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Auf Spurensuche in Promnitz

Bernd Grunwald forscht zum Leben seiner Mutter, die als Vertriebene im Schloss lebte. Jetzt bekommt er Antworten.

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© Sebastian Schultz

Von Antje Steglich

Promnitz. Promnitz, 1945: Eine Kastanienallee führt zum Rundbogen am Schlosseingang. Hinter den alten Mauern stehen edle Möbel und mit Meißner Porzellan verzierte Kaminöfen, große Gemälde hängen an den Wänden. Doch Familie Rudolph lässt all ihre Besitztümer zurück. Mittellos flüchten die enteigneten Schlossbesitzer Ende des Zweiten Weltkrieges nach Rügen – dabei können die neuen Schlossbewohner mit den teuren Statussymbolen nicht viel anfangen. Die Vertriebenen, die nach den Rudolphs in Promnitz einziehen, brauchen vor allem Betten und Lebensmittel. Und beides ist Mangelware. Die etwa 30 Umsiedlerfamilien, wie sie zu DDR-Zeiten genannt wurden, schlafen im Saal, im Turm oder über den Ställen auf Strohsäcken und müssen sich das wenige Essen oft bei den umliegenden Bauern erbetteln oder in der Natur suchen.

Schloss Promnitz
Schloss Promnitz © ronaldbonss.com

„Oftmals gab es nur Brennnessel- oder Rübensuppe. Das hat meine Oma auch mal für mich gekocht, damit ich weiß, wie das früher war“, erinnert sich Bernd Grunwald aus Röderau. Seine Großeltern stammen aus Jägerndorf im damaligen Sudetenland. 1945 wird die Familie mit den drei Kindern ausgewiesen, die Bombardierung von Dresden erleben die Beigels im Straßengraben bei Großenhain, weiß der Enkel aus Erzählungen. Erst im Dezember bekommen sie schließlich eine Wohnung in Röderau zugewiesen – von der Zeit dazwischen weiß Bernd Grunwald kaum etwas. Der 82-jährige Onkel hat erzählt, dass die Familie zunächst in einem Kuhstall in Promnitz untergebracht war, „jetzt suche ich Anhaltspunkte“, sagt der Röderauer beim zweiten Promnitzer Gesprächskreis der vertriebenen schlesischen Familien. Dort trifft er das Promnitzer Urgestein Ursula Schier – und die kann sich noch gut an Hertha, die Mutter von Bernd Grunwald, und deren Geschwister erinnern.

„Die Beigels waren im Gebäude neben dem Gewölbestall untergebracht“, sagt die 77-Jährige. Sie selbst ist damals gerade fünf Jahre alt und spielt oft mit den Kindern im benachbarten Schloss. „Das waren eine ganze Menge. Es war ja jedes Zimmer belegt“, erinnert sich Ursula Schier und hat noch erstaunlich viele Namen parat. Die Beigels haben sich die Räume damals mit den Sefelds geteilt, ist sich die Rentnerin sicher. An die genauen Umstände kann sie sich zwar nicht mehr erinnern, „ich war ja noch jung“. Dass das Leben nach dem Krieg hart war, weiß sie aber selbst noch aus eigener Erfahrung. Trotzdem habe es für die Kinder auch manch unbeschwerte Momente und auch einige fröhliche Feste gegeben.

Während die Familie von Bernd Grunwald Promnitz schon nach einem guten halben Jahr wieder verließ, blieben andere Vertriebene dauerhaft in dem kleinen Ort an der Elbe. Nach der Bodenreform bekamen einige von ihnen ein Stückchen Land rings um das Schloss übertragen. Einige bauten hier Häuser, andere blieben bis zum Lebensende im Schloss wohnen, erinnert sich Ursula Schier.

„Ich bin froh, dass sich jemand an meine Mutter erinnern kann“, sagt Bernd Grunwald nach dem Treffen. „Früher war immer anderes wichtig. Jetzt bin ich Rentner und habe Zeit. Aber jetzt ist es schwierig, überhaupt noch etwas von früher zu erfahren.“ Das findet auch Marianne von Wolffersdorff, die den Gesprächskreis ins Leben gerufen hat. Sie will die Erinnerungen von damals konservieren und hat deshalb schon zahlreiche Gespräche mit Vertriebenen geführt, Fotos und Dokumente gesammelt. Perspektivisch soll daraus ein Buch entstehen. Es wäre die logische Fortsetzung des jüngsten Werkes von Marianne von Wolffersdorff: „Schloss Promnitz – Die Geschichte von Schloss Promnitz und seiner Geschlechter bis 1945“.