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Kein Zug nach Nirgendwo

Der neue Bahnsteig in Pulsnitz sorgt immer wieder für Irritationen. Manchmal sehen Fahrgäste nur die Rücklichter.

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© René Plaul

Reiner Hanke

Pulsnitz. Der Bahnsteig 2 in Pulsnitz ist ein Schmuckstück. Er ist ja auch erst seit einem Jahr in Betrieb. Seitdem sorgt er aber auch für Irritationen. Das kann Lucas Förster gut beobachten. Denn der Student wohnt im ehemaligen Bahnwärterhäuschen. Und neben dem Fenster steht ein Schreibtisch mit Blick auf Bahnsteig 2. Der junge Mann wohnt erst seit vorigem Sommer an der Bahnlinie. Für ihn ist das perfekt. Denn so ist er zum Beispiel ruckzuck in Dresden. Aber nicht vom Bahnsteig 2 aus. Denn der wird eher selten gebraucht. Die Strecke ist eingleisig. Ganz ohne eine Ausweich- oder Kreuzungsstelle geht es aber auch nicht. Der Bahnsteig wird nur in Ausnahmesituationen genutzt. Ansonsten öffnen sich die Türen nur am Bahnsteig 1 – egal ob in Richtung Dresden oder in Richtung Kamenz.

Fahrgäste sind hier falsch

Wer auf Bahnsteig 2 steht, der sieht schlimmstenfalls nur noch die Rücklichter seines Zuges. Und er habe immer wieder wartende Fahrgäste auf dem falschen Bahnsteig bemerkt, sagt Lucas Förster und wirft einen Blick durchs Fenster zum Bahnsteig. Bim...Bim...Bim – gerade senkt sich wieder die Schranke neben dem Haus. Diesmal ist der Bahnsteig 2 aber leer - keine Gefahr im Verzug. Leute mit Ortskenntnis wissen ja auch Bescheid. Aber, dass es auch immer wieder „Irrläufer“ gibt, sei auch gar nicht so verwunderlich.

So wirkt der Bahnsteig natürlich neu und einladend. Er bietet alles, was sich der Passagier wünscht, ein kleines Wartehäuschen und mehrere Bänke zählen dazu. Die Betonplattform sieht noch fast aus wie am ersten Tag und sogar nachts wird die Plattform großzügig beleuchtet. Eigentlich perfekt, um dort auf die Züge aus Richtung Kamenz zu warten. Das böse Erwachen kommt, wenn der Zug auf dem Gleis gegenüber einrollt und die Türen zum Gleis 2 geschlossen bleiben. Natürlich steht auf dem Fahrplan das richtige Gleis. Aber es tappten immer wieder Leute in die Falle und sind natürlich sauer, weiß Lucas Förster. Es komme relativ oft vor, bestimmt ein oder zweimal pro Woche. Nach besten Kräften versuche er die Leute dann auf ihren Irrtum hinzuweisen, manchmal mit Gesten aber auch im Gespräch, wenn er draußen sei. So habe er neulich einen Engländer von dem Fehler abgehalten: „Er war sehr froh und hat sich herzlich bedankt.“ Dann freut sich auch der Student. Leider habe er nicht immer Erfolg.

Deutsche Bahn schon angeschrieben

Manchmal komme die Warnung zu spät. Denn der Weg auf die andere Seite ist lang und führt über den Bahnübergang an der Bahnhofstraße. Sind dort schon die Schranken unten, dann ist der Zug im wahrsten Sinne des Wortes abgefahren. Das ist umso bitterer, weil der nächste erst in einer Stunde zu erwarten ist. Er wolle gar keine harte Kritik üben, sagt Lucas Förster: „Mir tun einfach die armen Leute leid, die am falschen Gleis stehen.“ Deshalb habe er die Deutsche Bahn AG schon einmal angeschrieben. Das Unternehmen habe auch reagiert. Das Ergebnis war offenbar ein Zettel im Schaukasten auf dem Bahnsteig mit der Information, dass auf diesem Gleis derzeit kein planmäßiger Zugverkehr rollt. Der habe schon den einen oder anderen vor einer Pleite bewahrt. Aber etliche der Fehlgeleiteten würden den Hinweis dort gar nicht bemerken. Hinzu kommen auch noch irreführende Schilder auf dem Bahnsteig 2 selbst. Genau unter der dicken „2“ wurden Richtungspfeile für die Züge nach Dresden und Kamenz angebracht.

Manche Leute springen über die Gleise

Manchmal würden sich die Leute auch in Gefahr begeben: „Sie springen über die Gleise in der Not und versuchen zu ihrem Zug zu kommen“, sagt Lucas Förster. Oder sie suchen andere Abkürzungen. Die Polizei habe er auch schon mal beobachtet, wie sie Bußgelder kassiert. Deshalb müsse die Bahn unbedingt etwas Nachhaltiges unternehmen, um verunsicherte Passagiere in die richtigen Bahnen zu lenken. „Das kann doch nicht so schwer sein, eindeutig zu informieren.“ Denn an Gleis 2 könnte das Warten wirklich lang werden. Das werde meist nur alle paar Monate genutzt, weiß Förster aus Erfahrung. Wenn auch selten, wird es doch gebraucht auf der eingleisigen Strecke.

Nicht umsonst investierte die Deutsche Bahn über 600 000 Euro. Dafür wurden in Bischheim und Großröhrsdorf die Ausweichgleise weggerissen. Die Kreuzung ist notwendig, um Fahrplanabweichungen auszugleichen. Auch wenn Sonderzüge oder Güterzüge unterwegs sind, wird die Kreuzung gebraucht und für Notfälle. Und vielleicht sind ja bei so einer Investition auch noch ein paar Euro vorhanden, um für Fahrgäste ohne Ortskenntnisse die Situation deutlich zu machen.

Auf eine entsprechende Anfrage der SZ reagierte die Bahn noch nicht. Aber auch Lucas Förster wird leider nicht mehr so oft helfen können. Denn er hat sein Arbeitszimmer jetzt in einen anderen Raum in der Wohnung verlegt.