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Auf Umwegen zum Klempnermeister

Lutz Haubold wollte eigentlich einen anderen Beruf lernen. Aber die Handwerkskammer meinte, das ist ein Job für Mädchen.

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© Dietmar Thomas

Von Cathrin Reichelt

Döbeln. Dass er einmal den goldenen Meisterbrief als Klempner und Installateur in den Händen halten würde, hätte Lutz Haubold als Jugendlicher nie gedacht. Schneider, das war sein Traumberuf. Gern hätte er ihn bei seinem Onkel gelernt. Doch bei ihm war eine Ausbildung nicht möglich. Deshalb sah sich der junge Mann anderweitig um und musste feststellen, dass die Handwerkskammer von seinem Wunsch gar nicht begeistert war. „Sie waren dagegen, dass ein Junge Schneider lernt. Das war ein Mädchenberuf“, erzählt der heute 76-Jährige. Aber Haubold setzte sich durch und ergatterte eine Lehrstelle bei Schneidermeister Erwin Heim. „Der hatte ein Geschäft, wie man es sich in dieser Branche vorstellt – mit Anprobierraum“, schwärmt Lutz Haubold heute noch. Sein Traum von der Schneiderlehre platzte trotzdem. Zwei Wochen vor Ausbildungsbeginn erhielt er einen Brief aus Dortmund. Dorthin hatte sich die Familie des Schneiders über Nacht abgesetzt.

Was nun? Für das anstehende Lehrjahr gab es nur noch vier Ausbildungsplätze: Müller, Bäcker, Gärtner und Klempner. „Ich hätte lieber Gärtner gelernt, aber mein Vater sagte, ein Metallberuf ist eine reelle Sache“, erzählt Haubold. Eine Woche später stand er als neuer Lehrling in der Werkstatt von Klempnermeister Alfred Hentzschel. „Gewollt habe ich das nicht. Ich hatte keine Vorstellungen von dem Beruf“, so Haubold. Seine Ausbildung im Jahr 1956 begann auch damit, dass er überwiegend Töpfe reparieren musste. Die Materialknappheit hielt die gesamten drei Jahre seiner Lehrzeit an. Trotzdem sagt er: „Nach ein wenig Eingewöhnung bin ich gern arbeiten gegangen.“

Im Jahr 1958 gründete sein Lehrmeister mit drei Kollegen die PGH, die heutige Firma Installationstechnik. „Ich bin mitgegangen und geblieben.“ Und nicht nur das. Im Alter von 22 Jahren haben ihn drei Kollegen überredet, auch noch den Meisterlehrgang zu besuchen. „Das war nicht so sehr mein eigener Antrieb“, gibt der Mannsdorfer zu. 1966 hatte er den Meisterbrief in der Tasche. „Von da an hatte ich immer den Gedanken, mich selbstständig zu machen. Aber das war in dieser Zeit nicht gewollt“, erzählt er. Haubold wurde sich sogar mit dem Inhaber der Klempnerei Junghans einig, dessen Betrieb zu übernehmen. In einem solchen Fall wollten aber auch das Kreisbauamt, die Handwerkskammer und das Gewerbeamt der Stadt gefragt werden. „Nach zwei Jahren Kampf kam die Absage“, so Haubold. Selbst ein Schreiben an den Staatsrat habe nicht geholfen.

Also hat Lutz Haubold bei der PGH weitergearbeitet – bis 1991. Dann hat er sich den zweiten Traum seines beruflichen Lebens doch noch erfüllt: die Selbstständigkeit. Nun übernahm er die Werkstatt der Klempnerei Junghans. „Dieser Schritt hat mich viel Zeit und Geld gekostet“, so Haubold. Denn die Räume hatten 20 Jahre leer gestanden. Ein Jahr dauerte die Sanierung. Das veraltete Werkzeug musste komplett ausgetauscht werden. „Und ich hatte den Bedarf an Klempnerarbeiten unterschätzt. Es dauerte nicht lange, da musste ich einen Gehilfen einstellen“, erzählt der Meister. „Wir wussten nicht, wo wir zuerst anfangen sollten. Und es gab Material in Hülle und Fülle.“

Über kleinere Startschwierigkeiten muss Lutz Haubold heute schmunzeln. Zwei Jahre hat es gedauert, bis er in der Werkstatt ein Telefon bekam. Bis dahin hat er sich regelmäßig an die Schlange der Telefonzelle an der Post angestellt. „Wenn man dann endlich denjenigen dran hatte, den man sprechen wollte, war das Geld alle“, erzählt er. Die Aufträge kamen noch mit der Postkarte und die Zahlungsmoral der Kunden war gut. Das habe sich später bei einigen geändert. Die größten Projekte, die die Firma Haubold umgesetzt hat, waren die Kirchtürme von Gleisberg, Hainichen, Hartha und Schönerstädt, die mit Kupferblech gedeckt wurden.

Bis 2008 hat Lutz Haubold den Betrieb geführt, letztendlich mit sechs Mitarbeitern. Außerdem hat er fünf Lehrlinge ausgebildet. Die Firma wird heute von Sohn Sven geleitet. Ganz loslassen kann der Vater noch immer nicht. Wenn Not am Mann ist, unterstützt er den Sohn stundenweise.