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Aufklärung am Matterhorn

An der Alpenpyramide gab es 2018 sieben Tote. Nun handelt eine italienische Gemeinde.

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© dpa

Von Jochen Mayer

Das Matterhorn ist ein Sehnsuchtsberg. Majestätisch ragt die Alpenpyramide in den Himmel. Sie soll das meistfotografierte Wahrzeichen der Schweiz sein. Das Postkartenmotiv mahnt aber auch: Bereits sieben Kletterer starben in diesem Jahr am 4 478 Meter hohen Gipfel – alle auf der italienischen Seite des Grenzberges.

Ein Grund für diese Bilanz ist die Hörnlihütte über Zermatt. Die war zum 150. Jahrestag der Matterhorn-Erstbesteigung renoviert worden. Neue Hütte bedeutet seit 2015 aber auch fast verdoppelte Preise für die 130 Schlafgäste, die in der Regel über den Hörnli- oder Zmuttgrat zum Gipfel wollen. Sie machen sich jetzt nicht mehr gemeinsam mit Campern auf den Weg, die einst vor der Schutzhütte preisgünstig nächtigten. Das ist jetzt verboten. Deshalb weichen die Alpinisten mit dem kleinen Budget nun auf die italienische Seite aus.

Das wurde zu einem Problem für den Ort Valtournenche im Aostatal. Dessen Vizebürgermeisterin beklagt die sieben Toten unter den Matterhorn-Besteigern in diesem Jahr. „Es sind wirklich viele“, sagte Nicole Maquignaz gegenüber dem Internetportal 20min.ch. Auf der Schweizer Seite gab es 2018 noch keinen Toten. Das durften sie im Aostatal in der Vergangenheit auch schon bilanzieren.

Doch nun kommt eine neue Kletter-Klientel – auch wenn die jüngsten Tragödien keine Werbung für die Italiener sind. Deshalb startete die Gemeinde Valtournenche nun eine Sensibilisierungskampagne, weil laut Maquignaz „sowohl die Unfälle als auch generell unverantwortliches Verhalten der Berggänger zunehmen“. Augenfällig ist, dass besonders die Kletterer aus Osteuropa, die vom Campingplatz aus zum Matterhornaufstieg starten, sehr gefährlich leben. „Weil sie oft völlig selbstständig ohne Bergführer unterwegs sind und auch nicht in den Schutzhütten übernachten, ist es noch schwieriger, die Berggänger vor möglichen Risiken zu warnen“, sagte Maquignaz.

Das erinnert an die Zeit nach dem Zerfall des Ostblocks, als es enormen Nachholbedarf gab, der sich in einen regelrechten Run auf die Alpengipfel entlud – mit karger Ausrüstung, oft nur in Laufschuhen, ohne Sicherheitsdenken. Doch auch auf Schweizer Seite hegen naive Bergnovizen kühne Gipfelträume, wagen sich unvorbereitet an den Aufstieg. „Wir erleben oft, dass Besucher uns nach dem ‚Pfad‘ zum Gipfel fragen, als sei das ein einfacher Wanderweg“, sagte Nathalie Steindl, Chefin des Bergführerverbands „Zermatters“. Aufklärungskampagnen sind im Zermatt aber nicht geplant wie im Aostatal. Dabei ist Leichtsinn wohl immer mit unterwegs.