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Auf Zeitreise durch Gröditz

Zum Höhepunkt der 800-Jahr-Feier lassen die Veranstalter die Stadtgeschichte an elf Stationen aufleben.

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© Matthias Seifert

Von Kevin Schwarzbach

Gröditz. Während im Hintergrund das Spinnrad geduldig seine Runden macht und die Flachsbreche knallt, dreht die Seilerei die Stricke unaufhörlich ineinander. An den historischen Geräten sitzen Frauen und Männer in bäuerlicher Kleidung und versetzen die Zuschauer zurück in die traditionelle Handwerkszeit auf dem Dreiseithof in Gröditz. Sie präsentieren eine Epoche, in der die Menschen noch nicht einfach losmarschieren und sich neue Kleidung kaufen konnten, eine Zeit, in der vom Flachs über den Faden bis zum Hemd noch alles selbst erledigt werden musste, wenn man neue Kleidung brauchte.

Kein Stadtfest ohne Karussell fahren: Am Wochenende wurde in Gröditz auch an Angebote für Kinder gedacht.
Kein Stadtfest ohne Karussell fahren: Am Wochenende wurde in Gröditz auch an Angebote für Kinder gedacht. © Matthias Seifert
Es geht rund: Studenten ließen die Gröditzer die Spaß-Sportart „Bouncing Balls“ ausprobieren.
Es geht rund: Studenten ließen die Gröditzer die Spaß-Sportart „Bouncing Balls“ ausprobieren. © Matthias Seifert

Die Szenerie wird zwar begleitet von moderner Schlagermusik, nebenan gibt es Fassbier und Limo, doch Heidrun Lösche und ihre Mitstreiter vom Heimatverein Hirschfeld geben ihr Bestes, um beim Festwochenende zum 800-jährigen Bestehen von Gröditz die Geschichte glaubwürdig auferstehen zu lassen.

Der Dreiseithof gehört am vergangenen Sonntag zu einer von insgesamt elf Stationen, die im Rahmen des „Historischen Streifzugs“ in Gröditz erkundet werden können. Unter dem Motto „Geschichte wird dort erzählt, wo sie passiert ist“ können die Besucher an den Orten mehr über die Gröditzer Geschichte erfahren – beispielsweise wie der Wasserturm entstand, wer Siegfried Richter war und welchen Einfluss das Zellstoffwerk und das Stahlwerk auf die Entwicklung der Stadt hatten. An verschiedenen Punkten warten zudem Zeitzeugen auf die Besucher.

Anders als bei einer Führung können sie beim „Historischen Streifzug“ frei entscheiden, welche Stationen sie ansteuern und in welcher Reihenfolge sie diese aufsuchen. Jede Station funktioniert auch für sich allein, aber insgesamt ergeben die elf Punkte eine kurzweilige Zeitreise durch die Stadtgeschichte – zusammengestellt von einem Team um Ortschronist Paul Namyslik. – So ist beim Heimatverein Hirschfeld an Station sechs nicht nur zu erfahren, wie die Bauern früher lebten, sondern auch herauszufinden, wie sich der Dreiseithof über die Jahre entwickelt hat.

„Für diese Nachstellung greifen wir neben den Schautafeln der Stadt auf den Fundus unseres Vereins und die historischen Geräte von Leuten aus dem Ort zurück“, sagt Heidrun Lösche, die mit ihren Mitstreitern in kurzer Zeit die Besucher anzieht. Die wollen wissen, wie die Seilerei funktioniert, welche Tricks beim Flachsbrechen zu beachten sind und wie es danach weitergeht. Heidrun Lösche steht geduldig Rede und Antwort, ist sie mit ihrem Verein doch regelmäßig auf Märkten und Festen unterwegs.

Ein merkwürdiger Sport

Doch nicht nur für reichlich Geschichtsunterricht ist auf dem Rundgang gesorgt, auch die körperliche Betätigung soll an diesem Festsonntag nicht zu kurz kommen. Vier Studenten aus Dresden präsentieren an Station acht eine Spaß-Sportart, die hierzulande noch recht unbekannt ist: „Bouncing Balls“ nennen die Gründer des Start-ups „Koalabase“ die Betätigung, bei der die Spieler in durchsichtige, mit Luft gefüllte Bälle schlüpfen, die sie dann wie eine Rüstung am Körper tragen.

„Wer einmal in dem Ball ist, kann dann eigentlich machen, was er will“, sagt Mitgründer Marek Schulze. „Vordergründig versuchen wir, Fußballturniere für alle Altersklassen zu organisieren, bei dem das gegenseitige Schubsen in den Mittelpunkt rückt“, so Schulze. „Doch wir hatten auch schon Kinder dabei, die sich einfach minutenlang in dem Ball über den Rasen gerollt haben.“ Was, wie das gegenseitige Schubsen, aufgrund der Gurte und der dicken Luftschicht laut den Gründern gänzlich ungefährlich ist, wie dann auch gleich eine Großmutter mit ihrer Enkelin testet.

Was nicht für alle Arbeiten gilt, die die Bauern früher verrichten mussten. „Da waren auch ein paar härtere Aufgaben dabei“, sagt Heidrun Lösche. „Uns geht es an diesem Tag aber vor allem darum, das traditionelle Handwerk zu zeigen, wie es auf dem Dreiseithof früher praktiziert wurde.“ Den Besuchern gefällt die Reise in die Vergangenheit: Kaum ist ein Seil gedreht, fordern sie schon das nächste, bevor es dann weiter zu einer der anderen elf Stationen geht.