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Auf Umwegen zum Beruf

Am BSZ Christoph Lüders in Görlitz gibt es ein besonderes Vorbereitungsjahr. Das hilft vielen.

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© nikolaischmidt.de

Von Ralph Schermann

Görlitz. Loredana Ardore (18) hat es geschafft. Nachdem sie auf der Realschule zweimal sitzenblieb, half ihr ein Berufsvorbereitungsjahr im Beruflichen Schulzentrum Christoph Lüders (BSZ) in Görlitz. Für Maria Herzig (17) war dieser Weg sogar ein Muss, weil Förderschüler wie sie kein Abgangszeugnis für direkte Lehrbewerbungen bekommen. „Das Berufsvorbereitungsjahr war Lebenshilfe“, blickt Maria zurück. Sie und Loredana beendeten es Mitte 2016 und haben jetzt bereits das erste Lehrjahr fast herum. Beide lernen drei Jahre lang den Beruf einer Kauffrau im Einzelhandel.

Das Berufsvorbereitungsjahr ist eines von mehreren Bildungsangeboten, letztlich doch jedem Schüler zu einem Abschluss zu verhelfen. Im BSZ werden 15- bis 17-Jährige aufgefangen, die in Görlitz und rund 30 Kilometer Umkreis ohne Hauptschulabschluss die Oberschulen verlassen mussten. Dazu kommen Abgänger ab Klasse 7, die ihre allgemeine Schulpflicht nicht erfüllt haben – wegen häufiger Schulwechsel, Verhaltensauffälligkeiten, psychischen Problemen oder schlicht und einfach Faulheit. Ins Berufsvorbereitungsjahr kommen auch vom Projekt „Flügelschlag“ Konsulstraße aufgefangene Schulverweigerer. Abgänger der Förderschulzentren Görlitz und Niesky erhalten ihre Berufsvorbereitung überwiegend in speziellen Löbauer und Nieskyer Schulen, können aber – so wie Maria Herzig – bei guten Vorleistungen auch ans Görlitzer BSZ zugelassen werden.

Zurzeit besuchen 32 Schüler die zwei Klassen des Görlitzer Berufsvorbereitungsjahres. 34 waren es zum Schuljahresstart, aber es gibt eben auch in dieser Bildungsrichtung Schulverweigerer. Zusätzlich zu drei speziellen Fachlehrern kümmert sich ein Sozialpädagoge um die Klassen, die seit Jahren schon immer mit 30 bis 40 Schülern besetzt sind. „Es ist kein Trend in Sicht, dass es weniger werden“, berichtet Schulleiterin Beate Liebig. Im Gegenteil: Der Bedarf könnte schon deshalb zunehmen, weil auch immer mehr Schüler mit Migrationshintergrund ins Berufsvorbereitungsjahr kommen, derzeit neun. Dabei geht es nicht nur um die konkrete Berufsvermittlung und Aneignung praktischer Fähigkeiten, betont Angelika Kreusch, Fachberaterin für die Landkreise Görlitz und Bautzen: „Die jungen Leute sollen Zusammenhänge der Lebens- und Arbeitswelt erkennen und die Bedeutung der Arbeit erfahren. Stärken und Schwächen sollen ihnen bewusst werden, ebenso wie man Kritik annimmt.“

Am BSZ Görlitz gibt es dafür drei Berufsfelder. Pflicht ist der Komplex Ernährung, Hauswirtschaft, Gästebetreuung. Den zweiten Komplex können die Schüler wählen – entweder Farbtechnik/Raumgestaltung oder Gesundheit/Pflege. Projekte wie „Die erste eigene Wohnung“ dienen der Anwendung gelernten Wissens. Und zur einjährigen Ausbildung gehört ein vierwöchiges Praktikum. „Die Firmen dafür müssen sich unsere Schüler selbst suchen“, erklärt Angelika Kreusch und freut sich über einen dabei beobachteten Wandel: „Die Betriebe legten im Lauf der Zeit immer mehr ihre Vorbehalte ab.“ Mehr noch: Dass viele Firmen Absolventen des Berufsvorbereitungsjahres „gern gleich behalten möchten“, beweist der Fachberaterin eine pädagogisch sehr erfolgreiche Arbeit und gute Vermittlung von Sozialkompetenz. Auch Loredana Ardore und Maria Herzig stehen dafür als eindrucksvolles Beispiel: Sie absolvierten ihr Schulpraktikum bei „Adler“ und bei „Roller“ in Königshufen so gut, dass sie anschließend sofort einen Lehrvertrag angeboten bekamen.

Schulleiterin Beate Liebig hat immer mehr Einrichtungen auf ihrer Liste, denen sie für die Zusammenarbeit mit den Schülerinnen und Schülern dankt, das Autohaus Büchner etwa, das Altenpflegeheim Hildegard Burjan, die Bäckerei Tschirch oder das Gerhart-Hauptmann-Theater, um nur einige zu nennen. „Im Praktikum fallen syrische und afghanische Schüler sehr positiv auf und überzeugen mit Leistungen trotz sprachlicher Probleme“, ergänzt sie.

Durchschnittlich jeder zweite Schüler beendet das Berufsvorbereitungsjahr erfolgreich. Wer auch hier den Hauptschulabschluss nicht schafft, bekommt weitere Chancen. Denn insgesamt gilt „Fördern durch Fordern“, wie es die Berufseinstiegsbegleiterin des Görlitzer Förderschulzentrums Mira Lobe, Rosemarie Köster, gern formuliert – mit Erfolg. Dank ihrer Schüler endete das 2016er Berufsvorbereitungsjahr mit sachsenweit überragenden 80 Prozent Abschlüssen. Maria Herzig bekam sogar eine besondere Auszeichnung. Sie war damals stolz auf sich – und dem BSZ dankbar.