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Auf Tuchfühlung mit der Truppe

Die Bundeswehr sucht händeringend Nachwuchs – auch mit eher ungewöhnlichen Aktionen.

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© René Plaul

Von Sebastian Kositz

Legosteine, zusammengesteckt zur Form einer Pistole. Daneben glotzt Darth Vader, der Schurke aus Star Wars, als Plastik-Spielzeug aus der Vitrine. Und ein paar Meter weiter grüßt das Sandmännchen – heldenhaft als Kosmonaut. Die Jugendlichen vom Bautzener Philipp-Melanchthon-Gymnasium blicken gebannt auf die Objekte, während ein Mitarbeiter vom Militärhistorischen Museum in Dresden erklärt, wie im Wechsel der Zeiten schon Kinder mit subtiler Propaganda im Spielzimmer für Waffen, Armee und Krieg begeistert wurden.

Beinah einen ganzen Schultag verbringen die Neuntklässer in Dresden. Auf dem Programm steht eine Führung durchs Militärhistorische Museum, später schauen die Jugendlichen auch gleich in der benachbarten Offizierschule des Heeres vorbei. Alles auf Einladung der Bundeswehr. Die Truppe sponsert die Busfahrt, besorgt die Eintrittskarten und spendiert den Mädchen und Jungen in ihrer Kantine sogar noch ein Mittagessen. Nicht selbstlos, wie Marcel Dietel unumwunden einräumt. Der Leutnant gehört zur Karriereberatung der Bundeswehr in Bautzen, die in Ostsachsen, im Gebiet zwischen Radeberg und Görlitz vor allem ein Ziel verfolgt: Nachwuchs rekrutieren.

Seit dem Wegfall der Wehrpflicht Mitte 2011 haben Deutschlands Streitkräfte ein echtes Problem. Bis dahin konnte die Bundeswehr auf die vielen jungen Männer vertrauen, die Jahr für Jahr eingezogen wurden und von denen sich dann etliche für weitere Jahre verpflichtet oder sich gleich ganz für eine berufliche Karriere in der Armee entschieden hatten. Doch inzwischen muss die Bundeswehr für sich als Arbeitgeber werben, wie viele andere Unternehmen auch. „Wir stehen da längst in ganz normaler Konkurrenz mit der freien Wirtschaft“, erklärt Marcel Dietel.

Rund 60 Berufe im Angebot

Der Leutnant tourt deshalb regelmäßig durch die Landkreise Bautzen und Görlitz, ist an Oberschulen und Gymnasien sowie Berufsschulzentren zu Gast, um dort für die Studien- und Ausbildungsmöglichkeiten bei der Bundeswehr zu werben. Und gelegentlich nehmen er und seine drei Kollegen Schulklassen mit auf einen Ausflug. Auf den Truppenübungsplatz Oberlausitz, ins Flugmedizinische Institut nach Königsbrück oder wie jetzt ins Militärhistorische Museum und die Offizierschule in Dresden. Den angehenden Abiturienten wollen die Karriereberater vor allem die Studienmöglichkeiten beim Bund ans Herz legen.

Noch bevor die Schulklasse am Donnerstagvormittag in Bautzen losgefahren ist, hatte Marcel Dietel in einem Vortrag für die etwa zwei Dutzend verschiedenen Studienfächer und rund 60 Berufe bei der Bundeswehr geworben. Beste Bedingungen bei der Ausbildung, keine überfüllten Hörsäle, eigene Schwimmhallen und Kletterwände und natürlich die Besoldung – Marcel Dietel fallen viele Argumente für ein Studium in Verbindung mit einer militärischen Karriere ein. Und die Gefahren?

Verpflichtungsdauer schreckt ab

Im Militärhistorischen Museum stoßen die jungen Besucher an diesem Vormittag auf Schritt und Tritt auf die Folgen des Krieges: von Stabbomben im Zweiten Weltkrieg zerstörte Dresdner Gehwege, die vernichtende Wirkung von Atombomben. Nicht gerade die besten Argumente, die für einen Job in der Uniform sprechen. „Wir informieren ganz offen. Über positive Dinge und negative“, sagt Marcel Dietel. Und wer sich für ein Studium in Rahmen einer Offizierslaufbahn entscheidet, müsse damit rechnen, später auch für einen Einsatz im Ausland herangezogen zu werden. Die Frage danach ist auch an diesem Vormittag Marcel Dietel bereits gestellt worden.

Den jungen Bautzenern ist indes durchaus bewusst, dass sie sich nicht auf einer normalen Geschichtsexkursion befinden. Ein Problem haben sie damit nicht. Durchaus interessant findet die 14-jährige Tanja dann auch die Studienangebote der Bundeswehr. „Mich schreckt allerdings die lange Verpflichtungsdauer ab“, erklärt die Schülerin. Für Geschichtslehrerin Beate Glöckner ist es ebenso kein Problem, dass die Bundeswehr mit klarem Interesse hinter dem Ausflug steckt. Die Berufsorientierung ist in der neunten Klasse ohnehin ein Thema, auch die Bundeswehr gehöre da als möglicher Arbeitgeber dazu. Zugleich können die Dinge, die im Militärhistorischen Museum zu erfahren sind, mit in den Geschichtsunterricht eingebunden werden.

Wie erfolgreich die Karriereberater mit ihrer Strategie sind, ist für Marcel Dietel schwer einzuschätzen. „Die Schüler sind sehr jung. Wir wollen ihnen zunächst überhaupt erst einmal zeigen, dass es uns gibt“, erklärt Marcel Dietel, der den Ausflug nach Dresden auch als eine Form der Imagepflege versteht. Die Eindrücke aus der aussagekräftigen Schau im Militärhistorischen Museum werden den Schülern – so viel steht schon einmal fest – ganz sicher in Erinnerung bleiben.

Karriereberatung der Bundeswehr Bautzen, Käthe-Kollwitz-Straße 15; Sprechzeiten: Mo.-Do. 8-15 Uhr; Fr. 8-11 Uhr; Kontakt 03591 274877.

[email protected]