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Auf Knopfdruck Milch gezapft

Nirgendwo ist es für Verbraucher so leicht, an Rohmilch zu kommen, wie im Landkreis. Doch profitieren die Erzeuger davon?

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© Andreas Weihs

Von Gunnar Klehm und Carina Brestrich

Somsdorf. Marc Bernhardt zeigt, wie es geht: einfach die leere Flasche unter den Auslauf halten, Knopf drücken, Geld in die Kasse – und schon lässt sich die Milch frisch vom Bauernhof mit nach Hause nehmen. Seit Juni 2016 gibt es auf dem Hof von Familie Bernhardt in Somsdorf eine Milchtankstelle. Und tatsächlich: Der naturbelassene, ursprüngliche Geschmack von Rohmilch kommt gut. Landwirt Marc Bernhardt ist selbst überrascht, wie gut die Zapfstelle angenommen wird. Pro Tag gehen etwa 30 Liter weg: „Am Wochenende sogar noch mehr“, sagt Bernhardt.

Die Milchtankstelle in Somsdorf eine von sieben Verkaufsstellen für Rohmilch im Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge. In keinem anderen Landkreis in Sachsen gibt es mehr. Das geht aus einer Antwort von Landwirtschaftsminister Thomas Schmidt (CDU) auf eine Anfrage von Bündnis 90/Die Grünen im Landtag hervor. Zwar spricht das Ministerium von sechs Milchtankstellen im Landkreis. Nach SZ-Recherchen gibt es inzwischen aber sieben.

Den Grünen geht es darum, Landwirtschaftsbetriebe bei der Einrichtung von Hofläden und Milchtankstellen zu unterstützen. „Um Betriebe zielgerichtet zu beraten, sollte der Freistaat evaluieren, welche Milchtankstellen funktionieren und welche nicht sowie die jeweiligen Gründe“, fordert der Abgeordnete Wolfram Günther.

In Sachsen gibt es zahlreiche Vorschriften, die bei der Einrichtung von Milchtankstellen zu beachten sind. Dass es keine in Supermärkten gibt, hat beispielsweise damit zu tun, dass generell verboten ist, Rohmilch oder Rohrahm an Verbraucher abzugeben. Die Tierische Lebensmittel-Hygieneverordnung (Tier-LMHV) lässt nur wenige Ausnahmen zu. Dazu zählt, wenn die Abgabe direkt im Milcherzeugungsbetrieb erfolgt und am Tag der Abgabe oder am Tag zuvor gewonnen worden ist. Außerdem verlangt der Gesetzgeber, dass gut sichtbar und lesbar der Hinweis „Rohmilch, vor dem Verzehr abkochen“ angebracht ist.

Für die Kunden bedeutet das, dass sie zum Erzeuger hinfahren müssen. Das ist in der Regel auf dem dünner besiedelten Land. Die Erzeuger müssen sich also darauf einstellen, dass es keinen permanenten Kundenstrom gibt. Der wirtschaftliche Effekt ist deshalb bei den meisten bescheiden. „Wir bereuen trotzdem nicht, den Automaten angeschafft zu haben“, sagt Henryk Schultz, Geschäftsführer der Agrargenossenschaft Oberes Elbtal in Reinhardtsdorf. Denn die Milchzapfanlage hat noch einen Nebeneffekt. Sie hilft, den Menschen die Landwirtschaft näher zu bringen: „So mancher schaut sich auch mal die Kühe an“, sagt Schultz.

Für Familie Bernhardt in Somsdorf bringt der Milchautomat inzwischen sogar ein bisschen was ein. „Mittlerweile wirft er so viel ab, dass sich eine Arbeitskraft davon bezahlen lässt“, sagt Marc Bernhardt. Das liegt auch an den anderen hofeigenen Produkten, die der Betrieb in einem Kühlschrank gleich neben dem Automaten anbietet: Wer sich dort Fleisch, Wurst, Eier und Joghurt holt, nimmt gern auch eine Flasche Milch mit. „Die Hälfte der Kunden kommt wegen der Milch, die andere Hälfte wegen der anderen Produkte“, schätzt Bernhardt. Darunter seien viele Dresdner.

Für die Grünen sind Milchtankstellen nur ein Schritt von vielen, um zu mehr Regionalvermarktung und höherer regionaler Wertschöpfung zu gelangen. „Dies macht die sächsische Landwirtschaft unabhängiger von internationalen Preiskrisen. Das Geld bleibt vor Ort und trägt zur Entwicklung des ländlichen Raums bei“, erklärt der Abgeordnete Günther. In Sachsen gibt es derzeit 34 Milchtankstellen. Von den sechs im Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge werden drei von einzelnen Landwirtschaftsbetrieben und drei von Genossenschaften betrieben.

Hier gibt es Rohmilch zu kaufen: Somsdorf, Lübauer Straße 3; Reinhardtsdorf, Schrammsteinblick 67a; Niederseidewitz Nr. 22; Dorf Wehlen, Pirnaer Str. 19; Dürrröhrsdorf-Dittersbach, Porschendorfer Straße 8; Cotta A 39a; Helbigsdorf, Obere Dorfstraße 15.