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Auf Tour mit einer pferdelosen Kutsche

Mit seiner E-Droschke ist Lothar Hanusch ein beliebtes Fotoobjekt in Dresden. Die Geheimnisse des Gefährts kennen die wenigsten.

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© Christian Juppe

Von Henry Berndt

Pferdegetrappel und ein Wiehern auf dem Neumarkt. Die Touristen eilen beiseite und drehen sich um. Pferde allerdings sind weit und breit keine zu sehen. Stattdessen grüßt ein älterer Herr mit grauem Bart und schwarzem Zylinder freundlich von einem Gefährt, das ganz offensichtlich aus der Zeit gefallen ist: eine dunkelblaue Droschke mit dem Bild einer Königskrone an der Tür, mit schwarzen Ledersitzen und einem zurückgeklappten Verdeck.

„Wenn mich Leute fragen, welches Baujahr die Droschke hat, dann können sie die Antwort meistens nicht fassen“, sagt Lothar Hanusch, der Fahrer. „2013.“ Viele verstünden automatisch 1913, aber tatsächlich ist dieses besondere Gefährt gerade einmal vier Jahre alt. Ersonnen und gebaut wurde es von einem Rheinländer, dem Geschäftsmann Johannes-Hermann Jumpertz. Der hat Dresden bei einem Besuch so schätzen gelernt, dass er die Droschke von Anfang an auf die hiesigen Straßen schicken wollte. Von seinen inzwischen acht Fahrern ist Lothar Hanusch der dienstälteste und derjenige, der die Fäden bei der Fahrtenplanung in den Händen hält. Vor sechs Jahren bewarb sich der 63-jährige Dresdner erfolgreich um den Job, nachdem er zuvor als selbstständiger Handelsvertreter an seine gesundheitlichen Grenzen gestoßen war. Führer- und Personenbeförderungsschein, mehr war nicht nötig. „Es fährt sich einfacher, als man denkt“, sagt er. Wie ein Automatikauto mit Elektroantrieb. Bis zu fünf Stunden hält der Akku, dann muss Hanusch bis zu zwei Stunden lang nachladen.

Wenn er nicht gerade für eine Hochzeit oder andere Jubiläen unterwegs ist, wartet Hanusch häufig am Neumarkt auf spontan Entschlossene. Das ist noch immer das Kerngeschäft. An diesem sonnigen Nachmittag hat er aber eine bestellte Tour. Ein älteres Paar aus Leipzig würde gern zwei Stunden lang die Jugendstilhäuser in Striesen und das Villenviertel von Blasewitz erkunden. 160 Euro zahlen sie zu zweit dafür. Maximal passen fünf Gäste in die Droschke. Und schon kann es losgehen. „Nur eine Verpflichtung haben Sie als meine Gäste“, ruft Hanusch noch nach hinten: das niedere Volk huldvoll grüßen.“

Fahren darf die E-Droschke nur auf offiziellen Straßen, anders als zum Beispiel die Pferdekutschen, die auch mal in der Fußgängerzone zu sehen sind. 23 Pferdestärken sind eben auch mehr als zwei. Die Droschke mit ihren Vollgummireifen gilt als Auto, hat deswegen auch alles, was ein Auto braucht: Blinker, Fernlicht, Nummernschild. Die Schalter sind in einem kleinen Holzkästchen versteckt. Von hier aus kann bei Bedarf auch die Sitzheizung aktiviert werden. Die Gäste sollen sich ja auch zu Weihnachten wohlfühlen.

Wieder tuckert und wiehert es. Die Leute am Straßenrand lachen auf. „Eigentlich sollte das nur unsere Hupe sein“, sagt Hanusch. „Wir hätten nie gedacht, dass wir damit so viel Freude bereiten.“ In Striesen angekommen, weist er seine Gäste auf verspielte Details an den Villenfassaden hin. Er ist kein ausgebildeter Stadtführer, aber die eine oder andere Anekdote dürfen seine Gäste erwarten.

In fremde Hände geben würden Hanusch und sein Chef den edlen Wagen nie. Als sich vor zwei Jahren der Fernsehkomiker Michael Kessler die Droschke für eine zweiwöchige Reise auf der romantischen Straße in Bayern auslieh, war auch Lothar Hanusch Teil des Filmteams. „Ich bin auf dem Fahrrad hinterhergefahren“, sagt er. „Als Bodyguard für die Droschke.“