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Aufräumen nach dem Sturm

Das XXL Küchen Ass wird wohl monatelang geschlossen bleiben. Anderswo in Görlitz sind erste Schäden behoben. Und der Tierpark startet eine Spendenaktion.

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© Pawel Sosnowski/pawelsosnowski.c

Von Ingo Kramer, Constanze Junghanß und Anja Gail

Hoch oben über der Landeskronstraße haben Helmut Roscher und Michael Ludwig vom Görlitzer Dachdeckerbetrieb Lutz Vetters am Montag einen windigen Arbeitsplatz. „Das Flachdach liegt unten auf dem Fußweg, mitsamt der Dachausstiegsluke“, sagt Roscher und zeigt auf den Fußweg vor dem Haus. Mit welch unglaublicher Wucht der Sturm am Sonntagmorgen mehrere Lagen Dachpappe vom sanierten und voll bewohnten Haus mit der Nummer 33 abgetragen hat, ist auch am Schornstein erkennbar. Der steht jetzt versetzt, aber immerhin aufrecht. Ein paar Dachziegeln einer Gaube hat die Dachpappe im freien Fall noch mitgerissen. „Wir bringen heute eine komplette Lage Dachpappe auf, damit das Dach erst einmal dicht ist“, sagt Roscher. Das sei das Wichtigste, der Rest müsse mit der Versicherung geklärt werden.

Kollegen des Fachmarktes und THW-Mitarbeiter aus Görlitz und Zittau räumen das XXL Küchen Ass leer.
Kollegen des Fachmarktes und THW-Mitarbeiter aus Görlitz und Zittau räumen das XXL Küchen Ass leer. © THW/VGG/Joachim Lehmann
Auch im Görlitzer Naturschutz-Tierpark ließ der Sturm Bäume umknicken.
Auch im Görlitzer Naturschutz-Tierpark ließ der Sturm Bäume umknicken. © Pawel Sosnowski/pawelsosnowski.c
Der Sturm brach diese Linde an der Promenadenstraße ab. Sie fiel auf die Fahrleitung der Straßenbahn.
Der Sturm brach diese Linde an der Promenadenstraße ab. Sie fiel auf die Fahrleitung der Straßenbahn. © THW/VGG/Joachim Lehmann
Diese Blaufichte fiel in Jauernick-Buschbach auf eine Strom-Freiluftleitung. Dadurch wurden auch zwei Masten in Mitleidenschaft gezogen. Glück im Unglück: Der Stromanschluss funktioniert noch.
Diese Blaufichte fiel in Jauernick-Buschbach auf eine Strom-Freiluftleitung. Dadurch wurden auch zwei Masten in Mitleidenschaft gezogen. Glück im Unglück: Der Stromanschluss funktioniert noch. © THW/VGG/Joachim Lehmann

Der Mieter der Dachwohnung will seinen Namen nicht in der Zeitung lesen. Er wurde am Sonntagmorgen durch die herabstürzende Dachpappe geweckt. „Im ersten Moment dachte ich, dass etwas vom Haus wegbricht“, sagt er. Erfahrung mit solchen Situationen hat er: Im Februar waren Teile des Nachbarhauses eingestürzt. Das wurde inzwischen komplett abgerissen. „Seither hat der Wind aus dieser Richtung eine Angriffsfläche“, vermutet der Mieter einen möglichen Grund für den Dachschaden. Er selbst hat auch diesmal Glück im Unglück: „Ich habe nur ein paar Wasserflecken an der Decke im Wohnzimmer und im Bad.“ Der Hausmeister hatte gleich am Sonntag im klitschnassen Dachboden Folien ausgelegt, um zumindest die Wohnungen halbwegs trocken zu halten.

Weit weniger glimpflich davongekommen ist das XXL Küchen Ass nahe Porta, ein Küchenfachmarkt, der zu Möbel Starke aus Schönbach gehört. Hier hatte der Sturm am Sonntag große Teile des Daches abgedeckt. „Die Leitstelle hat uns bis heute nicht darüber informiert“, sagt Verkaufsleiterin Maria Starke am Montag. Stattdessen hat es die Familie Starke durch Bekannte erfahren. Große Hilfe hat sie von den eigenen Mitarbeitern und vom THW erfahren: Hand in Hand haben sie den Markt noch am Sonntag leer geräumt – und 90 Prozent der Ausstellungsküchen am Stammsitz in Schönbach eingelagert. Dafür ist sie allen Helfern sehr dankbar. „Jetzt müssen wir sehen, was davon durch den Regen beschädigt ist“, sagt Maria Starke. Die restlichen zehn Prozent können nur noch entsorgt werden. Wie hoch der Schaden ist und für wie viele Monate der Markt geschlossen bleibt, ist im Moment noch völlig unklar. Aber zumindest zwei gute Nachrichten hat Maria Starke: „Wir haben eine Elementarschädenversicherung, die auch schon am Sonntag von Ort war.“ Und: Küchen für die Endkunden sind nicht betroffen. Die stehen alle in Schönbach. In der Görlitzer Filiale gab es lediglich Ausstellungsküchen und Beratungsplätze. Die fünf Mitarbeiter werden in den nächsten Monaten vermutlich in Schönbach, Zittau und Bautzen beraten, die Kunden müssen dorthin fahren.

