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Auf ein Bier nach Prag

Nur die Touristen retten Tschechien den Titel der Biertrinkernation Nummer eins.

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Von Hans-Jörg Schmidt

Dass Touristen einer Stadt oder einem Land guttun, ist eine Binsenwahrheit. Dass Besucher aus dem Ausland aber ihrem Gastland durch ihr Dasein einen Weltrekord verteidigen helfen, kommt nicht so häufig vor. Im Falle Tschechiens sind es die Touristen, die dem Land die alljährliche Krone als Biertrinkernation Nummer eins erhalten. Die Tschechen selbst nämlich trinken immer weniger Bier.

Das Lokal „U Zlateho tygra“ (Zum goldenen Tiger) gehört zu den schönsten in Prag – mit dem besten Bier. Den Ruf als Biertrinkernation Nummer eins verdanken die Tschechen auch der Trinkfestigkeit der Touristen. Foto: dpa
Das Lokal „U Zlateho tygra“ (Zum goldenen Tiger) gehört zu den schönsten in Prag – mit dem besten Bier. Den Ruf als Biertrinkernation Nummer eins verdanken die Tschechen auch der Trinkfestigkeit der Touristen. Foto: dpa © gms

Der Trend ist so deutlich, dass eine Prager Zeitung gar auf einer ganzen Seite die ernste Frage stellte, ob Tschechien überhaupt noch ein Bierland sei. Der Wein habe eine starke Lobby im Land. Das Bier leider nicht. „Es macht fast den Eindruck, als würden wir uns mittlerweile schämen, Bier zu trinken“, lautete das erschütternde Resümee des Beitrags. Das sind starke Worte in einem Land, wo Bier seit Jahrhunderten eigentlich zu den Grundnahrungsmitteln gehört.

Gründe für den Aderlass gibt es viele. An erster Stelle stehen natürlich wie überall die Preise. Trank man früher in einer meiner beliebtesten Prager Vorstadtkneipen den halben Liter für 18 Kronen (etwa 70 Cent), so muss man heute dafür schon das Doppelte bezahlen. Das ist für deutsche Verhältnisse zwar immer noch spottbillig; aber die Tschechen trifft das schon. Erstaunlich ist die Reaktion der Einheimischen. Früher hieß es, wenn der Bierpreis steige, dann käme es zu einer Revolution. Was natürlich völlig an der Realität vorbeiging: Der Tscheche an sich hält sich in der Regel lieber fern, wenn es darum geht, für oder gegen etwas laut und vielleicht auch noch auf der Straße zu protestieren. Der Spruch war eher etwas für von der Realität abgehobene Großmäuler. Und so nahmen die Tschechen die massiven Bierpreisanhebungen seit der „Wende“ auch alle mehr oder weniger klaglos hin. Maximal tranken sie einfach weniger Bier.

Sehen wir uns die Fakten an: 2012 – das ist das letzte Jahr mit einer entsprechenden Zahl – produzierten die tschechischen Brauereien zusammen 18 Millionen Hektoliter Bier. Tendenz fallend. Etwa 14 Prozent wandern in den Export. Mit seit Jahren steigender Tendenz, weil im Ausland tschechisches Bier noch einen guten Ruf genießt. Aber der Rückgang bei den tschechischen Bierkonsumenten ist größer als der Exportzuwachs. Bleiben die Touristen. Sie tranken im vergangenen Jahr 600 000 Hektoliter.

Es sind also die Touristen, die die Bier-Fahne hochhalten. 23 Millionen besuchen Tschechien jährlich. Viele nach eigener Aussage, um das tschechische Bier zu genießen neben all den architektonischen Sehenswürdigkeiten.

Zum Leidwesen der Bierbrauer wird der einheimische Hopfen zunehmend gewinnbringend ins Ausland exportiert, sogar bis nach Japan. Sie selbst greifen mehr und mehr auf Hopfenextrakt zurück. Derlei hat es früher nicht gegeben. Da warb man noch damit, ausschließlich Hopfen von den einheimischen Feldern zu verwenden.

Wie aber den Brauern helfen? Das ist natürlich eine rein rhetorische Frage. Die Antwort haben Sie längst selbst gefunden: Kommen Sie mal wieder zu den Nachbarn „na pivo“ – „auf ein Bier“. Sie können ruhig auch zwei oder drei trinken. Eine Wahrheit halten die Tschechen auch in der Bierkrise immer noch hoch: „Bier ist reine Medizin.“