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Aufregung um Kult-Baum

An der Oberstraße wurde eine Kastanie gefällt, die wirklich etwas Besonderes war. Aber es war nötig, sagt der Eigentümer.

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© Gerd Lohse

Von Jens Fritzsche

Radeberg. Kahlschlag in Radeberg? Immer wieder gibt es in den vergangenen Tagen und Wochen Aufregung um gefällte Bäume. Für die seit Jahren geplante Fortführung der neuen S177 zwischen Radeberger Krankenhaus und Leppersdorf wird derzeit im Bereich der alten Sandgrube am Ortsausgang mächtig gerodet, schon vorm Jahreswechsel war auch im sogenannten Südpark in der Südvorstadt massiv an morsche Bäume herangegangen worden; und in der Heide bei Ullersdorf wurde bis vor wenigen Tagen am Försterhain Platz für die dort wachsenden Eichen geschaffen. Immer auch argwöhnisch beäugt, ob das wirklich sein muss. Jüngster Aufreger ist dabei eine immerhin 180 Jahre alte Kastanie an der Oberstraße im Herzen Radebergs, die am Wochenende gefällt wurde. Auch hier gab es kritische Stimmen. SZ-Leser Siegfried Malek ärgerte sich, dass damit „wieder einer dieser schönen Bäume verschwindet“. Und er sieht das Argument, die Kastanie sei morsch, wie bei so vielen Baumfäll-Aktionen, wie er sagt, nur vorgeschoben.

Ein Bild aus besseren Kastanien-Tagen an der Oberstraße: Der vor 180 Jahren gepflanzte Baum prägte mit seiner stolzen Krone tatsächlich das Straßenbild.
Ein Bild aus besseren Kastanien-Tagen an der Oberstraße: Der vor 180 Jahren gepflanzte Baum prägte mit seiner stolzen Krone tatsächlich das Straßenbild. © Gerd Lohse

180 Jahre alt

Diesen Vorwurf will Gerd Lohse dann aber doch nicht auf sich sitzen lassen. Ihm gehört das Grundstück an der Oberstraße 14 und er hat nun auch die Kastanien-Fäll-Entscheidung fällen müssen. „Als unser Urgroßvater als kleiner Junge vor 180 Jahren ein Kastanienbäumchen in seinem Garten pflanzte, hätte er wohl niemals gedacht, dass dieser kleine Spross mal das Stadtbild der Oberstraße prägen würde“, schreibt Gerd Lohse in seiner Reaktion. Bis zur Jahrtausendwende habe sich der Baum dann auch prächtig entwickelt „und erfreute vor allem im Frühjahr mit seiner üppigen Blütenpracht nicht nur unsere Familie“. Aber bereits 2006 musste ein Baumpfleger die Baumkrone deutlich kürzen, macht der Radeberger deutlich, „da viele Äste im Winter abgestorben waren und das Totholz auf die Straße zu fallen drohte“.

Todesstoß durch die Miniermotte

Aber dieser noch einmal 2013 und 2015 wiederholte Rückschnitt habe letztlich dennoch nicht den gewünschten Erholungseffekt gebracht. „Und als dann auch noch die Kastanienminiermotte den Baum befiel, war unser Baum den Dauerstress nicht mehr gewachsen“, bedauert Gerd Lohse. Der Baum verkümmerte von Jahr zu Jahr zusehends. „Und so war die Fällung unserer Kastanie kein – wie kritisiert – blinder Baum-Aktionismus, sondern eine traurige, bittere Konsequenz, um die Verkehrssicherheit zu gewährleisten“, macht der Radeberger klar. Zudem verweist er darauf, dass auch die Stadtverwaltung mit Blick auf den noch in diesem Jahr anstehenden Straßenbau in der Oberstraße „erhebliche Bedenken zur Standsicherheit des Baumes gehabt hat“.

Leider stehe eben noch nicht für jede Baumkrankheit ein wirksames Heilmittel zur Verfügung, bedauert Gerd Lohse. Verspricht aber in jedem Fall: „Wir werden mehrere Ersatzpflanzungen in unserem Garten vornehmen und auch unsere Stadt setzt sich ja bekanntlich intensiv für eine Begrünung ein .“