Auch den Görlitzer Naturschutz-Tierpark hat Sturm „Herwart“ nicht verschont. Darüber informiert Direktor Sven Hammer. Schon am Sonntagmorgen stürzten Bäume auf Gehege, Wege und Tierhäuser. Zum Glück wurden weder Zwei- noch Vierbeiner verletzt. Der Tierpark blieb aber am Sonntag geschlossen, sodass die Mitarbeiter und Helfer die Schäden notdürftig beheben konnten. Allerdings war nicht alles reparabel. „An der Geiervoliere hat der Sturm die gesamte linke Gehegeseite komplett zerstört“, sagt Hammer. Die Voliere war dadurch offen und die Gänsegeier wurden zunächst einmal in Quarantäne gebracht. „Den Steinböcken blieb eine Evakuierung erspart“, sagt Hammer. Mitarbeiter stellten sicher, dass die Tiere bei den notwendigen Fällungen im Gehege nicht durch die zerstörten Zäune entweichen konnten. Glück hatten auch die Manule und Eulen: Haarscharf an ihren Anlagen ging eine alte Fichte zu Boden. Weniger gut erging es der Kranichanlage, hier wurden Haus und Vorgehege komplett zerstört.

Die Aufräumarbeiten werden noch Wochen dauern, sagt Hammer: „Am Längsten wird die zerstörte Geiervoliere brauchen.“ Hier muss die gesamte Konstruktion neu gebaut werden. Dazu werden dringend Spenden unter dem Kennwort „Sturmschaden Geier“ benötigt. Seit Montag ist der Tierpark aber zumindest wieder ganz normal geöffnet. Nur die Steinbockanlage ist vorerst geschlossen und die Geier müssen noch hinter den Kulissen bleiben.

In Biesnitz stürzte am Sonntagmorgen ein Baum in die Fahrleitungsanlage der Straßenbahn. „Die Strecke ist derzeit nicht befahrbar, es wurde Schienenersatzverkehr zwischen Bahnhof-Südausgang und Endstation Biesnitz eingerichtet“, sagt Uwe Exner, Leiter Infrastruktur bei der Verkehrsgesellschaft Görlitz. Der Bus bedient die Haltestellen der Linie N, an allen Haltestellen wurden Infotafeln aufgestellt.

Im Markersdorfer Ortsteil Deutsch-Paulsdorf kam die Feuerwehr nicht so schnell wie erhofft los. Der Grund: Direkt vor ihrem Gerätehaus war ein Baum umgefallen. Die Kameraden mussten sich den Weg zuerst einmal freischneiden, um überhaupt an ihr Einsatzfahrzeug heranzu- kommen. Das hatte der Baum nämlich blockiert. Nachdem die Wehr diese erste Aufgabe am Sturmsonntag gemeistert hatte, ging es weiter mit der Sägetechnik zu anderen umgestürzten Bäumen im Dorf.

Beim Mengelsdorfer Caritasheim sind fünf Vögel aus den Volieren im Außengelände verschwunden. Ein Nadelbaum krachte auf das Vogelhaus und beschädigte es. Das nutzten die Bewohner zur Flucht. Ob sie im angrenzenden Wald Unterschlupf fanden, ist noch unklar. Vielleicht finden sich die Kanarien von allein wieder an ihrer gewohnten Futterquelle ein.

Die Zahl der Einsätze bei der Reichenbacher Feuerwehr ist am Sonntag auf mindestens 16 angewachsen. Neben zahlreichen abgebrochenen Bäumen auf Straßen und Gehwegen mussten die Kameraden auch das Dach der Rettungswache an der Nieskyer Straße sichern. Dort hatte es Teile des Daches heruntergewedelt. Der erste Einsatz am Tag um 5.38 Uhr führte zum Windfeld Reichenbach. Dort sollte ein Baukran umgestürzt sein, hieß es. Die Meldung jedoch erwies sich als falsch, bestätigt Wehrleiter Torsten Preis. „Der Kran wurde von der Baufirma aufgrund der Sturmwarnung bereits im Vorfeld aus Sicherheitsgründen auf die Erde gelegt“, sagt er.

In Jauernick-Buschbach hat der Sturm Bäume umgeknickt und leichte Schäden an Dächern verursacht. „Bei uns hat eine Orkanböe mehrere hohe Blaufichten und Kirschbäume umgeworfen, eine große Blaufichte fiel dabei auf unsere Strom-Freiluftleitung“, berichtet Anwohner Joachim Lehmann. Dabei sei auch ein Strommast umgefallen und ein zweiter Mast kam in Schieflage. „Die Enso-Störstelle erreichte ich erst gegen 12 Uhr, der Schaden wird wahrscheinlich erst in den nächsten Tagen behoben werden, da der Stromanschluss noch funktioniert“, sagt Lehmann.