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Auf zum Dönerspielplatz

Wolfgang Prieps ist als Streetworker rund ums „Stendaler U“ unterwegs. Jugendliche trifft er dabei eher selten.

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© Sebastian Schultz

Von Britta Veltzke

Riesa. Wolfgang Prieps schiebt das massige Lastenfahrrad aus dem „Aufladen“ im Stendaler U. In dem Treffpunkt des sozialen Trägervereins Sprungbrett unterhalten sich Erwachsene aus dem Viertel. Auf dem Tresen stehen Kaffee und ein Blech Streuselkuchen, den eine Anwohnerin gebacken hat. Daneben ist eine Spendenbox aufgestellt. Wolfgang Prieps zieht es nach draußen. Vor dem „Aufladen“ turnt ein Dutzend Kinder herum. Das Wetter ist gut, um die 20 Grad, Sonne-Wolken-Mix – Spielplatzwetter. Das Lastfahrrad ist voll bepackt mit Spielsachen: Bällen, einem Lauf- und einem Dreirad, einem Riesenjenga, bestehend aus Holzklötzen, die Prieps mal bei einem Projekt nur mit Jungen gebaut hat. „Wer kommt mit zum Spielplatz?“, ruft er über die Wiese zwischen Stendaler U und dem Parkplatz vor dem Hochhaus.

Wolfgang Prieps, den hier alle nur Wolfi nennen, ist als Streetworker unterwegs. Seit rund zehn Jahren ist der Riesaer für den Sprungbrett e.V. im Einsatz. Der 39-Jährige hat auch schon als Verkäufer und als Bäcker gearbeitet, war zudem vier Jahre lang bei der Bundeswehr. In der sozialen Arbeit, die ihm „wirklich etwas gibt“, ist er als Quereinsteiger gelandet. „Das habe ich schon gemerkt, als ich Vertrauensperson beim Bund war.“

Zurück auf der Straße: Wer sich unter dem Begriff Streetworker vorstellt, dass Prieps kiffende 16-Jährige bekehrt oder Teenager, die regelmäßig die Schule schwänzen, liegt falsch. „An die Jugendlichen kommt man hier leider kaum ran. Ihre Treffpunkte liegen meistens im Privaten – in Garagen oder Kellern.“

Leistungsdruck und Schulstress

Dabei wäre in dieser Altersklasse viel zu tun, gibt er zu: „Ja, die machen schon viel Blödsinn: illegale Graffiti, Saufen, so was. Aber was sollen wir machen? Wenn wir mal jemanden von denen erwischen, ist es ein Erfolg, die Jugendlichen für das nächste Fußballturnier zu überreden.“ Viermal im Jahr organisiert Prieps ein Bolzplatzturnier, das nächste findet am Sonnabend, 23. September, an der Hans-Beimler-Straße statt.

Bis zu dreimal in der Woche fährt Wolfgang Prieps mit dem Lastenfahrrad zu den Spielplätzen in der Umgebung. Heute ist der „Dönerspielplatz“ an der Zwickauer Straße dran. Der Imbiss Abi-El Pascha gibt dem Spielplatz in dem Weidaer Wohngebiet seinen Namen. „Also, wer kommt jetzt mit zum Spielplatz?“, fragt der Sprungbrett-Mitarbeiter noch einmal die Kinderschar. Ragat und Anna melden sich. „Wissen Eure Eltern Bescheid?“ Die beiden Drittklässlerinnen nicken. Dann kann es ja losgehen – über die Fußgängerampel an der Chemnitzer Straße, an der Kita Bärenfreunde vorbei, die Ragat und Anna selbst besucht haben, und schließlich über einen Fußgängerweg zwischen den Wohnblocks zur Zwickauer Straße. Die Schülerinnen plappern auf dem Weg zum Dönerspielplatz ohne Unterlass.

Dort spielen bereits andere Kinder im Grundschul- und Kita-Alter im Sand, klettern auf den Gerüsten herum. Eine Handvoll Eltern sitzt am Rand. Die Erwachsenen quatschen, einige rauchen und sehen ihren Kindern zu. Sie grüßen Wolfgang Prieps. Er gehört offenbar schon irgendwie dazu. Auf dem Spielplatz kommt er immer auch ins Gespräch mit den Eltern, erfährt, welche Probleme sie haben. „Ihnen fällt es zunehmend schwer, ihren Kindern bei den Hausaufgaben zu helfen.“ Ein großer Teil seiner Arbeit sei ohnehin „Elternarbeit“. Probleme hätten vor allem Alleinerziehende. Prieps lädt sie mit ihren Kindern in den „Aufladen“ zu den Nachhilfestunden ein. „Häufig erklären wir dort eher den Eltern, wie sie die Aufgaben lösen können, anstatt den Kindern“, erzählt er. Der Leistungsdruck und der Schulstress seien schon ab der zweiten Klasse enorm. „Meiner Meinung nach bekommen die Kinder zu viele Hausaufgaben auf.“

Einfach mal Kind sein

An den Nachmittagen, an denen Prieps auf den Spielplätzen unterwegs ist, verfolgt er kein spezielles pädagogisches Ziel – die Kinder müssen ihm nichts beweisen, nichts leisten. „Sie sollen einfach nur mal Kind sein können“, sagt er, während er auf dem Dönerspielplatz das Dreirad vom Lastenfahrrad nimmt und auf dem sandigen Boden abstellt.

Das Riesenjenga findet gleich Anklang. Kaum hat Wolfgang Prieps die ersten Stockwerke aus je drei Holzklötzen aufgebaut, bekommt er Unterstützung von Kindern und Eltern. Wenn alle Klötze verbaut sind, ziehen die Mitspieler nacheinander einzelne Klötze aus dem Turm heraus und legen sie oben wieder drauf. So wird er immer höher und immer wackliger – bis er schließlich schwankt und umfällt. Dann geht es wieder von vorne los.

Zwei Stunden bleibt „Wolfi“ auf dem Spielplatz, am Abend packt er die Spielsachen wieder auf das Lastenfahrrad und radelt zurück zum Stendaler U. „Die schönste Bestätigung für mich ist, wenn die Kinder mich beim Einpacken fragen: Wolfi, wann kommst Du wieder?“