Elterngeneration selbst ihren Weg durch diese Wirrnisse finden musste und gefunden hat.

Buchvorstellung „Von eytel Raub- und Strauchdieberey“ als Finissage zur Ausstellung „Die andere Seite“ am 20. Januar, 20 Uhr, in der Stadtgalerie, Altkötzschenbroda 21. Es spielt Gitarrist Jan Wetzel aus Dresden.